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Lost in translation


Lost in translation, 13.9k
Lost in Translation, Regie: Sofia Coppola, USA 2003

– oder: Die Frage, ob der Oscar etwas wert war.

Nach dem großen Sofia Coppola „Hype“, der sich spätestens nach dem recht guten Kleinstadtdrama „Virgin Suicides“ einstellte, hatte man schon das Gefühl entwickelt, man könnte sein Geld ruhigen Gewissens für ihr zweites Werk „Lost in Translation“ ausgeben. Nur soviel: Das Gefühl kann trügen.
In dem einhunderteinsminütigen Film wird die Geschichte des Schauspielers Bob Harris erzählt, der für Werbeaufnahmen nach Tokio fährt, und sich – der Härte des Alltags wegen – immer einsamer fühlt. Der von Bill Murrey gespielte Charakter, welcher sich nachts zu gern in der Hotelbar aufhält und Whisky trinkt, sich seiner „Midlife crisis“ ( die im Film eigentlich geleugnet wird) wegen bedauert, der zu viele persönliche Probleme hat und Angst davor, im hektischen Strudel der modernen Welt nicht mehr mithalten zu können, bleibt ganz dem Cliché solcher Filme entsprechend nicht lang allein. Im Park Hyatt-Hotel ist nämlich nicht nur Harris zuhause, sondern auch Charlotte, die Frau von John – einem Fotografen – gespielt von Giovanni Ribisi, der ebenfalls für Aufnahmen – aber hinter der Kamera – in Tokio ist. Als es zwischen Charlotte und Bob zum Kontakt kommt, merken beide Eines sofort: Sie fühlen sich verlassen und unsicher. Es entspinnt sich eine Beziehung, die wesentlich auf den Unterschieden der Beiden aufbaut. Sie bewegen sich beide, er als alternder Schauspieler, sie als blutjunge, studierte „Philosophin“ samt Heiratsurkunde, auf komplett verschiedenen Bahnen des Lebens. Die Charaktereigenschaften, die beide Protagonisten an sich selbst vermissen, finden sie beim anderen. Er, zwar erfolgreich aber alternd, seit fünfundzwanzig Jahren mit seiner Frau verheiratet, sucht nach Schwung in seinem faden Leben, das ihm scheinbar nicht viel zu bieten hat. Sie, jung, seit zwei Jahren mit einem exzentrischen Fotografen verheiratet, sucht Halt bei einem ausgeglichenen Menschen, um ihren Weg im Leben zu finden. Die Bekanntschaft weitet sich aus und beide genießen die Vorzüge des anderen. Er geht mit zu ihren Partys, besäuft sich, fühlt sich jünger, vergisst für Momente seine „Krise“. Sie mag seine Ratschläge, hört ihm aufmerksam zu und bekommt genau die Lehren fürs Leben, die sie sich gewünscht hat – auch ein Gefühl des Verstandenwerdens. Doch zwischen beiden herrscht noch eine andere Verbundenheit. Man könnte – und das muss man wahrscheinlich auch – hier die Annäherung zweier scheinbar völlig anderer Generationen konstatieren – nur verbunden durch ihre Kultur, die sie aber ganz explizit von der fremden japanischen Kultur trennt. Das Treffen der beiden Hauptcharaktere wirkt stellenweise zweckgemeinschaftlich. Der Brückenschlag zwischen den Generationen wird zu einem Rettungsanker vorm Verlust in der Wirre der japanischen Gesellschaft. Aus dem „Clash of Generations“, der ihrem Altersunterschied zu schulden ist, wird ein „Clash of civilizations“, den nun beide gemeinsam aushalten.
Die Bekanntschaft der beiden hat etwas Unwirkliches. Die Unwirklichkeit des Treffens zweier fremder Personen in einer völlig fremden Stadt, die sich so gut ergänzen, gibt es – so denkt man – eigentlich nur selten im Leben oder in Hollywood, beides jedenfalls müsste mit Happy End ausgehen. An diesem Punkt zeigt Sofia Coppola Klasse und driftet nicht in eine blumige Sonnenscheinversöhnung ab, die einem weißmachen will, es bedürfe nur der Liebe und jedes andere Prinzip ist dahin. Die Zuneigung, die Coppola zeigt, ist eine, die im Moment aufgeht und sich nicht in einer „Wir müssen immer zusammenbleiben“-Einstellung niederschlägt. So viel ist ihr in diesem Punkt zu Gute zu halten.
Ein Aspekt, die Unsicherheit im eigenen Leben, die Anonymität im städtischen Strom, das Gefühl der Fremde war wohl das, was Coppola im Zusammenhang mit der Liebesgeschichte darstellen wollte. Durch eine sehr hastige Kameraführung, die den Strom des urbanen Lebens einfängt, die beim Auffangen von Emotionen der Schauspieler aber auch langsam und sehr bedacht ist, und den doch hin und wieder tollen Aufnahmen von Tokio, werden die meist schlechten Dialoge erträglicher(1). Stichwort: Dialoge. Die Gespräche zwischen Scarlet Johannsohn und Bill Murrey sind alles andere als interessant und verleihen der Handlung kaum Schwung, so dass man sich fragt: lohnt es sich überhaupt solch inhaltlose Dialoge auf Zelluloid zu bannen? Zwar ist die Story und die in ihr angelegten Inhalte interessant, aber der Autor des Films schafft es nicht, sie durchs Gespräch der Protagonisten so zu intensivieren, dass sie den Zuschauer mitreißt. Oft sind die sehr mäßigen Dialoge, die hin und wieder humoristisch wirken sollen, total daneben. Zu nennen wären da die Szenen, in denen sich Bill Murrey mit japanischen Fotografen oder Freunden unterhält und die Sprachbarriere (falsche Aussprache der Japaner) immer wieder zum einzigen komödiantischen Aufhänger des Films wird, was nicht nur schnell extrem abgelutscht, sondern auch dümmlich wirkt. Man bekommt nicht nur das Bild des „nichts verstehenden Japaners“(2) vermittelt, sondern auch eines, über das schon heute – der Film ist bis jetzt noch nicht in Japan erschienen – auf vielen japanischen Internetseiten Empörung herrscht. Sofia Coppolas Versuch, die „fast-living-culture“ in Japan einzufangen, wurde nämlich ganz anders rezensiert, als sie es gern wollte. Viele Japaner haben das Gefühl, der Film zeige nur die hektischen, bösen, verderblichen Seiten einer Stadt, eines Landes, das ansonsten viel mehr zu bieten hat, als urbanen Schnellschuss. Der Film, der dem westlichen Zuschauer „Exotismus“ bietet, kann für japanische Zuschauer auch nicht interessant sein, da sie den gezeigten „Exotismus“ jeden Tag leben. So hat sich die geschätzte Regisseurin mit ihrer „sanften Liebeskomödie“ (FAZ), hier und da recht netten Bildern Tokios, aber vor allem einer schlecht umgesetzten Story – wofür man den Autor haftbar machen muss – ihren Oscar für die beste Regie wirklich verdient.

Kaubi

Fußnoten:
(1) Die hin und wieder guten Bilder sind wohl dem Kameramann Lance Alcord zu verdankenen, der auch schon Kameramann in „Being John Malkovich“ war.
(2) Viele Japaner, vor allem die mit genügend Nationalstolz, fühlten sich so angegriffen, dass im Internet Stimmen laut wurden, die meinten: „Wenn Amerikaner in unser Land kommen, sollen sie gefälligst Japanisch sprechen.“


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last modified: 28.3.2007