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Keep on discussin’


Antwort auf Uwe

Hallo Uwe,

In manchen Fällen müssen Leserbriefe direkt eine Antwort erhalten, um Missverständnissen zu begegnen oder auf bestimmte Inhalte zu reagieren, die man nicht unkommentiert im Heft stehen lassen will. Ich schreibe weder im Namen der Redaktion, noch im Namen des Plenums des Conne Island.
Dass du einerseits als Punk „provozieren“ willst, deine Meinung andererseits jedoch gleichzeitig mit dem Verweis stützt, dass „im Umfeld des Conne Island ... sich alles angesichts dieser Politik (des Conne Islands, H.) zunehmend an den Kopf (greift)“, spricht wohl eher dafür, dass die Provokation auf der Seite des Conne Islands liegt. Jedoch geht es hier weniger um Provokation, als um einen richtigen Position.
Zuerst verweist du auf eine „Reglementierung zu einstigen DDR-Zeiten“, welche du später mit dem Verbot eines BAP-Konzertes illustrierst, um im Bezug auf unsere Bühnenpolitik zu warnen: „sind wir schon wieder so weit!“. Der Unterschied zwischen der Zensurpolitik der DDR und der unsrigen ist allerdings ein entscheidender. Während verbotene Bands in der DDR nirgends auftreten konnten, hat das Plenum des Conne Islands allein die Macht über eine einzige Bühne. Während also die vom Conne Island verstoßenen Mia auf die Bühne der Moritzbastei ausweichen konnte, durften verbotene Bands in der DDR nirgends in der DDR live bewundert werden. Das Conne Island ist so wenig ein Staat wie dessen Plenum eine Staatsmacht. Und hier liegt der Hase begraben: Demokratie bedeutet nicht, dass jedes Individuum, jeder Verein, jede Partei etc. in sich die ganze Breite der Meinungen integrieren muss, sondern dass es seine Einstellung bewusst – im Gegensatz zu einem demokratischen Staat, der dem ideellen Anspruch nach all seine Bürger repräsentieren will – vertreten sollte. In diesem Sinne macht das Conne Island genau das, was alle Clubs, Vereine, Zeitungen etc. machen: Es gibt und erhält sich bewusst ein Profil. Bloß, dass das Plenum des Conne Islands so „naiv“ ist, die Ladenpolitik nach außen durch Mitteilungen und öffentliche Diskussionsangebote transparent zu machen. Recht illustrativ ist dabei das Vorgehen des Kreuzers. Als Schüler habe ich dort mal vor sechs oder sieben Jahren – unbekümmert und idealistisch – einen Artikel zur Kritik des Leistungsdrucks im hiesigen Schulwesen eingereicht. Der Artikel erschien nicht. Nun maßt sich genau dieses Blatt, welches sehr wohl und mit gutem demokratischen Recht eine eigene Linie hat, wiederholt an, das Conne Island für dessen Zensurpolitik zu kritisieren. Vielleicht jedoch sollten wir einfach auf den Kreuzer zurückkommen, falls das CEE IEH mal an finanziellen Problemen scheitert. Wir werden dem Kreuzer dann an seinen Anspruch erinnern, Zensur abzulehnen, und munter in ihm veröffentlichen.
Doch will ich dieses Zensur-Thema nicht als dein Hauptthema unterstellen, da du Dich ja ganz offensichtlich einer anderen Diskussion zuwendest. Du verteidigst Rubberslime mit einer ganz eigenwilligen Interpretation. Diese hätten nicht die Verbrechen des Nationalsozialismus relativiert: Das Nennen der USA „in einem quasi Atemzug mit SS und SA ... bedeutet nicht, das Schlimmere abzuschwächen, sondern zeitweise auch das weniger Schlimme in seiner Wirkung auf das Niveau des Schlimmeren zu heben.