(The great Dresden swindle part two)
Wenige Tage nach dem Jahrestag des vorletzten deutschen Angriffskrieges war Jörg Friedrich
endlich da, wo er hingehört, im Zentrum der Unbelehrbarkeit
Die antisemitische Abwehr der Aufklärung
konzentriert sich mit Vorliebe auf irgendwelche Daten und Fakten, die nicht
absolut sicher sein sollen, wie etwa die Anzahl der ermordeten Juden, die
Authentizität mancher Dokumente und ähnliches. Es wäre von
vornherein falsch, sich dabei in die Kasuistik einzulassen. Statt dessen sollte
man versuchen, zur Besinnung über die Formen des Denkens zu veranlassen,
das sich darauf kapriziert, es wären nicht sechs, sondern nur fünf
Millionen gewesen, und das dann von dort unmerklich, wie ich es wiederholt in
rechtsradikalen Publikationen habe beobachten können, dazu übergeht,
daß es am Ende nur ein paar Tausend gewesen seien. Generell ist es
besser, über Strukturen der Argumentation aufzuklären, über die
Mechanismen, die ins Spiel gebracht werden, als jeweils sich auf eine
unendliche Diskussion innerhalb der Strukturen einzulassen, die von den
Antisemiten gewissermaßen vorgegeben sind und durch die man a priori
ihren eigenen Spielregeln sich unterwerfen würde. Beispiel: das beliebte
Schema des Aufrechnens; daß es zwar wahr sei, soundso viele Juden
wären umgebracht worden; Krieg so wird einem dann
bedeutet sei Krieg, dabei flögen Späne, aber Dresden
wäre doch auch entsetzlich gewesen. Kein Vernünftiger wird das
bestreiten, wohl aber das ganze Schema des Denkens, die Vergleichbarkeit von
Kriegshandlungen mit der planmäßigen Ausrottung ganzer Gruppen der
Bevölkerung. (...) Wirksam ist hier ein Projektionsmechanismus: daß
die, welche die Verfolger waren und es potentiell heute noch sind, sich
aufspielen, als wären sie die Verfolgten.
Theodor W. Adorno
Dresden ermahnt 1
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Wenn zwei Nazis aufeinander treffen, klingt das meist hohl. Sind sie zu
dritt, bedürfen sie eines Anführers. Jörg Friedrich mag mit
denen nichts zu tun haben wollen, ihnen kein Führer sein. Er wird, darauf
wird noch zurückzukommen sein, auf sein bisheriges Schaffen, so der
Mitarbeit an der Enzyklopädie des Holocaust, verweisen.
Friedrich ist nach seiner, nicht nur vom üblichen Verdächtigen-Mob,
i.e. Spiegel und -TV, F.A.Z. und Junge Freiheit,
unterstützten, kollektiven Entlastung und damit Opferstellung seiner
Deutschen, kein Revisionist. Er ist als Historiker in seinem Gewerbe das, was
man von Günther Grass bezüglich seiner Stellung in der Literatur
sagen könnte, ein Günther Krause. Durchaus auch kompatibel mit der
seit Jahren den Soundtrack zur Mobilmachung, zur Entmenschung durch
Marschieren, Brüllen und Stolz auf Dumpfsein propagierenden Tanzkapelle
Scooter.
Friedrich rechnet nicht auf, der leugnet nichts. Friedrich verharmlost in
seiner Darstellung keineswegs die Gräueltaten der Nationalsozialisten, er
rechnet auch nicht wechselseitig auf. Es ist dies der einzige Satz des
Christian Ruf, der im Vorfeld für das LVZ-Schwesterorgan
Dresdner Neueste Nachrichten das Präludium für den Auftritt
Friedrichs Anfang September in Dresden gab, der wie alle anderen auch nicht
stimmt, aber zumindest unfreiwillig andeutet, worum es dem Ruf seit Jahren auch
als Autor der Sächsischen Heimat-Zeitung, kürzlich als
wohlwollender Rezensent eines Schinkens aus einem Nazi-Verlag in der
LVZ, wie dem Friedrich mit seinen Umtrieben geht: Er erwähnt nur
nichts. Vernichtungskrieg, Shoa, Herrenmenschentum, unwertes Leben
all das kommt bei Friedrich nicht vor, wenn aber doch andeutungsweise
ein solcher Begriff fällt, dann als nur indirekt bezugnehmender Begriff,
als begriffsloser Begriff.
