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WELT vs. POP-Empfindsamkeiten


Lali Puna (Morr Music)
Alias (Portland)

NOTWIST und die gesamte Weilheimclique sind für LALI PUNA kein Schatten, in dem sie ewig stehen werden, nein sie sind besser Referenz für jenes Bandprojekt, dass nicht umsonst Mitglieder aus Erstgenannter, TIED TICKLED TRIO und CONSOLE beherbergt. Weilheim nahe München war Mitte der 90er Jahre als eines in Sachen Gitarre und Indie hoffnungsvollste Basis, dass einen aufgrund der Vielseitigkeit der musikalischen Projekte und deren inzestuöses kulturelles Miteinander in Bands positiv an ein zweites Chicago erinnerte. So entstand auch Lali Puna um die Frontfrau Valerie Trebeljahr genau in jenem Sog der Innovation und ständigen Austauschs klingender Ideen.

Alias und Lali Puna, 41.0k


Zerbrechliches schien das Debütalbum des vorrangig elektronischen Projektes zu dominieren und je sparsamer desto angebrachter wurde Ton um Melodie gewählt. Umso folgerichtiger ist der Schritt zur neuen Platte, die in Sachen musikalisch verpackte Wärme samt Melancholie dem Erstling nichts mehr hätte ergänzen wollen, hin oder besser zurück zur Analogie der Gitarre mit leichtem musikalischen Blinzeln auf die guten alten Zeiten, als Musik via Wave und Punk noch meinte, die bessere Welt präsentieren zu können.
Eines scheint klar zu sein: Nach dem Zweifel kommt die Traurigkeit über das Chaos und die Ausweglosigkeit der Situation. Nicht umsonst werden die Songs dieser Welt von Charts bis Spex immer tragischer, trauriger und gleichzeitig lukrativer für genau diese Welt. Doch was meint jene Melancholie, die den Zeitgeist dermaßen repräsentiert? Machen wir uns nichts vor – es meint keinen neuerlichen Erkenntnisschub und bedeutet auch kaum eine plötzliche positive Wende für eine epidemische, also um sich greifende Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse. Besser lässt sich dieses Phänomen der Popularität „emotionaler“ Harmonien in sämtlichen Genres der Musik als Spiegelbild zunehmender Unsicherheiten interpretieren, indem hier Pop als Projektionsfläche individueller und globaler Zustände funktioniert. Eine Fläche, die jedoch ausschließlich feststellend funktioniert und auch ausschließlich nur feststellen vermag, anstatt Aufklärung zu sein, denn dazu ist sie zu sehr Teil des Problems. Dennoch ist es als so genanntes Glücksversprechen und individuelles Arrangement mit den Verhältnissen zu legitimieren.
So bleibt allerdings beim künstlerischen „Gestalten“ von „Inhalten“ meist alles und oftmals auch zum Glück „offen“ und ist dem Zuhören und Betrachten überlassen. Wird schließlich doch konkret, wird es peinlich und man wünscht sich nichts lieber als geile unpolitische Musik, „as unpolitische Musik can....“ – aber das ist ein alter Hut.
Lali Puna haben also irgendwie die Gitarre wieder entdeckt und das ist auch gut so. Verrockter Minimal Pop, der elektronischen Spielart ist daraus geworden, der trotz „Back to Verstärker“-Ansätzen und süddeutscher Schaffenskoordinaten einen ganz eigenen Lali Puna-Mikrokosmos hochleben lässt. Ein eigenständiger Kosmos, der gut ohne NOTWIST funktioniert und dennoch froh zu sein scheint, gleichzeitig musikalisch mit Jenen Familie zu sein.
Freuen wir uns auf die Live-Präsentation von „FAKING THE BOOKS“, dem zweiten Album der Band. Musik, die geprägt von gesellschaftlicher Unsicherheit eben als Brille zur Welt gewollt wurde, auch wenn eine Lupe angebrachter wäre. Aber dies hatten wir bereits, dass POP als Lupe genau nicht funktionieren wird. Vielmehr ist LALI PUNA mit „FAKING THE BOOKS“ ein bestes Beispiel für einen individuellen Rahmen, der es vermag, sämtliche Gefahren des Verlorengehens mit dem eigenen Schaffensradius zu kompensieren und sich dennoch in den richtigen Kontext zu setzen.
Wie auch immer:

Jeremy


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last modified: 28.3.2007