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Über Fernsehen und Bildung |
Fernsehen und Bildung, Ist ein Beitrag aus dem Buch Erziehung zur Mündigkeit, welcher 1963 entstand und die Blütezeit des neuen Mediums Fernsehen und die Hoffnungen, aber auch Gefahren, die im Fernsehen gesehen wurden, thematisiert. Es sollte daher darauf geachtet werden, die Beiträge im Text nicht außerhalb ihrer Entstehungszeit zu sehen. Im Folgenden soll dieser Beitrag von Theodor W. Adorno, Gerd Kadelbach und Helmut Becker thematisiert werden. In der Diskussion zwischen Becker, Adorno und Kadelbach ist der zentrale Punkt die Auseinandersetzung mit dem Massenmedium Fernsehen und ob sich durch dieses überhaupt Bildung(1) vermitteln lässt. In der Diskussion wird die Frage nach der Funktion des Fernsehens gestellt und in einen kritischen Bezug zur Gesellschaft gebracht. Zu Beginn der Unterhaltung wird festgestellt, dass Bildung in Volkshochschulen tendenziell abnimmt und durch sogenanntes Schulfernsehen ersetzt wird. Hierbei vertritt Adorno die Ansicht des doppelten Begriffes der Bildung im Fernsehen. Für ihn hat Fernsehen soweit möglich etwas Pädagogisches. Es kann über Bildungsprogramme oder Fernsehvolkshochschulen, in einem höheren Maße auch über bestimmte Fernsehspiele, Bildung vermittelt werden. Weiterhin beobachtet er auch das Potential der Informationsverbreitung, die er als wichtig ansieht, um an bestimmten Diskussionen partizipieren zu können. So erscheint ihm im Fernsehen ein weiterer Punkt hilfsam. Da erstmals fließende Bilder gesendet werden, besteht die Möglichkeit, vorher stets nur hörbar Gewesenes ins Medium zu übertragen und es einer größeren Menschenzahl zugänglich zu machen, was bildungsstärkend wirken kann. Vor allem in den ländlichen Regionen, in denen Bildungseinrichtungen oder andere Formen von Bildungsangeboten nicht so zahlreich vorhanden sind und waren wie in den Großstädten, sieht Adorno den Zugang zum Menschen übers Fernsehen als möglich. Anders wiederum sieht er im Fernsehen etwas Non-Bildendes denn so wie Adorno Fernsehen begreift, ist es das Massenkommunikationsmittel, welches Träger und Verbreiter von Ideologien werden kann. Adorno meint dabei (und diese Schlussfolgerung erlangte er bei seinen Studien über das Fernsehen in den USA), dass durch Fernsehen falsche Wertvorstellungen positiv vermittelt werden können, wobei echte Bildung eigentlich bedeute, Dinge in ihrer Schwierigkeit und Problematik zu durchdringen und sich eine eigenständige Meinung zu bilden. Weiterhin stellt er fest, dass sich etwas formal Ideologisches ergibt, der Hang zur Fernsehsüchtigkeit: Das Fernsehen, wie andere Massenmedien auch, eigentlich durch seine bloße Existenz zum einzigen Bewusstseinsinhalt geworden, lenkt die Menschen von dem ab, was eigentlich ihre Sache ist, und sie angeht. Die Darstellung von Leben, wie es sich im Fernsehen zeigt, birgt für Adorno eine Gefahr, nämlich die der falschen Auflösung von Problemen und einer Harmonisierung des Schwierigen und Schwerlösbaren. So sagt er: Ich möchte bezeichnen, was mir als spezifische Gefahr scheint. Das ist nämlich etwas sehr Inhaltliches, das mit dem technischen Medium gar nichts mehr zu tun hat. Das sind diese unsagbar verlogenen Gebilde, in denen zwar scheinbar sogenannte Probleme behandelt, diskutiert und dargestellt werden, damit es, wie man so schön sagt, zeitnah ist und die Menschen mit wesentlichen Fragen konfrontiert. Diese Probleme werden vor