Es gibt bei Friedrich keine Ursache-Wirkung-Beziehung, keine dialektische
Betrachtung, keine widersprüchlichen Entwicklungen. Und so ist er denn
doch, ein letzter Vergleich, eine Art Mathias Bröckers der neueren
Geschichtsumdeutung, verwirrt in seiner eindimensionalen, rein technizistischen
Betrachtung von Mensch, Welt und Entwicklung wie man sie auch von der
Bürgerrechtsbewegung Solidarität kennt.
Und wenn er ins Leiden kommt, dann aber richtig. Für Deutschland! Wenn
Deutsche gegen die vollkommenste Kriegsmaschine mit ihrem blanken
Leib standen, eine Bevölkerung nackt und bloß,
die, an dieser Stelle passt sich Friedrichs überschnappende Stimme
Metapher und der Grammatik an, dem Bombenkrieg nahe in sein
Medusenhaupt schaut. Und nicht vergessen, die sehr tapferen
Hitler-Jungen und BDM-Mädchen.
Von einem Friedrich, der ebenso gut reden kann wie er schreibt,
wird am übernächsten Tag ein Wolfgang David im dafür
berüchtigten Kultur-Teil der Sächsischen Heimat-Zeitung
schreiben. Und David wird wie sein Presskumpan Ruf gespürt haben, dass und
warum dieses Buch für Brandstifter und diese Veranstaltung, organisiert
von Konrad-Adenauer-Stiftung und einer Dresdner Buchhandlung, sie hier
zusammengebracht haben. (Als hätte der Weltgeist seine ordnende Hand Im
Spiel: Der Veranstaltungsort, der Festsaal der Wirtschaftsfakultät der Uni
Dresden, nach 1989 nach einer SS-Größe benannt, befindet sich unweit
des bekanntesten Revisionisten-Stadls, dem Hannah-Arendt-Institut für
vergleichende Sozialismusforschung, wo man als Mitglied der Wiking-Jugend und
Organisator von Veranstaltungen der äußersten Rechten eine Behausung
findet. Nicht auch, sondern genau deshalb.) Und mit ihnen einen örtlichen
Führer der NSDAP-Nachfolgepartei. Und auch sonst sind die da, von denen
das zu erwarten war. Ganz gewöhnliche Dresdner. Weder durch
Aufklärung oder Logik, noch durch die Aufdeckung ihrer Lügengespinste
zu beeindrucken. Ein ganz gewöhnliches, für Außenstehende aber
doch interessantes Ereignis, war der Auftritt dieses revanchelüsternen,
antiintellektuellen Mobs anlässlich der Buchvorstellung Tiefflieger
über Dresden? Legenden und Wirklichkeit von Helmut Schnatz vor
einigen Jahren.(1)
Dresden ermahnt 2
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Es ist müßig, nochmals alle Contra-Friedrich-Argumentationen
zusammenzufassen. Es hilft ja nichts, da einer wie der Christian Ruf seinen
rechten Rand nicht halten kann, wenn er, auch hier ganz Stimme von Herrchen,
schreibt: Als ebenso kriegsverbrecherisch wie sinn- und nutzlos wertet
der Militärhistoriker dieses moral bombing, das bewusst
vorrangig Siedlungsgebiete im Visier hatte. Die Legende von der sauberen
Wehrmacht ist beerdigt, aber die Mär vom sauberen oder zumindest
erfolgreichen Bombenkrieg gegen Deutschland hält sich. Hier
könnte man einwenden, den eingangs zitierten Einwand Adornos missachtend,
dass sowohl das Eine wie auch das Andere bislang nur Dummköpfen und
anderen Geschichtsfälschern behauptet wurde, indem sie, man könnte
dies die Methode David Irving oder Jörg Friedrich nennen, das Ganze in
seiner Entwicklung, in seiner Verzweigtheit, in seiner Widersprüchlichkeit
außen vor lassen, dafür aber ihnen genehme Details benutzen, welche
sie diese ins Monströse vergrößern. Man könnte als Beleg
gegen die nun durch Friedrichs Ruf wieder einmal aufgestellte Unwahrheit Mark
Connellys detaillierte Geschichte des Bomber Command setzen. Neben dem Binden
von Mensch und Material, die deswegen an den Fronten fehlten, ging
es um die Einschüchterung und Demoralisierung der Bevölkerung
(moral bombing).(2) Es sei angemerkt, dass sich Conelly
nicht in Friedrichs Literaturliste findet, dafür aber vier Einträge
des Lügenmauls David Irving sowie Franz W. Seidlers. Ebenso fehlt die oben
erwähnte Untersuchung Helmut Schnatz, zu dem sich der lediglich
etwas seltsame Hinweis auf sein knapp zwanzig Jahre altes Buch Der
Luftkrieg im Raum Koblenz 1944/5 findet. Unkorrigiert in der zweiten
Auflage des Brandes blieb auch das Erscheinungsdatum von Alan
Coopers Werk Air Battle of the Ruhr. Es wurde durch den Historiker
Friedrich in das London 22 000 gelegt.
