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„Ein Leserbrief für den Newsflyer, den ich schon länger schreiben wollte“


Zuerst möchte ich Euch auch ein dickes Lob für den Newsflyer ausssprechen, auf den ich ehrlich gesagt ziemlich neidisch bin. Denn obwohl es in Freiburg, wo ich lebe, eine relativ große und auch einigermaßen reflektierte Linke gibt, finden Diskussionen auf dem Niveau der besseren CEE IEH-Artikel nur gruppenintern statt. So stehen im Koraktor, dem Programmheft der KTS (Anm.: selbstverwaltetes Zentrum in Freiburg, dessen Existenz momentan akut bedroht ist), nur unregelmäßig politische Artikel und auf die gibt es so gut wie keine Reaktionen, sei es in Form anderer Artikel oder von Leserbriefen. Dies liegt mit Sicherheit auch an der Konzeption des Koraktors, der auch vom Layout her darauf angelegt ist, hauptsächlich die Veranstaltungen zu bewerben. Aber mehr noch liegt der relativ geringe Anteil an Artikeln, die über bewegungspolitische Moblisierungsaufrufe hinausgehen, am Desinteresse von großen Teilen der Linken, denn Freiburg ist wohl noch immer Deutschlands Hauptstadt der Ökos und Alternativen. Trotzdem befinden sich im Umfeld der KTS viele Leute, die sich gegen Antisemitismus und zumindest die übelsten Formen von Antiamerikanismus positionieren. Bands, die derartige „Meinungen“ vertreten, werden nicht in der KTS auftreten können. So gab es nach Konzerten mit Protestera und Oi Polloi vor ca. 2 Jahren ausführliche Kritik an antiisraelischen Aussagen, ein Konzert mit Tijuana No wurde vor kurzem abgesagt, weil deren ehemaliger Sänger antisemitische Positionen vertreten hatte und die Band sich nicht davon distanzierte.Außerdem leben in Freiburg viele junge Leute, die sich sowohl für Musik als auch für Kritik interessieren.
Was mir dabei besonders wichtig erscheint ist, daß nicht nur junge Leute etwa aus der Punk-/Hardcore-Szene politisiert werden, sondern auch viele Polit-Leute, etwa Pop-Antifas oder junge Antideutsche, die subkulturellen Einrichtungen zuvor eher ablehnend gegenüberstanden, einen Sinn in der KTS sehen und auch bereit sind, Aufgaben zu übernehmen und Zeit zu investieren. Gerade dadurch, dass Subkultur nicht zum Selbstzweck wird und auch Konzertbesucher mit politischen Inhalten konfrontiert werden, die übers Ressentiment hinausgehen, verbreiten sich radikale Positionen und gelangen auch immer wieder neue Leute in die Kreise dieses Zentrums, wodurch der Erhalt eines linksradikalen Charakters garantiert wird.
Leider werden äußerst selten Erklärungen veröffentlicht, die ein Publikum ansprechen, das über die KTS-Besucher hinausgeht und dennoch einen inhaltlichen Anspruch hat. Wie sinnvoll solche Interventionen sein können, zeigt etwa Eure Absage des Konzertes mit Rubberslime. Diese Erklärung hatten sogar einige Freiburger Punks im Internet gelesen und fanden eure Argumentation sehr schlüssig. Sie verstünden dadurch sogar die Kritik am Antiamerikanismus, die sie zuvor meist als Gemecker von „komischen Studenten“ wahrgenommen hätten, sehr viel besser. Durch solche Initiativen und die Masse an diskussionswürdigen Artikeln im Newsflyer gewinnt das Conne Island auch überregional an Bedeutung.
Ungewöhnlich ist ebenfalls das Cafe Tomorrow, also einer Gruppe von Leuten, die jünger als 20 sind und sich mit Marx und Adorno beschäftigen, das, wenn nicht sogar einen einmaligen Status, so zumindest Beispielcharakter hat.
Hoffentlich ist mein Brief nicht zu positiv geraten, aber da der Newsflyer eines der wenigen Blättchen ist, das ich immer interessiert lese, wollte ich Euch ein Feedback aus einer westdeutschen Stadt geben und Euch auch motivieren, so weiterzumachen.

Ein Genosse aus Freiburg

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last modified: 28.3.2007