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The Bloom und Advanced Chemistry

Der Umgang mit Funk macht Qualitätssprünge. Nicht etwa, wegen unbewußter Rückgriffe durch Bands coleur, sondern durch Bewußtsein und musikalisches Geschichtsverständnis.
Könnte man meinen, wären da nicht die Traumata Acid Jazz und - die Spitze des Eisberges - Easy Listening.

Reminiszensen an die Parliament-Tage

Tonnenschweren „Funk“ versprechen Advanced Chemistry für ihre neue Platte („Advanced Chemistry“, 360° Rec.), „Zouk, Ragga, Jazz“. Man sollte es ihnen glauben. Schon seit längerem arbeiten sie daran, die Hip Hop-Definitionen mit Ernsthaftigkeit(!) zu durchbrechen. Mit den gleichen Mitteln also, durch die sie sich durchaus einer Engstirnigkeit der hiesigen Hip Hop-Szene schuldig gemacht haben, wollen sie diese knacken. Das ist gut so. Die, wie sie es nennen, „Ulkschiene im Hip Hop als todsicheres Mittel, um in die Hitparaden zu kommen“, verlangt nach Antworten, die der Groove bestimmen muß. Torch, Linguist und Toni L. arbeiten daran. Das steht fest.

Die Bedingungen haben sich zwar massiv verändert, doch die Vorzeichen stehen auch diesmal nicht auf Sturm. Die Hip Hop-Masse wird mit ihnen gehen; soll heißen: weiterhin mit ihnen unten bleiben, ohne jedoch genau zu kapieren, worum es A.C. eigentlich geht. Außerhalb der Hip Hop-Gemeinde haben sie die schwere Vorbelastung im Gepäck „Deutsch-Rapper“ zu sein und somit „ungroovy“. Das Wissen um die „die große Bandbreite des AC-Hintergrundes“ tut da Torch, Toni L. und Linguist natürlich besonders weh, in diesem Zusammenhang. Wer von den Essig Jazzern meint schon Message, wenn es um „coole“ Sounds geht, zu denen man „sexy“ abtanzen kann. Dank „Zeitgeist“ stinkt es an allen Ecken und Enden nach völliger Sinnentleerung von Produkten. Wo „cool“ bei den Originalen der 70ties durchaus für subversiv stand, gilt heute der Marktwert der Klamotten und des dümmsten Sponsors für „Hipness“, bei der sich den 50er Beatniks alles im Magen rumdrehen muß.

Ich denke, mit A.C. die Besorgnis teilen zu dürfen, daß hier die Hintergründe jahrzehntelanger Kulturentwicklung kaputtgeschlagen werden. Es ist jedoch ein Fehler, dieser Entwicklung mit Tränen in den Augen hinterherzuschauen, und als Ergebnis sich noch mehr einzuigeln. Vielmehr muß man diese Entwicklung offensiv zur Kenntnis nehmen, was bedeutet, die Qualität herauszustellen, die, um wieder auf A.C. zu kommen, in der Konsequenz gerade diese Gruppe auszeichnet.

Die Eingängigkeit erhöhen, ohne Aderlaß in der Message und ohne Zugeständnisse an den Massengeschmack. Das ist die Essenz, die Schwierigkeit und gleichzeitige Herausforderung an alle. Und das heißt: den Pop so fest umarmen, wie es geht, damit so wenig Scheiße wie möglich an ihn ‘rankommt. Und das heißt wiederum: Die Masse muß im Dunkeln fischen, niemand bringt ihr Licht. Wer es braucht, soll sich gefälligst dorthin begeben, wo es abgeht. Nicht umgekehrt.

Ob The Bloom diesen Weg mitgehen wollen, vermag ich nicht zu sagen. Zumindest erweisen sie „Reminiszensen an die Parliament-Tage“, was Bootsy Collins und George Clinton freuen dürfte. Uns natürlich auch. Dreht sich doch da eine Spirale, die nicht zuletzt bei Stereo MC’s „Connected“ angesetzt werden muß, wo Verona M. Davis immerhin sang. Insofern wird ein Track wie „Vibetime“ natürlich zum Programm.

„Bloom have come from a hard Funk and Soul background“, der natürlich nichts mit Easy Listening zu tun hat, wenn ich das an dieser Stelle mal etwas holperig einfügen darf, um zu sagen, was gesagt werden muß.

Ich halte nämlich den Acid-Jazz für schuldig, einen „Trend“ heraufbeschworen zu haben, der allen ernsthaften Musikliebhabern das Schlottern in die Knie treiben muß. Easy Listening ist die Speerspitze eines Eisberges völlig sinnentleerter Musik. Sie ist lustig und mehr nicht. Sie bringt Stimmung - zum Mitschunkeln - und mehr nicht.
Es geht jedoch nicht darum, die Spaßbremse zu ziehen, sondern darum, WO diese Musik gespielt werden kann. Sie darf(!) nämlich nur dort aufgelegt und gehört werden, wo der Background in Ordnung ist (s.o.), um drüber zu stehen und Spaß zu haben. Fehlt dieser Background, wird es fatal. Glaubt mir, insofern ihr glauben wollt.
Versteht den Abend mit BLOOM und Advanced Chemistry also auch als Affront gegen den „Zeitgeist“. In diesem Sinne, uns allen viel Spaß.

Ralf

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last modified: 28.3.2007