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Tomorrow-Café, 1.5k

Schluss mit Postmoderne und Poststrukturalismus


Was ist eigentlich die Kritik der Postmoderne bzw. des Poststrukturalismus? Die Frage, die uns vom Tomorrow-Theorie-Café vorgelegt wurde, verlangt entweder eine Anmaßung oder ihre Zurückweisung, denn allein herauszufinden, was die Postmoderne überhaupt sei, ist problematisch.
Nach dem Zusammenbruch eines modernen Neubaus galt – zumindest in der Architektur – die Moderne erst einmal für erledigt. Der Ansatz einer universellen Bauweise, die sich an einzelnen Funktionalitäten orientierte, wurde aufgegeben, zugunsten einer Kombination architektonischer Stile, die dem Kontext des Bauwerks gerecht zu werden versucht. Wir gehen davon aus, dass das trotz aller Beziehungen zwischen Gesellschaftskritik und Architektur niemanden wirklich interessiert. Also vielleicht doch eher einen marxistisch inspirierten Ansatz? Die Postmoderne als jene Epoche, in welcher der Kapitalismus global durchgesetzt ist und die Produktion vollständig durchdrungen hat. Die Postmoderne wäre hier ein rein beschreibender Ausdruck. Was sollen wir daran kritisieren, dürfte sein Gehalt doch unbestritten sein? Was soll er kritisieren, außer der Existenz des Kapitalismus? Aber vielleicht gäbe es da doch eine Möglichkeit, indem wir die Postmoderne in ihren Konsequenzen untersuchen. Wie versuchen die Staatstheoretiker der Gegenwart den bürgerlichen Staat samt seiner Ideale zu fassen, ohne auf die produktive Sphäre der Gesellschaft Bezug zu nehmen? Die Theorien der Gerechtigkeit, die von Verfahren und Verfahrensregeln sprechen, sind in ihrem Festhalten an der kapitalistischen Vergesellschaftung, von der sie nicht sprechen, durchaus zu kritisieren. Ihre Modernisierungsvorschläge setzen im administrativen Bereich der US-amerikanischen Verfassungsordnung an und einer ihrer führenden Vertreter bekam auch schon das Angebot, Verfassungsrichter zu werden.
Aber würde nicht auch das, die in uns gesetzten Erwartungen enttäuschen? Wo bleiben Pluralität, Dekonstruktion, Begehren, Fragmentierung und das Ende der großen Erzählungen? Wenn in dem Rahmen, in dem wir referieren sollen, von Postmoderne/Poststrukturalismus gesprochen wird, dann geht es nicht um John Rawls’ Verfassungsdiskussionen oder die Arbeiten, in denen sich Cindy Sherman in jedes beliebige Frauenbild verwandelt oder Frederic Jamsons Theorie der aktuellen Situation des Kapitalismus. Wenn es um Postmoderne geht, dann geht es um wirklich gefährliche, undisziplinierte Theorien, die der Linken den Gar aus zu machen drohen. „Ihre Abneigung gegenüber Konzepten wie Solidarität und disziplinierte Organisation, ihr Mangel an einer adäquaten Theorie des politischen Handelns: All dies würde entschieden gegen sie sprechen. Die Linke braucht im Kampf gegen ihre politischen Gegner starke ethische und sogar anthropologische Begründungen; nur dies wird uns die politischen Ressourcen verschaffen, die wir brauchen. Und in dieser Hinsicht ist das postmoderne Denken letztlich nicht die Lösung, sondern Teil des Problems“ (Terry Eagleton, Die Illusionen der Postmoderne, S. 178f.)
