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Zur Apologie des Islams


Im Zuge der Veranstaltung des Bündnis gegen Antisemitismus Leipzig mit Horst Pankow über den Film „Submission“, die am 11. Juli stattfand, veröffentlichen wir hier an Stelle des Filmreports einen kurzen Text des Referenten zu den Auswüchsen der Kritik an der Kritik des Islams. Nicht zuletzt diesen ist es zu verdanken, dass der Film bis heute keinen öffentlichen Verleih gefunden hat.
Niemand braucht Religionshistoriker zu sein, um zu wissen, dass in der Repräsentation des zeitgenössischen Katholizismus eine Anzahl heidnischer Elemente und Motive enthalten ist. Papst und Vatikan beispielsweise finden ihre Vorbilder im römischen Kaiser und dessen Hauptstadt eines die damalige bekannte Welt umspannenden Imperiums. Niemand käme freilich auf die Idee, dieses leicht zugängliche Wissen für eine Argumentation zur Verteidigung des „wahren Katholizismus“ gegenüber „vorchristlichen Traditionen“ zu nutzen, denn ohne Papst und Vatikan ist die katholische Kirche kaum vorstellbar.
Auch braucht niemand die Geschichte der untergegangenen Arbeiterparteien und –staaten intensiv studiert zu haben, um den Ursprung der kultisch zur Schau gestellten Führerporträts dort zu verorten, wo Ikonen bekanntlich zu Hause sind: im Christentum. Dennoch fühlte sich bis heute niemand zu der Narretei aufgerufen, als Anwalt des „wahren“ Sozialismus/Kommunismus“ gegen „christliche Überreste“ in Erscheinung zu treten. Ohne den Kult der großen Führer und Steuermänner war autoritärer Antikapitalismus offenbar nicht zu haben.
Ebenso wäre es bezüglich des Islam – vorausgesetzt, man will das – prinzipiell einfach, die Funktionalität seiner integralen „archaischen“ Elemente in Geschichte und Gegenwart zu bestimmen. Ayaan Hirsi Ali hat das am Beispiel islamischer Frauenunterdrückung anschaulich demonstriert. Sie spricht von der „Dominanz einer Sexualmoral im Islam, die sich von den Werten arabischer Stämme aus den Zeiten ableitet, als der Prophet von Allah dessen Botschaften empfangen hat; eine Kultur, in der Frauen Besitz waren, Besitz der Väter, Brüder, Onkel Großväter, des Vormunds. Das Wesen der Frau ist auf ihr Jungfernhäutchen reduziert. Ihr Schleier erinnert die Außenwelt permanent an die erstickende Moral, die muslimische Männer zum Besitzer der Frauen macht und die sie verpflichtet, sexuelle Kontakte ihrer Mütter, Schwestern, Tanten, Schwägerinnen, Nichten und Ehefrauen zu verhindern.“(1)
Deutsche Islamophile klagen hier Differenzierung ein. Sie bestehen auf der Unterscheidung zwischen dem Islam und seinen konstitutiven Elementen: „Dass Zwangsheirat und die Beschneidung von Frauen Erscheinungen archaischer Stammesgesellschaften und nicht des Islams und auch nicht des Islamismus sind, ist den Islamkritikern ohnedies keine Überlegung wert.“(2) Nur die Hinzufügung „und auch nicht des Islamismus“ weist den Autor dieser Feststellung als graduell links von der gesellschaftlichen Mitte befindlichen aus. Werner Pirker, antiisraelischer und proislamischer Kommentator der nationalrevolutionären „jungen Welt“, möchte auch den Islamismus, den viele seiner „gemäßigten“ Kollegen oft noch als Fundamentalismus beargwöhnen, in sein antizivilisatorisches Projekt einer „antiimperialistischen Front“ integrieren. Dies dürfte allerdings der einzige Unterschied zur Mehrheit der deutschen Journalistenzunft sein. Ein zunehmend kleiner werdender Unterschied, wie die Kommentierungen der palästinensischen Hamas-Herrschaft und des iranischen Mullah-Regimes in den Mainstream-Medien belegen.
Wendete man die eingeforderte Differenzierung auf Texte deutscher Islamverteidiger an, könnte man in der Tat interessante Entdeckungen machen. Dazu aufgrund der hier gebotenen Kürze nur ein Beispiel: In der
Zeitungsauschnitt, 34.2k