“ Letztlich geht es Dir wie Rubberslime um eine Ineinssetzung von SA/SS und der USA. Da helfen auch keine verschlungenen Formulierungen wie: „quasi Atemzug“, oder: „in seiner Wirkung auf das Niveau des Schlimmeren ... heben“. Es ist ziemlich egal, ob man den NS mit der USA oder die USA mit dem NS in einem „quasi Atemzug“ nennt. In dem einen von dir konstruierten Fall relativiert man die Verbrechen, indem man so tut, als wäre der NS bloß so wie die USA gewesen, in dem anderen Fall relativiert man sie, indem man so tut, als wären die Verbrechen der Nazis keine besonderen, indem man also unterstellt, so etwas wie industrielle Massenvernichtung gäbe es auch in der Geschichte der USA. In beiden Fällen handelt es sich um eine ekelerregende Relativierung. Dass du von der besonderen Bedeutung Deutschlands nicht viel mehr als das zu wissen scheinst, was sonst im Schulunterricht vermittelt wird, bezeugt deine eigenwillige Interpretation des Slogans „Scheiß Deutschland“. Mit diesem Spruch ginge es uns (den Leuten im Umfeld des Conne Islands und des CEE IEHs), so deine Ausführung, gegen „die Politik von all diesen Affen im Lande, die an der Macht sitzen“. Sicher ist es ein großes Problem, dass die bürgerliche Gesellschaft Herrschaft und Ausbeutung reproduziert. Gegen ein viel größeres Problem jedoch zieht der Slogan „Scheiß Deutschland“ zu Felde. Nämlich gegen jene Ideologie, welche in ihrer Konsequenz einst zur Vernichtung von Millionen von Menschen geschritten ist, um genau diese Menschen zu vernichten: die Vernichtung von bestimmten der Vernichtung dieser Menschen wegen. Und diese Ideologie wurde nicht nur von den sogenannten Mächtigen getragen und ins Werk gesetzt, wie man es im Geschichtsunterricht lernte (in der DDR wurden die Nazis als Imperialisten vorgestellt) und lernt (heute werden im Geschichtsunterricht nur jene als Nazis bezeichnet, die der NSDAP angehörten), sondern von dem überwiegenden Teil der Deutschen. Aufgrund der barbarischen Qualität und Quantität des Mords an Juden, Sinti und Roma, Kommunisten, Homosexuellen u.a. ist der NS inklusive dem zweiten Weltkrieg der – wie du ausdrücktest – „Nullpunkt“ und nicht etwa der Atombombenabwurf der USA auf Japan, der zigtausend Menschen in den Tod riss, oder der vergessene Giftgasangriff der Japaner auf die Chinesen, der zigtausend Menschen in den Tod riss. Ertönt heute der Slogan „Scheiß Deutschland“, dann sollte er gegen den Staat gerichtet sein, der trotz der Verbrechen weiterexistiert, und gegen jene, die heute latent oder ganz konsequent diese Ideologie tragen und ins Werk setzen wollen. Aus genau diesem Grunde ist Israel zu verteidigen. Dieses ist vom Antisemitismus bedroht und soll zugleich eine wichtige Zufluchtsstätte jener Menschen sein, die vom Antisemitismus bedroht werden. Leider kann Israel diese Aufgabe kaum noch erfüllen, wie die Terrorakte der zweiten Intifada wöchentlich vorführen und vorführen wollen. Warum du dir gerade jetzt „nicht (mehr) anmaßen (willst) zu beurteilen, wer der Gute und wer der Böse“ in dem Konflikt ist, bleibt angesichts der Fakten dein Geheimnis. Gerade die zweite Intifada ist durch und durch antisemitisch motiviert, wie man aus den Chartas und Statements der Terrorgruppen erfahren kann. Doch nicht allein von der Intifada der Terrorgruppen der Palästinenser sind Israel und die Juden weltweit bedroht. Die Al Kaida hat den Juden und dem Zionismus den Krieg erklärt, in Libanon und Syrien gibt es geduldete Ausbildungslager für islamistische Terroristen und in Europa gibt es eine Konjunktur von Anschlägen auf Juden und jüdische Einrichtungen, wie zuletzt eine Statistik der EU offenbarte.
„(B)eleidigungen wie ‚fuck bush’“ werden im Conne Island übrigens nicht „im Keime erstickt“. Vielmehr wurden diese in den letzten Monaten dauernd ertragen und auf bessere Zeiten gehofft – auf Zeiten, in denen die deutsche Partyjugend wieder so unpolitisch wird, wie sie es so lange war, bis es eine Konjunktur des Antiamerikanismus gegeben hat.

Hannes


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last modified: 28.3.2007