Da stehen sie nun, die Kämpfer für eine
bessere Welt. Zu dritt. Ihre zornigen Gesichter schauen herab in ein Buch,
das durch einen roten Stern gekennzeichnet ist. Den roten Stern hat jemand
drauf gemalt, der die drei kennt. Der schreibt in einer linken Zeitung und
meint, man müsse auch lesen und begreifen, um zu kämpfen.
Revolutionäre müssen die besseren Denker sein.
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Jetzt haben die drei das Buch mit dem roten Stern. Den roten Stern kennen sie.
Den haben sie immer auf ihre Transpis und an fremde Wände gemalt.
Kann also nicht schlecht sein dachten sich die drei, als sie mit
der Leseprozedur begannen. Doch wie macht man so was: lesen? Am besten man
steht zu dritt vor dem Buch. Aber Hasskappe und Sonnenbrille muss man absetzen.
Jetzt sehen die drei ihre zornigen Gesichter. Der Zorn kommt nämlich von
der Finsternis der Macht, gegen die man kämpft und von der man gezeichnet
ist. Jeder der drei bemüht sich, so finster und kampfesbereit wie
möglich in die Welt, d.h. jetzt mal ins Buch zu blicken. Man befindet sich
schließlich weiterhin im Kampfe und nicht in der Schule. Die Arme pressen
die drei an den Körper. Die Hände greifen verkrampft den Stoff der
Hose, um sich festzuhalten. Schließlich sind die Hände, die an den
starken Armen dran sind, normalerweise daran gewöhnt, zu hauen und zu
werfen. Bullen und Nazis hauen. Steine und Mollis werfen.
Jetzt liest man also. Einer der Drei, nämlich Horst, merkt als Erster,
dass so was ganz schön lange dauert. Zu lange. Man könnte ja einfach
schneller lesen. Man muss nämlich immer bedenken, dass man sich ja im
Kampfe befindet. Und im Kampf hat man nicht so viel Zeit. Und wenn man nicht
soviel Zeit hat, muss man sich was einfallen lassen und sich ganz dolle
anstrengen. Es ist natürlich nicht so, dass Zeit Geld wäre.
Schließlich wissen die drei, dass Geld schlecht ist. Aber Zeit ist Zeit.
Das wissen die drei. Und Zeit haben die drei nicht. Schließlich befindet
man sich in einer Zeit des Kampfes. Und im Kampf hat man nicht so viel Zeit. Da
muss man schnell überlegen und blitzschnell handeln.
Wir denken zu rasch, und unterwegs, und mitten im Gehen, mitten in
Geschäften aller Art, selbst wenn wir an das Ernsthafteste denken; wir
brauchen wenig Vorbereitung, selbst wenig Stille: es ist, als ob wir
eine unaufhaltsam rollende Maschine im Kopfe herumtrügen, welche selbst
unter den ungünstigsten Umständen noch arbeitet. Ehemals sah man es
Jedem an, dass er einmal denken wollte es war wohl die Ausnahme! ,
dass er jetzt weiser werden wollte und sich auf einen Gedanken gefasst machte:
man zog ein Gesicht dazu, wie zu einem Gebet, und hielt den Schritt an; ja man
stand stundenlang auf der Strasse still, wenn der Gedanke kam
auf einem oder auf zwei Beinen. (Nietzsche, Die fröhliche
Wissenschaft, Erstes Buch, 6. Aphorismus)
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Man muss also schneller lesen. Man könnte ja einfach schneller lesen.
Fünf Seiten auf einmal zum Beispiel. Die drei lesen zehn Seiten auf
einmal. Man muss auch beim lesen besser sein als sein Gegner. Sie haben
Glück, es gibt schon unterstrichene Stellen. Manche Stichwörter und
Sätze schreibt Host schnell raus. Die passen gut für die
Flugblätter für den Kampf. Die Flugblätter muss man dann
verteilen. Das gehörte immer zu den Kampagnen, so nennt man das, dazu.
Bisher hatte man aber nicht soviel zum Schreiben. Gegen
Kapitalismus!!!. Oder: Gegen Faschismus!!!!!. Jetzt freuen
sich die drei darauf, ein Flugblatt mit mehr Text zu machen, indem sie kluge
Stellen zitieren und ganz kluge Begriffe anbringen. Zum Beispiel: totale
Vergesellschaftung. Oder: Ideologie und
Psychoanalyse. Oder gar: Immanente Kritik. Man kann das
Ganze dann auch kombinieren: Angesichts der totalen Vergesellschaftung
kann die Ideologie nur durch immanente Kritik und unter Verwendung der
Psychoanalyse aufgebrochen werden. Diesen Satz haben die drei dann im
Flugblatt durch Unterstreichung hervorgehoben. Die klugen Stellen, die sie
zitieren, sind klug und so hart, wie der Kampf, den die drei
kämpfen. Kritik ist kein anatomisches Messer, sie ist ein
Waffe. Das schreiben die drei in das Flugblatt und auf ein Transpi
für die nächste Demo, die irgendwann stattfinden und notwendig sein
wird. Aber auch ganz theoretische Sachen lassen sich manchmal im Flugi, so die
Kurzform für Flugblatt, verwenden. Man muss (!) das innre
Band (Marx) in den Entwicklungsformen des Stoffs aufspüren, um was
Dialektisches zu machen. Die drei sind wirklich zufrieden. Das Buch haben
sie bald durch und das Flugblatt mit richtig viel Text ist schon fast fertig.
Dann wollen sie sich erst mal wieder entspannen. Action machen. Das
nächste Buch steht aber schon bereit. In diesem wollen sie dann immer
zwanzig Seiten auf einmal lesen.
Action-Grüße an den Mob, Euer Hannes
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