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Das Recht auf Terrorismus | |
Außer Honderich waren auch Micha Brumlik und Jürgen Habermas eingeladen, die aber beide »das Diskussionsangebot abgelehnt« hatten, weswegen Honderich, ein emeritierter drittklassiger akademischer Korinthenkacker, mit Georg Meggle vorlieb nehmen musste, einem Professor, der in Leipzig weltberühmt ist. Sein Steckenpferd heißt: »Terror & Der Krieg gegen ihn«. Was an sich schon eine hübsche Wortklauberei ist, die sich an militante Pazifisten richtet, die den Krieg verdammen aber über den Terror mit sich reden lassen. Nun kann man natürlich fragen: Wenn der Suhrkamp Verlag so dumm war, Honderichs Buch zu verlegen und es erst aus dem Verkehr zu ziehen, nachdem Brumlik dagegen interveniert und Habermas zugegeben hatte, dass er es ungelesen empfohlen hatte, warum soll dann die Uni Leipzig die Affäre mit allen Beteiligten nicht wieder aufwärmen, so wie RTL die Affären aufwärmt, die in der Bildzeitung vor gekocht werden? Und wenn der schmierige Pastor Jürgen Zink in der ARD seiner Bewunderung für palästinensischen Terroristen, die ihr Leben für eine Sache opfern, Ausdruck geben darf, dann kann man das selbe Recht dem alerten Ted Honderich in der Leipziger Uni nicht verweigern, der so schön wissenschaftlich in Thesen und Antithesen redet, um ein moralisches Recht auf Terrorismus dialektisch zu begründen, natürlich nur so lange, wie es nicht seine Eier sind, die ihm um die Ohren fliegen. Man muss dabei nur eines bedenken: Die Frage »Gibt es ein Recht auf Terrorismus?« ist keine rhetorische Frage, sie ist Etikettenschwindel. Denn es geht nicht um den Terror der Tschetschenen gegen die Russen, der Kurden gegen die Türken, der Iren gegen die Briten, der Basken gegen die Spanier, der Korsen gegen die Franzosen, der Tamilen gegen die Regierung von Sri Lanka, der Unterdrückten und Besetzten gegen die Unterdrücker und Besatzer, es geht ausschließlich um den Terror der Palästinenser gegen die Israelis, der moralisch legitimiert werden soll. Es ist der einzige Terror im weltweiten Angebot, der nicht mit der politischen Pathologie der Täter sondern mit dem schuldhaften Verhalten der Opfer begründet wird, die auch dann »Besatzer« sind, wenn sie mitten in Tel Aviv in einem Café sitzen oder in einem Bus zur Schule fahren. Es geht also nicht darum, ob es ein Recht auf Terrorismus gibt, eine Frage, die kein Mensch stellen würde, wenn es um die Aktivitäten der RAF ginge, es geht darum, wie man die Ermordung von Juden rechtfertigen und dabei ein sauberes Gewissen behalten kann, so wie es Himmler in seiner berühmten »Posener Rede« getan hat. Womit wir beim Kern der Sache wären. Es geht nicht um die armen Palästinenser, es geht um die geschlagenen Deutschen und um ein Problem, das sie noch mehr belastet als das Dosenpfand, der Mautskandal und die Rentenreform: ihre Geschichte, die ihnen am Gemüt haftet wie ein Stück Hundescheiße an der Schuhsohle. Und es ist immer wieder dieselbe deutsche Debatte, die aus einem anderen Anlass geführt wird. Ging es bei dem Bombardement von Bagdad eigentlich um das Bombardement von Berlin, das rückwirkend delegitimiert werden sollte, geht es bei den Mordanschlägen palästinensischer Terroristen gegen Israelis um den antijüdischen Terror der Nazis, der rückwirkend legitimiert werden soll. Heute halten die Juden Palästina besetzt, gestern haben sie Stellungen im deutschen öffentlichen Leben besetzt gehalten. Heute wie gestern müssen sie mit Gewalt entfernt werden, weil sie nicht freiwillig gehen wollen. Wenn es gelingt, die Anwendung terroristischer Gewalt heute zu legitimieren, wird im Lichte dieser Legitimität die antijüdische Barbarei von gestern ganz anders erscheinen: Als eine zwar harte, aber unvermeidliche Notwehrmaßnahme, wie es eben die Terroranschläge dieser Tage sind. Das klipp und klar zu sagen, traut sich außer Horst Mahler natürlich kein Deutscher, und deswegen ist es umso schöner, wenn plötzlich ein »britisch-kanadischer Philosoph« daherkommt, der nicht vorbelastet ist und den Vorwurf, er sei womöglich ein Antisemit, schon kontert, bevor er erhoben wurde, und das mit einer unschlagbaren Begründung er wäre mal mit einer Jüdin verheiratet gewesen. (Die weißen Südafrikaner, die während der Apartheid nach Zimbabwe fuhren, dachten auch, sie wären keine Rassisten, weil sie gerne zu schwarzen Nutten gingen.) Auch die Antwort auf die Frage »Gibt es ein Recht auf Terrorismus?« steht fest, bevor Ted Honderich in Leipzig zu Ende geredet hat: Ja, wenn es sich bei den Betroffenen Opfer wäre an dieser Stelle das falsche Wort um Juden handelt. Für Deutsche, die noch immer mit ihrer Geschichte und ihrem Gewissen hadern, ist dies eine kommode Situation: Die Palästinenser übernehmen die Drecksarbeit, ein britisch-kanadischer Philosoph liefert das moralische Alibi, die Uni Leipzig muss nur einen Hörsaal für die Diskussion zur Verfügung stellen. So macht Geschichte endlich wieder Spaß. Und auch einfache Gemüter, die einen Philosophen von einem Pappbecher nicht unterscheiden können, schauen wieder mit Zuversicht in die Zukunft, wie einer meiner Leser, der mich neulich wissen ließ, wie er sich die Lösung des Nahostkonflikts vorstellt: »Ich hoffe, dass Sie noch leben, wenn die Juden zu Recht von den Arabern ins Meer getrieben werden, und daran werden sie selber schuld sein!« Henryk M. Broder * * Dieser Text ist zuerst auf www.henryk-broder.de erschienen, das CEE IEH druckt ihn mit freundlicher Genehmigung des Autors ab. |