Dass das von Connelly beschriebene Anliegen des moral bombing nicht
funktioniert, und zwar nur bei den Deutschen nicht funktionierte, die auf
einmal keine Volksgemeinschaft, sondern Zivilisten gewesen sein wollen und
sollen, versucht Friedrich nicht einmal zu erklären. Er gibt in seinem
Referat nur einen Hinweis: Der Staat kümmerte sich nach dem Bombardement
um alles Essen, Kleidung, neue Wohnung. Er kümmerte sich wie es nur
der totale Staat, der Versorgungsstaat, könne. Noch in der Neuauflage
seines 1984 erstmals erschienenen Buches Die kalte Amnestie ist der
Schwerpunkt bei Friedrich bezüglich der Wirkung des Bombenkriegs auf die
Deutschen und deren handlungsgelähmten Untergangsbereitschaft
(sic!) ein anderer.
In der atmosphärischen Depression warteten alle Volksgenossen innigst
auf ein klärendes Wort Adolf Hitlers. Nach der Vernichtung Hamburgs war er
stumm geblieben, erst im September fand er sich widerstrebend bereits,
über den Rundfunk Trost zu sprechen. Die Ankündigung weckte
höchste Spannung, weil man sich vor allem Rückschlüsse auf
die Konstitution und die Stimmung des Führers
versprach. Solange er die Nerven behalte, sei alles bei uns in
Butter. Hitler zeigte sich in guter Verfassung, redete aber seinen
Zuhörern bei weitem nicht lange genug. Er versprach, in drei Jahren alles
Zerstörte schöner aufzubauen, als es je zuvor gewesen war, die
Engländer aber durch fürchterliche Vergeltungswaffen zu
züchtigen. Fortan stellten die SD-Berichte intensives Raten über die
Natur der angekündigten Vergeltung fest, die wahrscheinlich darum so lange
auf sich warten lasse, damit die Zerstörungswirkung auch komplett gerate.
In Arbeiter- und Bauernkreisen fragte man sich: Warum räuchern
wir die Hunde nicht mit Gas aus, damit endlich Ruhe ist? Von Gas oder
einem ungeheueren Verbrennungsprozeß war häufig
die Rede, auch eine Gefrierbombe wurde erörtert, die im
Umkreis von Kilometern eine Mindesttemperatur von 100 Grad erzeuge. Der SD
konstatierte stirnrunzelnd eine wahre Vergeltungspsychose,
offenkundig überbieten sich die Volksgenossen in Phantasien
über die mutmaßliche Technik der Vergeltungswaffen.
Während der überwiegende Teil der Bevölkerung fest
verlangte, der Führer müsse unnachgiebig
ausrotten, bezweifelten manche, namentlich christliche Kreise, ob man
zur Ausrottung eines Volkes überhaupt ein Recht habe. (...)
1944 war das Ergebnis wohl nicht vorhersehbar, ein Zusammenbruch des
Regimes mochte den Krieg abkürzen und die Invasionstruppen schonen. Vom
Standpunkt der Bombardierten jedenfalls, die sich die Siegeszuversicht, nicht
aber die Verbundenheit mit ihrem Führer abspenstig machen ließen,
erschien die Luftkriegführung der RAF als nackte Vergeltung.
Operation Gomorrha, der militärische Deckname für die
Zerstörung Hamburgs, neun Wochen nach dem Flammentod des Warschauer
Ghettos, bezeugt, daß die vom Himmel regnenden Brände auch als
Antwort auf eine dem Staatsverbrechertum hörige Gesellschaft gemeint
waren.