Siehe zu den Bildern auch das Editorial.
Ausgabe vom Juli-August 2005 der Zeitschrift „Literaturen“ beschäftigt sich ein Rezensent mit Hirsi Alis Buch „Ich klage an. Plädoyer für die Befreiung der muslimischen Frauen“. Er beschimpft die Autorin als „frisch zum Atheismus bekehrten weiblichen Möchtegern-Voltaire“, eine offensichtliche Retourkutsche auf den im Buch enthaltenen Text „Lasst uns nicht im Stich – Gönnt uns einen Voltaire“, in der Hirsi Ali das Ausbleiben einer „Epoche der Aufklärung und Modernisierung“ in der islamischen Welt thematisiert. Weit entfernt noch vom geringsten Ansatz einer argumentativen Auseinandersetzung gelangt der Rezensent zu folgendem Urteil: „Wenn der Islam selbst, der Koran und das Vorbild des Propheten, von Übel sind, wie Hirsi Ali behauptet, dann ist nicht Reform die Lösung, sondern der Abfall vom Glauben – nach dem Beispiel der Autorin. Und dann ist das, was sie unter der Flagge der ‚Religionskritik’ betreibt, nicht Aufklärung, sondern ein Kreuzzug gegen die Religion.“
Wer hier den Einfluss von Osama Bin Ladens Aufrufen gegen „Kreuzritter und Juden“ festzustellen meint, liegt wahrscheinlich nicht ganz falsch, kennt aber möglicherweise eine „vordemokratische“ Quelle des zitierten „demokratischen“ Verdikts nicht. Ihr Autor heißt Mohammed Bouyeri. Nachdem der junge Moslem am 2. November 2004 in Amsterdam den Regisseur Theo van Gogh auf bestialische Art ermordet hatte, heftete er an die Leiche seines Opfers einen „Offenen Brief“ – adressiert an die „ungläubige Fundamentalistin Ayaan Hirsi Ali“. Darin findet sich die folgende Passage: „Sie machen kein Hehl aus ihrer Feindschaft zum Islam. Ihre neuen Herren haben Sie dafür mit einem Sitz im Parlament belohnt. In Ihnen haben sie einen Mitstreiter im Kreuzzug gegen den Islam und die Moslems gefunden – ein Mitstreiter, der ihnen die schmutzige Arbeit abnimmt. Erblindet vom Feuer der Ungläubigkeit, das in ihnen wütet, können Sie nicht erkennen, das sie nur ein Instrument der wahren Feinde des Islams sind. Sie werden benutzt, um diverse Feindseligkeiten gegen den Islam und unseren hochverehrten Propheten Mohammed, den Gesandten Gottes, auszuspucken.“
Mohammed Bouyeri wurde zu lebenslanger Haft verurteilt und soll vor Gericht geäußert haben, er wolle lieber sterben, um als Märtyrer ins islamische Paradies einzuziehen. Doch selbst noch seinem Tode würden seine Ideen wohl fortbestehen, nicht zuletzt in den Texten von Autoren wie dem zitierten Rezensenten. Einer naheliegenden Parallelisierung von Schreibtischtäter und Straßenmörder muss jedoch dringend abgeraten werden: Einerseits könnte dies unangenehme juristische Konsequenzen zur Folge haben, anderseits ist eine PC-Tastatur ja wirklich nicht das Gleiche wie die Pistole und das Messer, mit denen Theo van Gogh ermordet wurde.

Horst Pankow
(1) Ayaan Hirsi Ali: Ich klage an. Plädoyer für die Befreiung der muslimischen. München 2005. S. 9 ff.
(2) In „junge Welt “ vom 20. 05. 2006


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last modified: 28.3.2007