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Keep on rockin’


Wer hätte das gedacht? Ich habe mir trotz Bergen von Arbeit die „Feder“ (Tastatur) gegriffen, um zumindest meine Meinung nicht nur vor mich hin zu murmeln oder Gleichgesinnten zu erzählen. Vielmehr soll sie da hingelangen, wo sie vielleicht als Kritik verstanden werden könnte: im Conne Island. und das „Korrekturlesen“ einiger Freunde offenbarte wieder einmal, wie diese nun folgende Meinung keineswegs eine Einzelmeinung zu sein scheint.
Aufgerüttelt durch die Konzertabsage der Revolvers (kenne allerdings den Grund nicht) und vorher Rubberslime,habe ich schnell noch einige Statements und Artikel im Netz und CEE IEH zum Thema gelesen.
Ich kann es nicht verstehen. Ich kann nicht verstehen, wie ein Club, im Stile der Reglementierung zu einstigen DDR-Zeiten, in aufwendiger Arbeit die Texte von Bands durchleuchtet, immer auf der Suche nach Textfragmenten , welche sich evt. nicht hundertprozentig mit der Einstellung des Clubs vereinbaren lassen. Dem wäre ja grundsätzlich nichts entgegenzusetzen, würde diese aufwendige Arbeit nicht zunehmend seltsame Früchte tragen. Denn Textzeilen zu finden, die klaren rassistischen, nationalistischen, antisemitischen oder faschistischen Inhaltes sind, sollte in aller Interesse sein. Fallen dieser Zensur jedoch nunmehr Texte zum Opfer, deren Zeilen lediglich interpretiert werden, ist dies bedenklich. In einem der vorliegenden Fälle z.B. wird von einer Band, deren Existenz nicht unwesentlich zur späteren Entwicklung von Clubs wie dem Conne Island beigetragen hat, die USA in einem quasi Atemzug mit SS und SA genannt. Die Zensierenden sehen darin unter anderem eine Verharmlosung der Geschehnisse der Nazi-Zeiten und der damit verbundenen verabscheuungswürdigen Judenverfolgung.
Hier stellt sich dem Außenstehenden unweigerlich die Frage, warum im Vergleich die harmlosere Variante das Maß der Dinge darstellt. Etwas gleichzusetzen bedeutet nicht, das Schlimmere abzuschwächen, sondern zeitweise auch das weniger Schlimmere in seiner Wirkung auf das Niveau des Schlimmeren zu heben. So kann ich beim besten Willen nicht den Schluß daraus ziehen, dass die Politik der Nazis NUR so schlimm ist wie die der USA, sondern dass die Politik der USA streckenweise ähnlich schlimm ist wie die der Nazis.
Als wäre dies nicht schon schwer genug zu verdauen, lässt es einen in der Diskussion immer wieder auf die politischen Hintergründe der ganzen Misere zurückfallen. Und, beim besten Willen, ich verstehe es nicht. Könnte es sein, dass beim Verteilen der Sympathien im Irak-Krieg für die ProtagonistInnen des Conne Island nur noch Georg Bush als die, im verbalen Sinne, zu beschützende Person übriggeblieben war, ähnlich wie beim Stuhltanz der Letzte bestenfalls ausscheidet, schlimmstenfalls aber aufs Maul fällt. Andernfalls will ich es nicht verstehen, wie sich Vertreter einer linken Szene für die derzeitige Symbolfigur von Imperialismus und Militarismus in die Bresche werfen. Und, man höre und staune, dies führt soweit, dass bereits verbale Beleidigungen wie „fuck bush“ im Keime erstickt gehören. Um so mehr vermisse ich auch im besagten Club Poster mit dem Konterfei des Herrn Bush als Ausdrucksform dieser vorhandenen Meinung. Mutmaßlich stellt dies dann auch eine Einmaligkeit in der Landschaft linker Clubs dar. Aber, wer will schon sein wie der andere.
Bis dato wusste ich nicht, dass Schwarz-Weiß-Malerei in derartiger Perfektion betrieben werden kann. Und so verwundert es denn doch ein wenig, wenn sich geistig mutmaßlich gut ausgestattete Personen dazu hinreißen lassen, den USA als Spitze einer Militärmacht mit Weltpolizei-Allüre einen Persilschein für all ihr Tun zu erteilen, weil sie dereinst den Faschisms beendet haben, natürlich geringfügig von der Roten Armee unterstützt... aber das wissen wir alles. Nun stellt sich mir natürlich sofort die Frage, warum ausgerechnet der Zweite Weltkrieg als politischer Nullpunkt herhält, wo es doch tausende Jahre lang Antisemitismus, Pogrome etc. gab.
Um nicht in typischer Manier eine Verharmlosung des Krieges und der Geschehnisse unterstellt zu bekommen oder gar der Deutschtümelei verdächtigt zu werden: Ich hasse Faschismus, ich hasse Rassismus, ich finde die Verfolgung von Juden sowie die Verfolgung von Minderheiten abscheulich. Aber das lässt mir immer noch den gedanklichen Freiraum, andere Sachverhalte ähnlich schlimm zu finden. Aber davon ausgehend, dass ich mich vielleicht politisch verrannt habe, könnte man mir ja auch erklären, wie ich denn z.B. den Atombombenabwurf der USA auf Japan oder vielleicht den Vietnam-Krieg zu bewerten habe: waren das gar befeiungsschläge zugunsten einer unterdrückten Menschengruppe?