Noch kontrastiert die damalige Beschreibung Friedrichs seine Dresdner Rede,
nach der die Bombardierung eine Kulturschande sondergleichen und ein
militärischer Wahnsinn sondergleichen gewesen sei. Dresden als
Fanal dieses Krieges sei so völlig sinnlos, so
unverständlich. Und erst mit dem Beginn des Bombenkrieges von
britischer Seite war jede Schwelle überschritten: Der Krieg ging in
Massenvernichtung über. Noch ist ein Kontrast zwischen 1984/94 und
2003 bei Friedrich erkennbar, aber bereits mit dieser Zusammenbringung
der Operation Gomorrha und dem Flammentod des Warschauer
Ghettos wird erkennbar, worauf Friedrich hinaus will. Eine Relativierung,
die sich auch in der völlig unpräzisen, viele Auslegungen
ermöglichenden Formulierung über Deutschland als eine dem
Staatsverbrechertum hörige Gesellschaft, findet. Und nur wenige
Seiten später kommt Friedrich zur Sache.
Ein Großteil der Bergungsmannschaften bestand aus Kriegsgefangenen,
Zuchthäuslern, Zwangsarbeitern und Fremdvölkischen. In Dresden
scheint es zu Übergriffen gegen englische Kriegsgefangene gekommen zu
sein. (...) Doch vernichtet wurde wiederum nur eine verschwindende Minderheit,
ungefähr die gleiche Anzahl, wie Juden, Geisteskranke, Zigeuner und
Oppositionelle aus dem Reich starben 500 000 Personen. Sie wurden
widerstandslos preisgegeben, wie jene. Ihnen fiel die tödliche Haftung zu
für den Nationalsozialismus eine im Nazi-Stil, willkürlich und
rettungslos. Im Feuersturm fanden sich die Deutschen erneut zur
Schicksalsgemeinschaft verwachsen. Für den Staat ihrer Leidenschaft hatten
sie auf eine Weise gebüßt, die noch keiner Zivilbevölkerung
widerfahren war. Die Motive der Opferung wurden später kaum erörtert.
Die Überlebenden verschwiegen eisern, wofür man die Umgekommenen
dargebracht hat. Sie waren der Rache der Alliierten erlegen, die also auch
nicht zivilisierter gekämpft hatten als man selbst.(3)
Hier agieren die Alliierten noch im Nazi-Stil, auch in dem sie mit
der Bombardierung die undichten Bunker (...) in Gaskammern
verwandelt hatten. In seiner Dresdner Rede über die
Wirklichkeit des größten Schlachtfeldes des 2. Weltkrieges,
wie Friedrich zustimmend mehrfach auf Rüstungsminister Albert Speer Bezug
nimmt, in dem ab Januar 1945 täglich 1000 deutsche Zivilisten zu
töten, um des Tötens willen das wohl ausschließliche
Anliegen der Alliierten war. Gegen die Bewohner und ihre Kultur,
einem Volk und seiner Zivilisation. Aber gegen diese Taktik
der gezielten Massenvernichtung von Zivilbevölkerung hätten
auch, so Friedrich, von ihm nicht näher benannte Opfer des
Nationalsozialismus Stellung bezogen: Das war kein Krieg, das war
Mord. (Dieses unbelegte Zitat hat, darin identisch mit anderen
Bestandteilen des Dresden-Swindle, eine lange Geschichte. In Max Seydewitz'
grausigem Propagandawerk Zerstörung und Wiederaufbau von
Dresden (1955) wird der Satz Pflegepersonal in den Mund gelegt.
Spätestens seit dem 13. Februar 2000 tragen ihn tatsächlich aber nur
noch offen lebende (Nachwuchs)-Nazis bei sich. Die Opfer des NS und dies
ist in der Literatur reichhaltig belegt und im CEE IEH auch
erwähnt, nur in Friedrichs Buch findet sich kein Hinweis auf Namen wie
Brenner oder Rosenthal hatten beim Nahen der Bombergeräusche ganz
andere Gedanken als der Friedrich und seine Deutschen.) Von der Gleichsetzung
der Alliierten mit den Nazis, letztere weiß Friedrich bei allen
Gemeinsamkeiten vom Volk zu unterscheiden, bleiben nur noch Erstere
übrig.
