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Die Mafia und
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...nämlich Die Sopranos
(Martin Scorsese, Regisseur) Wir prahlen nie. Das ist gegen La Regola. Aber wenn man schon einmal angibt dann bitte korrekt. Meyer Lansky hat einmal gesagt, wir seien größer als U.S. Steel. Nun, wir wollen mal sehen: 1969 hatte U.S. Steel Aktiva in Höhe von 5.600.000.000 Dollar und einen Umsatz von 5.000.000.000 Dollar, wovon nach Abzug der Steuern ein Reinertrag von 172.500.000 Dollar übrig blieb. Wir dagegen haben einen Umsatz von 50.000.000.000 Dollar mit anderen Worten: 10mal so viel wie U.S. Steel. Wir machen einen Profit, der größer ist als der von General Motors, Standard Oil, Ford, General Electric, Alcoa und U.S. Steel zusammen. Warum sollten wir also nicht gut essen? (Joe Cipolla, Das Mafia Kochbuch Italo-amerikanische Küche) Es ist eine Parodie des Kapitalismus. (David Chase, Regisseur von The Sopranos)
Exakt wie die Serie, der ich durch einen glücklichen Zufall gewahr wurde und deren Namen da lautet: Die Sopranos. Zu bekommen ist sie auf mehreren DVDs und ausleihbar in jeder besseren Videothek. Warum ist diese Parodie des Kapitalismus nun so spektakulär? Um dies darzustellen, muss ein wenig ausgeholt werden. Erst einmal haben wir da Anthony Tony Soprano, der zu Beginn der Serie einfach nur einem ganz harmlosen Termin bei seiner Psychiaterin nachkommt und ihr dabei von seinen Problemen erzählt. Tony wirkt wie ein gemütlicher dicker Papi und ist nach eigenem Bekunden im Abfallgewerbe tätig. Als er jedoch erzählt, er habe mit einem Kunden nur einen Kaffee getrunken, die Kamera jedoch zeigt, wie er besagter Person ordentlich die Fresse poliert, ahnen wir, dass dies alles nicht so ganz hinhaut. Nun gut, Tony ist also bei der Mafia. Da tut er, was man als Mafiosi halt so tut: Geld eintreiben, Klauen im großen Stil, Leute aufmischen etc. Aber Tony ist noch mehr, er ist nämlich Vater einer reizenden Familie. Da wäre zum einen seine brave Tochter, eine Einserschülerin, die sich schon mal Koks besorgt, um erfolgreich für einen Test zu lernen und die Chorprobe des Schulchors, in dem sie selbstverständlich Mitglied ist, nicht zu vergeigen. Dann hätten wir da noch seinen pummeligen und mitten in der grauenhaftesten Phase menschlicher Entwicklung, der Pubertät nämlich, steckenden Sohn. Der klaut Messwein aus der Kirche, um sich anschließend mit seinen Kumpels zu besaufen und verfügt über eine sicher nicht zu unterschätzende Pornosammlung. Diese jedoch geht im Verlauf der Serie flöten, nämlich bei einer Razzia. Schwester: Lösch deine Festplatte, die Bullen sind im Anmarsch. Bruder: Na und? Schwester: Willst du, dass die die ganzen Pornos sehen, die du noch hast? Daraufhin spurtet der Bruder wie von einer Tarantel gestochen in sein Zimmer. Selbstverständlich verfügt eine geregelte und intakte bürgerliche Familie auch über eine Ehefrau und Mutter. Die würde gern mal mit dem Priester ins Bett und weiß, warum sie sich für Tony entschied. Mutter: Eine glückliche Frau ist die, die Geld der Armut vorzieht. Dann wären da noch Cousins, Neffen, Tonys Onkel und, ganz wichtig, seine Mutter. Doch dazu später. Erst mal Tony, der ja eigentlich die wichtigste Figur der gesamten Serie ist. Tony ist ein echter Freund, der schon mal seinem krebskranken Kumpel eine Nutte ins Krankenhaus schleust. Tony ist auch ein guter Unternehmer, der schon mal auf den Sex mit der Geliebten verzichtet, weil es Arbeit für ihn gibt. Tony ist auch ein patriarchales Arschloch, das seine Familie mit harter Hand regiert, jedoch schon mal seiner Tochter beim Fußballspielen zusieht. Gangsterfreund: Frauenfußball, Tony? Tony: Was soll ich machen, mein Sohn ist ein Stubenhocker. Und, last but not least, Tony hat gewaltige psychische Probleme, einen ordentlichen Komplex aufgrund seiner Mutter, Depressionen etc. Deshalb geht Tony nämlich auch zum Psychiater, schluckt Prozac und Lithium. So ungefähr sieht der Plot aus, der so einiges an Überraschungen bereithält und von seinem sarkastischen, oftmals sogar zynischem, Humor lebt. In einem Moment macht Tony noch jemanden fertig, um sich im nächsten von seiner Mutter aufs übelste terrorisieren zu lassen. Oder sein Onkel, der irgendwann Capo wird, tut alles, damit ja nicht herauskommt, dass er gerne Frauen leckt, was in der familia als unmännlich gilt. Jedoch soll hier nicht mehr verraten werden von dieser Mischung aus Gewalt und Kastrationsangst, sondern sie sei nur empfohlen und dies all jenen, die gerne gute Gangsterfilme sehen und denjenigen, die wirklich gute Sitcoms mögen. Selbstverständlich, und dies vor allem, den Leuten, die bei den Simpsons an Stellen lachen, die andere nicht einmal wahrnehmen. Diese nämlich machen den eigentlichen Charme der Sopranos aus, diese wahnwitzige Normalität der bürgerlichen Familie, diese klebrig-zuckersüße Hölle auf Erden, eben das, was übrigbleibt, wenn man die Simpsons des Slapstick berauben würde. Aber dann gäbe es kaum noch Zuschauer, was ja auch irgendwie schade wäre. Schlaubi |