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review corner Film, 1.4k

Cartoon Wars


Die mediale Aufmerksamkeit um den Karikaturenstreit hat sich so schnell gelegt wie sie gekommen war. Kaum noch ins Bewusstsein der Öffentlichkeit dringen Meldungen wie die, dass sowohl die Karikaturisten wie auch die damaligen Protagonisten der Veröffentlichung der Karikaturen nach wie vor einer massiven Gefährdung von Leib und Leben unterliegen. So haben sich nach Informationen der Webseite www.g2bulletin.com mittlerweile Kommandos auf den Weg gemacht, die Zeichner der Cartoons zu ermorden und die ausgelobten Kopfgelder dafür einzustreichen. Der Selbstmord eines verhinderten Attentäters auf den Welt-Chefredakteur hat in Pakistan zu Protesten geführt; ein in Haft verübter Suizid lässt sich immer wieder gut als Justizmord verkaufen.

Rote Karte, 22.7k Jetzt jedoch, da sich die Aufregung gelegt hat, wird deutlich, dass die Proteste der politischen Islamisten ihr Ziel erreicht haben. Kein in der Öffentlichkeit wahrnehmbares Medium wird in absehbarer Zeit wieder Karikaturen über Mohammed veröffentlichen. Und dies mit allen nachvollziehbaren Gründen, denn wer möchte sein Leben schon unter Polizeischutz fristen?

Als Nachzügler der Debatte um die Karikaturen können zwei im April in den USA gesendete South Park Folgen (1003/1004) gelten, die in sehr klarer Form den Grundkonflikt zwischen freier Meinungsäußerung, (berechtigter) Angst und sich religiös legitimierendem Handeln nachzeichnen.(1)
Folge 1003 beginnt mit einer Massenpanik. Der Sender Fox will in einer Family-Guy Folge einen Cartoon mit Mohammed zeigen, voller Angst flüchten die Einwohner South Parks aus ihren Häusern und harren der Reaktion der islamischen Terroristen, die bereits einen Djihad gegen besagte Serie und ihre Unterstützer angekündigt haben. Dieser bleibt jedoch vorerst aus, die Bebilderung des Propheten wurde auf die nächste Folge verschoben. Genügend Zeit also für die South-Park Macher die hilfslosen Reaktionen der Bevölkerung South Parks in aller Genüsslichkeit auszumalen. In der Grundschule werden Sensibilierungskurse über den Islam abgehalten (Islam means no sex until marriage) – man müsse diese fremde Kultur doch verstehen lernen; es werden Versammlungen durchgeführt, wie man der drohenden Strafe entgehen könne und der grandiose Vorschlag angenommen, einfach während der Ausstrahlung der Sendung die Köpfe in den Sand zu stecken („We didn’t watch it, we didn’t hear it and we didn’t talking about.“). Die mit viel Pathos verkündete Position der Verteidigung der freedom of speech wird als viel zu anstrengend abgelehnt. Auch die Journalisten des Weißen Hauses fordern von Präsident Bush ein Verbot der Ausstrahlung der Family-Guy Folge, was dieser jedoch unter Verweis auf den Grundrechtskatalog der Amerikanischen Verfassung (first amendment) abzulehnen gezwungen ist. Prompt kommt aus den Reihen der Journalisten die Forderung, diesen bürokratischen Unsinn doch abzuschaffen.
Neben diesen bissigen Kommentaren gewinnt die Story der beiden Folgen ihre Spannung aber aus dem Konflikt zwischen Cartman und Kyle. Beide machen sich nach Los Angeles zum Firmensitz von Fox auf; Cartman, um die Ausstrahlung des Mohammed-Cartoons zu verhindern und damit – dies ist sein eigentliches Ziel – Family-Guy langfristig abzusägen, Kyle, um diesen Plan zu stoppen. Die sich anschließenden Verwicklungen sind höchst witzig, Bart Simpson taucht auf und als Drehbuchautoren der Family-Guy Episoden entpuppen sich irgendwelche Fische aus der Karibik, die immun gegen terroristische Drohungen sind. Letztlich setzt sich aber das Gute in persona Kyle doch durch – vor allem mit dem Argument, dass, wenn man einmal mit der Zensur anfange, es keine Grenzen für diese mehr gäbe und alle religiösen Gruppen in die Lage versetzt würden, ihr Partikularinteresse gegen die Meinungsfreiheit durchzusetzen.
Der Cartoon wird also gesendet – zu sehen bekommt der Zuschauer ihn jedoch nicht. Comedy Central, der Sender auf dem South Park ausgestrahlt wird, hat es zensiert. So schlägt die Realität in die Story hinein und die von den South-Park Machern im Film angebotene Lösung des Konfliktes erhält umso mehr einen bitteren Beigeschmack. Nach Ausstrahlung des Cartoon folgt nämlich die Antwort der Terroristen, allerdings nicht mit Selbstmordattentaten, sondern ebenfalls mit der Ausstrahlung eines Cartoons. George Bush, Jesus und noch einige andere beschmieren sich mit Scheiße und kacken auf die amerikanische Flagge. Schön wär’s, wenn man damit die verletzten Gefühle der Moslem besänftigen könnte, wenn es ausreichte zu sagen: Wir machen uns über alles lustig, also nehmt es nicht persönlich. Doch ist das Problem vielmehr, dass es dem politischen Islam um die Verteidigung des Sakralen als solchem geht, dass generell keine Distanz zu heiligen Symbolen, welcher idiotischen Ideologie auch immer, geduldet wird. So erklärt ein irakischer Kleriker auf die Frage, was einem Moslem passiere, wenn er Jesus oder Moses beleidige: „He is killed – even if he‘s only joking. If he tells a joke about Moses, even unintentionally, he is killed. This is an affront to religion. That‘s how a nation of high moral standards should be.“(2) In den Augen solcher Kleriker werden nicht die Moslems beleidigt, wenn Mohammed-Karikaturen veröffentlicht werden, sondern die islamische Religion selbst. Auf der Ebene der Individuen wäre also vielleicht eine Verständigung möglich – und auf dieser Ebene denken offensichtlich auch die Autoren von South Park. Aber das Individuum mit seinen Intentionen und Bedürfnissen soll ja gerade ausgeschaltet werden im Angesicht des Sakralen; es zählt nicht gegenüber dem religiösen Gebot. Die South Park Autoren sind angesichts der Unerbittlichkeit der sakralen Bedrohung naiv, doch irgendwie spricht es auch für sie, sich nicht in jene Wahngebilde hineinversetzen zu können.

Michael Reich

(1) Ein Text zu South Park aus einer anderen Zeit findet sich in CEE IEH #59.
(2) http://www.memritv.org/Transcript.asp?P1=1096


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last modified: 28.3.2007