allem dadurch verborgen, dass es sich so darstellt, als ob für alle diese Fragen Heilmittel parat wären. Das Fernsehen, wie er also meint, verschleiert Konflikte, es zeigt, dass es wahrscheinlich nur eines guten Onkels bedarf, der da auftaucht, um etwa ein fatales Leiden zu lindern, oder um die Tränen der Geängsteten zu trocknen. Gesellschaft wird in diesem Sinne falsch wiedergespiegelt. Dieser Richtung, diesem Verblenden gilt es zu widerstehen. Als Verblendung kann man bezeichnen, was in der Abwiegung der gezeigten Probleme liegt. So werden das Leben eines Penners auf der Straße und die Gründe, warum dieser überhaupt da ist, wo er nun gerade ist, weniger kritisch behandelt als der Schmerz, (der ohne Zweifel ein übler sein kann) einer an der Liebe gescheiterten Person. Das Fernsehen zeigt uns also einmal eine Scheinrealität, die das Leben harmonisiert, und der nicht zu verfallen ist. Anders die Realität, die uns ständig ins Gesicht schlägt, welcher man sich nicht kampflos hingeben sollte. Diese wahre Realität kann die Funktion eines Handbuches übernehmen. Gesellschaftliches Handeln kann durch sie reproduziert werden, indem Fernsehen die Realität zeigt, ohne diese in kritischer Weise zu beleuchten. Der Mensch seinerseits macht nun das, was ihm gut und richtig erscheint, und das ist ja gerade das, was ihm vermittelt wurde, ohne dass er es reflektiert. Die Verhältnisse, unter denen Menschen leben, erscheinen verdoppelt. Den Menschen wird im Fernsehen versucht, authentisch gesellschaftliches Leben zu zeigen, beispielsweise durch Daily Soaps, welche versuchen Parallelen zum Leben des Konsumenten zu knüpfen. Hat er diese entdecken können, erfolgt eine Identifikation mit den Figuren und ihrem Handeln, sie erhalten etwas Vertrautes, da es erscheint, als wären sie aus dem Alltag gegriffen. Gerade durch eine solche Authentizität wird dem Zuschauer wieder entgegengebracht, was er doch täglich erlebt, da er es noch einmal gezeigt bekommt. Der zu Ende gehende Tag wiederholt sich im Abendprogramm, dies aber auf eine beschönigende und unkritische Weise. Doch wie ist Bildungsfernsehen überhaupt zu machen? Dies war eine Frage, der sich Adorno auch zuwendete. Bei der Beantwortung dieser Frage ist darauf zu achten, dass es nicht zu einer reinen Spezialisierung der Bildung kommt, so dass sie nur noch dem Fachmann vorbehalten ist. Nein, diese Bildungsprogramme sollten zwar den qualifizierten Konsumenten ansprechen, darüber hinaus aber nicht abgeschirmt vom gewöhnlichen Konsumenten sein. Es ist demnach unvorteilhaft, etwa ein Buch mit hohem Anspruch im Fernsehen zu verlesen. Die Auseinandersetzung mit diesem Buch könnte schwerlich entstehen, da zwar der Zuschauer, der das Buch gelesen hat, in seiner Wohnstube eine Kritik üben kann, derjenige aber, der es nicht kennt, keine Chance zur Diskussion hat, welche zum Verständnis des Stoffes beitragen könnte. Adorno trägt weiter bei, dass der gewöhnliche Konsument mit dem Mittel des Schocks zu überfallen, und dies wahrscheinlich der beste Weg sei, ihn für Bildung in diesem Genre zu interessieren. Adorno ist in diesem Zusammenhang zu einigen Erkenntnissen gelangt: z.B. sollten die Programme an das Medium angepasst werden. Seiner Meinung nach ist es falsch, traditionelle Kulturgüter zu kopieren oder nachträglich über das Fernsehen verbreiten zu wollen. Die Vorstellung man würde versuchen, Goethes Faust zu verfilmen und im Fernsehen zu zeigen, würde einem Theaterbesuch schon rein