Dies soll nicht die Anzettelung einer Grundsatzdiskusion um Recht und Unrecht von militärischen Auseinandersetzungen sein. Vielmehr drängt sich mir der Verdacht auf, dass der Befreier von einst Generationen später seine Machtstellung in der Welt missbraucht und nach eigenen Gutdünken herumballert. Und mal ehrlich: es wird doch nicht allen Ernstes jemand glauben wollen, dass es den USA damals und heute primär um die Befreiung irgendwelcher Menschen von irgendeinem Diktator ging und geht. Gegen die Behauptung, „Bush nicht zu mögen, heißt Saddam zu huldigen“ verwehre ich mich im Namen vieler anderer. Der eine war so scheiße, wie der andere noch ist. Selbst in zeiten zunehmender Verrohung unserer Sprache kann man dafür gar keine äquivalente Ausdrucksform finden. Die verbindung der Amis und Israels als Land der Juden führt dazu, dass in den Kreisen der Conne Island-FreundInnen man in Zeiten einer völlig undurchschaubaren Lage stolz Israelfahnen trägt. Ich bin eher ein Freund als ein Kritiker israelischer Politik. Und ich habe lange Zeit in Diskussionen de facto Partei ergriffen für Israels offensive Verteidigungspolitik. Aber nunmehr möchte ich mir mehr nicht anmaßen zu beurteilen, wer der Gute und wer der Böse sein mag, wer schwarz und wer weiß ist. Zuweilen kommt es vor, dass es nur noch schwarz gibt.
All diese Betrachtungen sind natürlich subjektiv, wenn auch von vielen, darunter auch etliche Conne Island-BesucherInnen, geteilt (Letztere scheuten sich übrigens nicht, trotz Ablehnung der politischen Einstellung des C.I. zum Thema USA, für den Erhalt desselben auf die Straße zu gehen). Wenn nun jedoch Bands danach beurteilt werden, ob sie „fuck bush“ schreien und damit den Größten aller Militaristen meinen, lässt dies Erinnerungen wach rufen. So konnte man kürzlich im TV eine Dokumentation um einen geplanten und letztendlich gescheiterten BAP-Auftritt in der DDR sehen. Dieser auftritt scheiterte an einer Textzeile eines Liedes. Sind wir schon wieder so weit! Ich bin sehr dafür, Bands abzulehnen mit Bekenntnissen in Richtung Faschismus, Rassismus und Deutschtum. Zuweilen wird man diskutieren müssen. Aber nicht alles lässt sich in diese Richtung interpretieren. Und schon gar nicht darf es in der Artikulation dazu führen, die Symbolfiguren des Militarismus zu „beschützen“.
Wovor habt ihr Angst? Im Umfeld des Conne Island greift sich alles angesichts dieser Politik in eurem Hause zunehmend an den Kopf. Oder habt ihr euch verrannt, in eine Ecke gedrückt, aus der ihr glaubt, nicht herauszukommen? Protagonisten der Punkmusikszene, wie beispielsweise Jello Biafra, äußerten sich über Jahre hinweg in einem Höchstmaße kritisch zur Politik der USA und deren politischen Vertretern. Dürfen Titel der Kennedys noch aufgelegt werden?? Zugegebenermaßen hat Elvis uns die Musik gebracht, als Amerikaner. Zugegebenermaßen ist keinesfalls alles schlecht, was aus den Staaten kommt, im Gegenteil. Aber ich glaube nicht, dass Leute, welche „fuck usa“ rufen, Elvis den Galgen wünschen würden, sofern er noch lebte. Wenn bei Demos „Scheiß Deutschland“ gerufen wird, meint ihr doch auch nicht den Konsum an der Ecke, meint ihr doch auch nicht die vielen Punk-, Rock’n’Roll und sonstwas für Bands. Ihr meint doch auch die Politik von all diesen Affen im Lande, die an der Macht sitzen.
Hey, ist nicht vielleicht Zeit, etwas zurückzurudern!! Punk lässt sich nichts vorschreiben, Punk ist dafür da zu provozieren... wer das nicht versteht, sollte nicht „stay punk“ grüßen. Hört euch mal in eurem Besucherkreisen um!!

keep on rockin’

DJ Uwe

PS: Ich lege nach wie vor sehr gern im C.I. bei Rock’n’Roll- und Punk-Konzerten auf, aus blanken Idealismus. Und ich lasse mich auch gern für den Erhalt des C.I. auf der Straße sehen... und das alles, trotzdem ich euren politischen Ansatz in dieser Frage nicht teilen kann. Möglicherweise kann man von Seiten des Clubs aus diese Art der Toleranz auch Bands und Leuten entgegenbringen, denen man nun nachweislich finstere Herkunft nachsagen kann.


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last modified: 28.3.2007