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kulturreport, 1.7k

This is grime..!?


      „A Sub genere of UK Garage music. Grime is also known as sublo and 8 Bar.
      Grime is usually constructed around an alternative bassline that switches every 8 bar.
      Grime has similarities to early electro and techno music.
      Grime is often rapped over by garage Mc`s“

      www.urbandictionary.com

      „What unenticing names music enthusiasts give their genres. This is a black British dance genre which is emerging from the London club scene and raves via pirate radio and bootleg vinyl discs.“
      The US magazine Entertainment
Grime ist das im Moment am meisten diskutierte thing Großbritanniens, und da sich auch unter unseren mittelschichtigen Musikfreunden langsam ein gewisses Interesse breit macht, ist es an der Zeit, die Sache etwas genauer zu betrachten. Wie die zwei vorangestellten Zitate zeigen sollen, gibt es schon einige Definierungsversuche, wobei der erstgenannte es wohl noch am besten ausdrückt. Grime kommt immer mehr in Mode, auch die unszenigen Medien beschäftigen sich damit, es gibt eine arte-Doku und eine BBC-Produktion. Spätestens nachdem Dizzee Rascal 2003 den Mercury Music Prize überraschend bekommen hatte, ist Grime in den Blick der britischen Öffentlichkeit gerückt und hat so manche Kontroverse angefacht, bei denen sich viel um Gewalt und (Jugend-)Kriminalität dreht.

Zuschauertribüne im Schnee, 32.8k

Ende der 90er Jahre feierten sich The Artful Dodger mit Craig David International in die Herzen der Clubgänger und der Begriff UK garage/ 2step galt als hip. Tanzmusik aus dem Herzen Londons, dem Mekka der Hipsten unter uns, schöne elektronische Musik und netter Gesang über das Leben oder so. Wie der Name Garage vielleicht schon andeutet, wurde diese Musik in den Abstellkammern Londons erfunden, von den Leuten, die in die teuren Clubs keinen Zugang haben. Durch die Erfolge von z.B. Craig David wurde diese Musik, wie man so schön sagt, massenkompatibel.
Etwa um 1999 tauchten dann die So Solid Crew und Boyz in da Hood auf, die mit ihren kritischen Texten einen Umschwung in der Musik vorbereiteten. Da sie damit kommerziell erfolgreich waren, verloren sie ihre streetcredibility und versanken wieder in der Bedeutungslosigkeit.
UK garage war jetzt härter und die Bedeutung verlagerte sich vom Producer auf die MCs, die in ihren Texten meist ihr Leben, beherrscht von Gewalt und Zukunftslosigkeit, zum Thema machten. Die MCs stammen vorwiegend aus den Sozialbauten in East London, Bethnal oder Bow, und der neue Stil nimmt Anleihen aus Jungle, 2step und Dancehall. Oft kann man auch keinen Unterschied zwischen MC oder Producer machen, da die meisten Tracks doch selbstgemacht sind oder das Internet als unerschöpfliche Quelle für Instrumentals und Samples herhält. Die Hauptverbreitungsquelle für Grime waren aber immer die Piratensender, bei denen die MCs ihre Texte unterbringen konnten, die sonst kein kommerzieller Radiosender gespielt hätte. Wie z. B. Rinse FM, auf dem auch Logan Sama angefangen hat, als DJ diese Musiksparte zu präsentieren. Mittlerweile ist er zu Kiss FM gewechselt und brüstet sich damit, die einzige reine Grime- Sendung auf der Welt überhaupt zu präsentieren. Das Internet aber ist wohl im Moment das wichtigste Verbreitungsmedium überhaupt, da es keine regionalen Grenzen setzt; und hat doch jeder MC, selbst die Szenegrößen, welche auf Majorlabels gesignt sind (z.B. Sway, Bruza, Lady Fury, Klashnekoff, Plan B oder Baby Blu), eine myspace.com-Seite mit Tracks zum kostenlosen Download und für die Youngsters (z.B. Syrup Girls, Dropthelime, Trim, Ghetto, Natzamc, DJ Maxximus oder Skepta), ist es die Möglichkeit, ein Publikum zu finden. Es gibt auffällig viele Foren zum Thema, und der Diskussionsbedarf ist anscheinend sehr hoch. Auffällig dabei ist aber, dass es, im Gegensatz zum US-amerikanischen HipHop, relativ viele Frauen in der Szene gibt, die auch recht erfolgreich sind. So veranstaltet z.B. Downbeatrecords an jedem 3. Freitag im Monat eine reine „female freestyle session“, bei der dann auch das Publikum zumeist weiblich ist. Auch wenn man sich einmal durch die blogs geklickt hat, bemerkt man, dass auffallend viele (Mittelschicht)Mädchen selbst Texte schreiben oder Beats basteln und diese dann auf ihre Seiten stellen.
Eine der ganz großen Vorbilder im Moment ist Lady Sovereign oder SOV, die mit jetzt 19 Jahren bei Jay-Z unter Vertrag steht und auch in den USA schon eine recht große Fangemeinde hat. Sie transportiert ein neues Frauenbild, an dem sich die jungen Mädchen begeistert orientieren, nämlich weite Hosen und vor allem HOODIES! Die nämliche hat eine Kampange ins Leben gerufen, die sich „Save the hoodie!“ nennt, als Reaktion auf die Initiative von Tony Blair, das Kapuzentragen zu verbieten. Aufgrund der drastisch hohen Jugendkriminalität verstiegen sich die Herren des Common House dazu, prinzipiell jeden „yob“ (abwertend für Jugendlicher) als kriminell einzustufen, und da die ganzen Jugendbanden Kapuzen, Mützen und Basecaps tragen, um ihre Identität zu „verschleiern“ und ihrer Umgebung ein „ungutes Gefühl“ zu vermitteln, ist das Tragen ebenjener in gewissen Einrichtungen, z. B. dem Blue Angel-Kaufhaus in Kent untersagt. Entweder man setzt die Kapuze ab, oder man kommt nicht rein!
So kam es, dass letztes Jahr in Manchester ein 15-Jähriger dazu verurteilt wurde, fünf Jahre lang keine Kapuze tragen zu dürfen. Dem stellt sich die junge Künstlerin entgegen, indem sie darauf aufmerksam macht, dass nicht das Kleidungsstück kriminell ist, sondern die Person, die drinsteckt.
Grime ist „from the streets for the streets“, und der Besuch eines Grime-Raves ist nicht ungefährlich, Schießereien üblich, und manchmal sollte man sich als Weißer nicht dort blicken lassen. Da die Musik aber auch vorwiegend sehr junges Publikum zieht und viele der MCs schon mit 12, 13, 14 anfangen,. auf den Veranstaltungen aufzutreten, sind die sog. „under 18“-Veranstaltungen entstanden, bei denen streng auf Waffen kontrolliert und somit versucht wird, die Gewalt ein wenig einzudämmen.
Was diese Musik auslösen kann, lässt sich, wenn auch nicht verständlich machen, so doch illustrieren, mit der Begebenheit, dass im Jahr 2004 der Track „pow (forward)“ von Lethal B nicht mehr in den Clubs gespielt wurde, nachdem er den Notting Hill Carnival in eine wüste Schlägerei verwandelt hat.
Da bewahrheitete sich, was Logan Sama meinte: „grime is attitude and lifestyle“

Jill


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last modified: 28.3.2007