von den Emotionen und Gefühlen, die der Betrachter durch die Inszenierung des Stückes auf der Bühne vermittelt bekommt, nicht gerecht werden. Die Beziehung des Zuschauers zum Fernsehen ist eine distanzierte, vergleicht man sie mit einer Theateraufführung, bei der dieser am Geschehen direkter teilnehmen kann. Die Umsetzung von traditionellen Stücken ins Medium Fernsehen, birgt in der Kunstleistung der Darsteller einen qualitativen Unterschied. Der Bühnenschauspieler muss auf anhieb eine perfekte Leistung zeigen, den Text, die Gestik, alle Bewegungen hervorragend beherrschen um dem Zuschauer im Theater zu gefallen. Der Studioschauspieler hingegen spricht und spielt nicht vorm Publikum, sondern vor der Kamera, er vermittelt sich der Kamera und über den Bildschirm dem Publikum. Es gibt keine direkte Konfrontation mit dem Konsumenten und den im Stück gezeigten Inhalten, da der Abstand, die Entfernung und die zwischengeschalteten technischen Instrumente dies nicht möglich machen. Der Kameramann kann beliebig die Einstellung so verändern, wie er sie gern hätte, eventuelle Textfehler können durch ein Neudrehen der Szene behoben werden. Die Klasse, welche ein Theaterstück durch seine Inszenierung gewinnt, ist bei einer Verfilmung verflogen. Walther Benjamin sagte in diesem Zusammenhang: Das Publikum fühlt sich in den Darsteller nur ein, indem es sich in den Apparat einfühlt. Es übernimmt also dessen Haltung: es testet. Das ist keine Haltung, der Kultwerte ausgesetzt werden können. Die Aura(2) des Stückes ist bei seiner Reproduktion nicht mehr vorhanden, wie Benjamin in diesem Kontext feststellt. Es sei demnach Vorsicht geboten beim Versuch, im Fernsehen Beiträge zu gestalten, die sich im Medium nur schlecht oder gar nicht umsetzen lassen, man müsse also abwägen. Ein positiver Aspekt wäre, im Fernsehen die bewusste Montage und Verfremdung von Realität zu zeigen, also eine überspitzte Darstellung und Verschiebung der Realität. Nur wenn sich Bildungsprogramme nicht absondern, zu einer Spezialität im Fernsehen verkommen, und wenn eine Verbindung zum allgemeinen Programm besteht, kann Bildung auch im Fernsehen mehr als nur eine Farce sein, und aus ihrem eigenen Schatten heraustreten. Kaubi Fußnoten: (1) Die Intention echter Bildung sollte sein, dem Menschen von seiner Unmündigkeit hin zur Mündigkeit zu geleiten. Der mündige Mensch von dem Adorno redet, ist nicht länger jemand, der sich blind in Kollektive einordnet, sondern derjenige, der die Verhältnisse kritisch reflektiert. Durch Reflektion kann der Mensch zu den Ursachen, dem Ursprung seines Leidens vordringen. Eine solche Art des Denkens hat die Aufgabe, das zu verhindern, was wir Barbarei nennen und sich niemals wiederholen soll, es ist darüber hinaus für eine emanzipatorische Gesellschaftskritik unverzichtbar. Der Bildung in diesem Sinne kommt es nicht darauf an, den Menschen in diesen Verhältnissen zum Mitmachen und Funktionieren anzuleiten. (2) Die Aura ist kein Gegenstand, es ist das, was dem Stück anhaftet, wenn es aufgeführt wird. Es sind die Gefühle und emotionalen Ausdrücke, die das Stück durch seine Schönheit erzeugt. Die Aura ist das, was wir nicht fassen können, das, was es uns so einzigartig macht, bestimmte Dinge zu sehen, zu hören, zu schmecken. Die Aura umgibt das Kunstwerk. Sie ist selbst einzigartig und nicht reproduzierbar. Oder um es mit Walter Benjamins Worten zu sagen: eine einmalige Erscheinung einer Ferne, so nah sie sein mag. |