In Bremen sei nur jeder vierzigste Einwohner Mitglied der NSDAP gewesen,
es mögen viele andere stille Fanatiker gewesen sein, aber die
Bomben hielten das nicht auseinander. Wohl im Gegensatz zum Kriegstreiben der
Deutschen, deren Anliegen kein Krieg gewesen muss, zumindest kein
naturgemäßes. Und kennt die Forschung nicht einige NSDAP-Mitglieder,
die sich gegen Reich, Führer und dessen Volk mit Widerstandsaktionen
verdient gemacht haben? Und gab es nicht jede Menge Nicht-Parteigenossen, die
die Maßgaben der staatlichen Ordnung bei weitem und ohne einen Lohn
dafür erwarten zu können, übertrafen? Allein derlei einfache
Fragen sind für die Friedrichs, Rufs oder Davids ob der Infragestellung
der Eindimensionalität einfach unfassbar. Und wenn Friedrich schon
NS-Opfer missbraucht, schreckt er auch vor der Pervertierung eines richtigen
Arguments nicht zurück. Die Bomben haben keinen Unterschied gemacht
zwischen Blockwart und Blockwarts Kind, zwischen Zivilbevölkerung
und Parteimitglieder, Zwangsarbeitern und Halbjuden, die
Friedrich im Nazi-Original Halbjuden nennt. Und gleichwohl unvergessen
die mehreren hundert Zootiere in Berlin.
Das muss nicht kommentiert werden. Wenn aber doch, dann noch mal mit dem Satz
von Christian Ruf. Die Legende von der sauberen Wehrmacht ist beerdigt,
aber die Mär vom sauberen oder zumindest erfolgreichen Bombenkrieg gegen
Deutschland hält sich. Und hier wird, um doch noch auf Adorno
zurückzukommen, die Struktur nicht nur dieser Dresdner Zeitung sichtbar.
Die beständige Verweigerung von Wirklichkeit, die Negation von Fakten in
Verbindung mit der Erfindung von angeblicher Realität, auf deren
Absolutheit sie bestehen, und in welcher sie sich einrichten. Weder der
Friedrich noch sein Ruf werden den Nachweis erbringen können, dass die von
ihnen unterstellte Behauptung außerhalb des Grauens ihres autistischen
Paralleluniversums existiert, wonach der Tod der Unschuldigen ein
sauberer Krieg, was immer mit diesem bar jeder menschlichen Regung
entstandenen Begriff gemeint ist, gewesen sei.
Diese Struktur, wiewohl im Einzelfall nicht immer erkennbar ist, ob es sich um
Dummheit, dreckige Lüge oder ein Amalgam handelt, ist, wie gesagt, nicht
nur in den DNN, aber auch hier eine Konstante. Als vor über zehn
Jahren der Shoa-Leugner David Irving von über 630 Dresdnern im
Kulturpalast gefeiert wurde, äußerte eine Mitarbeiterin des
Vorgängerorgans der DNN: Wir sind in den letzten Jahren
einiges an Offenlegungen gewöhnt; zwar kamen sie nur zögernd, und
nach Hitler und Stalin dürfte Churchill der Dritte im Bunde
sein.(4) Woran Ruf heute anschließt: Städte mit
einem geschichtlich gewachsenen Gesicht, Zeugen einer in tausend Jahren
gewachsenen Zivilisation waren unwiderbringlich (sic!) verloren. Und eben nicht
durch deutsche Schuld.
Bonus Track (Hier wird der Dr. Göbbels verunglimpft-Mix)
Während die Belüftungsanlage gegen den
Schwefelwasserstoffgeruch angrummelt, verlassen die Protestierer
grüppchenweise den Raum. Ein Trupp, den man wohl am entgegengesetzten Ende
des politischen Spektrums verorten darf, zieht süffisant lächelnd
nach ihnen ab. Und mitten drin sitzt der Wolfgang David, ein Mann der
Mitte, der nicht nur deshalb nichts versteht, weil er nicht will bzw. nicht
können will bzw. nicht können wollen darf, sondern einfach nicht
kann. Er kann einfach nicht anders. Zumindest kann man den wohl mal so verorten
dürfen.