Was der Linken zu schaffen machen soll, ist relativistische Standpunktlosigkeit, von der aus sich nicht mal mehr bestimmen ließe, dass Hungernden mit Essen eher geholfen sei, als mit Witzen. Solche Theorien zu finden, ist wirklich schwierig. Vielleicht haben wir die falschen Bücher gelesen, aber bei der Betrachtung der Aussagen des gängigen Experten zum Thema postmodernes Wissens, Lyotard, fällt auf, dass postmoderne Kritik sich aus einer Linie der Avantgarden der Aufklärung entspringen sieht. Jede neue Avantgarde kritisierte die unhinterfragten Voraussetzungen ihrer Vorgängerinnen, die in ihrem repressiven Potential erhellt wurden. Ein Potential, dass sich nur zu leicht in der Legitimation aus ethischen oder anthropologischen Grundtatsachen verbirgt. Dann bräuchte der Mensch eben den Zwang, um sein Leben zu reproduzieren, wie es Kapitalismus und real existierender Sozialismus mit einer Stimme predigen, weil das seine Natur sei. Gegen einige repressive Glaubenssätze hatte dereinst das Bürgertum die Aufklärung erfunden.
Wer glaubt, die Aufgabe des festen Punktes, von dem aus die Welt sich aus den Angeln heben ließe, sei gleichbedeutend mit der Unmöglichkeit von Kritik, irrt. Die Tätigkeit der Kritik wird nur komplizierter. Wenn sie sich nicht mehr auf die stabilen Systeme der Grundtatsachen stützen kann, dann muss sie sich ihren Gegenständen umfassender nähern, sie in ihren Verhältnissen betrachten und dabei zugestehen, dass sie erst am Ende weiß, wovon sie redet, statt von Anbeginn ihre Untersuchungseinheit bestimmt zu haben. „Das einigende Moment überlebt [...] dadurch, dass nicht von Begriffen im Stufengang zum allgemeineren Oberbegriff fortgeschritten wird, sondern sie in Konstellation treten. Dies belichtet das Spezifische des Gegenstands, das dem klassifikatorischen Verfahren gleichgültig ist oder zur Last. Modell dafür ist das Verhalten der Sprache. Sie bietet kein bloßes Zeichensystem für Erkenntnisfunktionen. Wo sie wesentlich als Sprache auftritt, Darstellung wird, definiert sie nicht ihre Begriffe. Ihre Objektivität verschafft sie ihnen durch das Verhältnis, in das sie die Begriffe, zentriert um eine Sache, setzt. Damit dient sie der Intention des Begriffs, das Gemeinte ganz auszudrücken. Konstellationen allein repräsentieren, von außen, was der Begriff im Innern weggeschnitten hat, das Mehr, das er sein will so sehr, wie er es nicht sein kann. Indem die Begriffe um die erkennende Sache sich versammeln, bestimmen sie potentiell deren Inneres, erreichen denkend, was Denken notwendig aus sich ausmerzte.“ (Theodor W. Adorno, Negative Dialektik, S. 164f.)
Einiges was heute unter Postmoderne/Poststrukturalismus zusammengefasst wird, geht mit den Gegenständen in dieser sorgsamen Weise um. Die Zusammenfassung dieser keineswegs einheitlichen Theorien unter dem vereinheitlichenden Label dient dabei zum einen den Bedürfnissen des akademischen Betriebs, nach Begründung von Forschungsanträgen und Lehrstühlen, zum anderen einer kompakten Abwehr von Ansätzen, mit denen sich nicht im einzelnen auseinandergesetzt werden soll. Deshalb ist die Frage, die uns gestellt wurde, eine Zumutung, die nicht nur ein Desinteresse an den befragten Ansätzen in sich birgt, sondern – soll nicht dem akademischen bzw. polemischen Spiel gefolgt werden – unmögliches verlangt. Wir haben uns entschlossen, dem mit Unbefangenheit zu begegnen und eine Einführung zu liefern, die zwar nicht umfassend sein will, wohl aber das Interesse wecken, an dem, was an dieser Stelle gewöhnlich ohne Kenntnis kritisiert wird.

Zweckkollektiv „PoMo“


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last modified: 28.3.2007