Dem vorangegangen ist eine kleinere Störaktion, als Birgit Sack von der
Gedenkstätte Münchner Platz den Friedrichschen
Perspektivenwechsel ankündigt. Erst rhythmisches Klatschen,
dann der in Wahrheit wie Konkretheit so banale Ruf Deutsche Täter
sind keine Opfer! Dem Sackschen Hinweis, dass sie gehen sollen, wird das
Angebot entgegen gehalten, dass die Veranstalter auch die Nazis zum Gehen
auffordern müssten. Ich muss gar nichts! Die Polizei wird gleich
eingreifen, wird die Dame echt sackig. Gottseidank,
mümmelt es aus dem Publikum. Doch alle Mahnungen verhallen, ein
älterer Herr fordert die jungen Nazis und die jungen
Bolschewisten zum Gehen auf, will Wolfgang David gehört haben
wollen, dessen Anwesendheit im Sinne von Dasein immer zweifelhafter wird,
behauptet er doch in seinem Artikel, die Veranstaltung habe statt in der Uni in
der Gedenkstätte Münchner Platz stattgefunden. Ich bitte die
Jung-Nazis und Jung-Bolschewiken den Raum zu verlassen (...) Das ist wie 33.
Nein, wie vor 33. Und dass ein älterer Herr davon was
versteht, versteht sich: Sie benehmen sich wie die Faschisten. Wie die
Nazis benehmen Sie sich. Das ist aber Friedrichs ständige
Eingangspointe, wonach seine wenigen offen auftretenden Gegner sich der
SA-Methoden bedienen.
Nachdem die Polizei zugegriffen hat, passiert doch noch Schlimmes. Eine
Stinkbombe detonierte, Flugblätter werden geworfen; der wirre Text nennt
den Gast Sprachrohr des deutschen Mobs, Goebbels
Göbbels, schließt mit dem kuriosen Satz No Tears
(Tränen) for Krauts! So einer wie der David mag sich
gütlich tun, den ziemlich Dr.-Goebbels-verachtenden Göbbels-Fehler
gefunden zu haben, wahrscheinlicher aber ist, er wurde darauf hingewiesen. Wer
dazu neigt, einen wirren Text dieses kuriosen Herrn lesen zu wollen, wird sich
anschließend noch wünschen, dass es diesem Zeilenfüller
gelänge, wenigstens einmal jene Stufe der Respektlosigkeit zu erreichen,
die ihm gestattet, den Reichskulturminister falsch zu schreiben, da ihm doch
auch sonst kein gerader oder wenigstens halbwegs realitätstauglicher Satz
entfährt. Wirr, also verwirrt, mag so einem Lohnschreiber erscheinen, wenn
in einem Text steht: Es waren die Deutschen, die im Nationalsozialismus
die Shoa verübten, die versuchten mit industriellem Massenmord das
europäische Judentum zu vernichten!
Wer diesen Satz inhaltlich als wirr bezeichnet, kann sich seinen
letzten Kalenderspruch, dieses das schaumschlägerisch
Allgemeinmenschlichgute anrufende Welchen Verlauf der Diskurs nimmt,
hängt von uns allen ab, sparen. Der hat sich schon entschieden.
Und so gleichen sich des Friedrichs Ruf und sein von David kommendes Echo wie
ein faules Ei dem anderen. Was die Gestalt anlangt, insbesondere aber das
vordem Gelbe vom Ei. Ein einziger Schwefelwasserstoff. Und leise grummelt die
Belüftungsanlage...
Bonus Track (The german Hirnkaschperln)
Nachdem Günter Grass im vergangenen Jahr verlangte, nun solle man mal eine
kommentierte Fassung von Mein Kampf vorlegen, hielt er sich sicher
für mutig. Der querdenkerische Nobelpreisträger bricht ein letztes
Tabu. So hätte er es gern gehabt. Doch erwies sich dieser Radau in etwa so
gehaltvoll wie Grassens Bücher. Vom Wert her: Eineinhalb gebrauchte
Pfeifenreiniger. Denn seit Jahren liegt eine kommentierte Ausgabe der
wichtigsten Auszüge vor. Über deren Qualität hätte sich der
Großkopfdarsteller gern aufregen dürfen, wozu er das Buch jedoch
kennen müsste. Panta ri und Panta rhei. Und hinter den nächsten Ecke
liegt schon der nächste Eklat bereit.
Es mussten deutsche Opfergeschichten geschrieben werden. Die
Rücksiedlungen der Reichsdeutschen und ihrer Kollaborateure (Draußen
wird es schon dunkel: Jetzt aber heim ins Reich!), wurde zur kollektiven
Vertreibung. Daran ließ sich doch ein gutes Geld verdienen, Fernsehen
machen, Wichtigseintun. Und nachdem 1999 erst einmal die Sebaldsche Behauptung
über der Deutschen unbekanntes Leid in der Welt, d.h. in Deutschland, d.h.
in den Diskursschwafelrunden, war, konnte es losgehen. Neben dem scheinbar
unumgänglichen Mümmelmanen Walter Kempowski, hatte auch Jörg
Friedrich seinen großen Auftritt. Und wer die kritischen Artikel,
durchaus nicht in den linken Zeitschriften-Restbeständen, wahrgenommen
hatte, musste sich wundern, das von dem Friedrich nicht nur jeder Hund ein Brot
annimmt, ja, erbettelt, sondern das sein jenseits der Kritik liegender Auswurf
wie die Auferstehung Christi gefeiert wurde. Andererseits konnte sich
darüber auch nur jemand wundern, der in den letzten Jahren, insbesondere
seit der Ausrufung der Berliner Republike und der Befreiung von Auschwitz auf
dem Balkan, dieses Land nicht zur Kenntnis genommen hat. Neben den
üblichen üblen rechten Gazetten wie Focus, Junge
Freiheit, Frankfurter Allgemeine oder Deutsche Geschichte,
kam auch das deutschnationale Herrenmagazin aus Hamburg nicht umhin mit der
Serie zum Thema die Hefte zu füllen, um später noch die Umsätze
mit Merchandising anzuheben. Die mehrteilige Heftchenserie wurde zu einem
SPIEGEL spezial - Das Magazin zum Thema zusammen gepappt. Die Lügen
blieben unter dem Titel Als Feuer vom Himmel fiel. Der Bombenkrieg gegen
die Deutschen. Im Monat drauf erschien im SPIEGEL TV Feuersturm.
Der Bombenkrieg gegen Nazi-Deutschland. Die DVD/Video-Fassung kam ohne
Nazi aus.
Die Gruner&Jahr-Illustrierte GEO (Die Welt mit anderen Augen
sehen) ließ in den hauseigenen Druckerzeugnissen werben
Terror gegen Terror? Die Luftangriffe auf Deutschland. Daraus wurde
auf dem Titel `Tabu-Thema' Bombenkrieg. Verbrechen gegen die
Deutschen? Aus dem Tabu-Thema Bombenkrieg und den
Verbrechen gegen die Deutschen wurde im Heft die Überschrift
Der Bombenkrieg gegen Nazi-Deutschland.
Fände sich die Dummheit der hiesigen Presspest nicht schon in ihren
Überschriften, so doch in der GEO-Ankündigung zum
Tabu-Thema: Fragen, die lange niemand zu stellen
wagte.
Jens-Uwe Richter/Gunnar Schubert
Literatur:
Christian Ruf Als Deutschlands Städte hamburgisiert
wurden, Dresdner Neueste Nachrichten vom 3.9.2003
Wolfgang David Erst als die Polizei einschreitet, kehrt Ruhe ein,
Sächsische Zeitung vom 5./6.9.2003
Fußnoten:
(1) Lukas Kilian Tiefflieger von rechts, in: blick nach
rechts Nr. 9 vom 4. Mai 2000
(2) Mark Connelly Reaching for the Stars. A New History of
Bomber Command in World War II, London/New York 2000
(3) Jörg Friedrich Die kalte Amnestie. NS-Täter in der
Bundesrepublik, München 1994, S. 18f., 27
(4) Rosemarie Ludwig Selbst Tote paßten nicht ins
Konzept, Sächsische Neueste Nachrichten vom 21.2.1990
Anmerkung:
Das aus einer Zwangskollektivierung, in Leipzig: Wiedervereinigung,
hervorgegangene Duo Richter/Schubert hat zuletzt eine einfühlsame Analyse
über menschliche Schicksale im Medienbetrieb unserer Tage im Zeichen der
Sint-, Jahrhundert- und Jahrtausendflut 2002 vorgelegt. Ein Panoptikum dessen,
was hierzulande in ein Mikrofon sprechen bzw. in einen Notizblock schreiben
darf.
Adolf-Grimme-Institut (Hrsg.) Jahrbuch Fernsehen 2003, Marl 2003
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