home | aktuell | archiv | newsflyer | kontakt | [94][<<][>>] |
Im Folgenden dokumentieren wir ein Flugblatt der Antideutsch-Kommunistischen Gruppe Leipzig (AKG), das als Reaktion auf den in der incipito Nr.3 erschienen Artikel Antideutsch Und trotzdem gegen Krieg verfasst wurde. |
Weg mit Hussein |
Oder warum man entweder antideutsch oder gegen den Krieg istNachdem sich in einigen Teilen der Linken herumgesprochen hat, dass man mit Israel schon irgendwie solidarisch seien muss und weder kämpfende islamistische Bewegungen noch panarabische Ideologen auf Frieden erpicht sind, scheint es trendy zu werden, das gute alte ich-bin-ganz-prinzipiell-gegen-Kapitalismus-Krieg-und-Unterdrückung-Weltbil zu verteidigen, indem man der antideutschen Kritik erstmal grundsätzlich recht gibt und sich so aus der Schusslinie bringt. Wenn dieses subjektive Unvermögen statt sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, wird Kritik immer wieder rationalisiert dann noch als Kritik einer verbreiteten antideutschen Meinung [...] am Beispiel der [...] AKG Leipzig(1) ausgegeben und in der incipito veröffentlicht wird, dann ist es wieder mal an der Zeit, einige antideutsche Positionen klar zu stellen. Appeasement und Gewaltspirale
Ist dieser Antisemitismus als jener dynamischer Idealismus begriffen, der sich seine Feinde immer wieder neu schafft, macht auch die Rede von der Gewaltspirale keinen Sinn mehr. Denn erlangt der Antisemitismus durchs Kollektiv die Kraft zur Tat, gibt es nur zwei Möglichkeiten, ihm Einhalt zu gebieten. Entweder man beseitigt die Ursachen des Antisemitismus, indem man dem Kapitalverhältnis ein Ende setzt, oder man unterminiert durch Autorität die Mobilmachung des Kollektivs und damit die Tatkraft des Antisemitismus. Es kommt derzeit darauf an die Abschaffung des Kapitalverhältnisses steht nicht vor der Haustür, nur der Erhalt der Bedingungen der Möglichkeit des Kommunismus , den antisemitischen Kollektiven durch Autorität deren Handlungsfähigkeit und damit die Grundlage des zur Tat schreitenden Antisemitismus zu entziehen. Es muss für die antisemitischen Subjekte klar werden, dass die Gefolgschaft in den antisemitischen Kollektiven keinen Sinn macht. Der antisemitischen Gewalt muss die Grundlage entzogen werden, denn die Schwäche des halluzinierten Feindes stachelt den Antisemitismus zur Tat an, während er nur in der Stärke des Gegners seine Grenzen erkennt. Sowohl an der Politik Arafats, als auch an der Husseins lässt sich das gut nachvollziehen. Nicht, wenn sie in Frieden gelassen wurden, sondern dann wenn der Druck groß genug war, haben sie sich auf Kompromisse eingelassen. Nicht die deutsche Völkerfreundschaft hat Saddam Hussein dazu gebracht, den Resolutionen der UN zu folgen, sondern der militärische Druck der USA. Es bleibt nur zu hoffen, dass Saddam Hussein als Führer und Galionsfigur der antizionistischen Bestrebungen im Nahen Osten von der Bildfläche verschwindet. Dies wäre ein harter Ausfall für den erstarkenden Antizionismus in der arabischen Welt, der Israel wohl eine Atempause in der Form verschaffen könnte, dass einerseits die von Hussein unterhaltenen Waffen nicht mehr Israel bedrohen würden und dass die von Hussein unterstützten Selbstmordattentate zurückgehen würden. Nicht die Gewaltspirale, sondern die Aufrechterhaltung des Status Quo ist die Gefahr für Israel, irakische Oppositionelle und andere Feinde des Islamismus und des irakischen Bathismus. Exkursion ins Land des schnauzbärtigen Antiimperialismus
Seit der Regierungsübernahme Husseins im Jahre 1979 sind über eine Million Menschen dem bathistischen Terror zum Opfer gefallen. Weitere 1,5 Millionen Menschen leben im Exil.(3) Selbst geringe Vergehen werden mit Verstümmelung und Tod geahndet. So steht auf Diebstahl das Abhacken einer Hand, bei Wiederholungstätern das Brandmarken mit glühendem Eisen. Während Fahnenflucht mit Sanktionen von Abschneiden eines Ohres bis hin zur Ermordung bestraft wird, steht auf sogenannte Kollaboration mit dem Zionismus der Tod. Seit 1990 ist in der irakischen Verfassung die Bekämpfung sogenannter shubiyah(4) sowie die Förderung des djihad verankert. Ein Revolutionärer Kommando Rat als oberste Instanz des Staates verfügt über eine Sondergerichtsbarkeit und verhängt per Dekret unanfechtbare Strafen für Volksfeinde: Zumeist die Liquidation durch Erschießen, Erhängen, Überfahren oder Enthaupten. Im Oktober 2000 etwa ließ Saddam Hussein an einem eigens erklärten Tag der Ehre der irakischen Frau mehr als dreihundert Frauen öffentlich enthaupten, denen Prostitution zur Last gelegt wurde. Im März 2002 wurde mehreren Jugendlichen auf einem Marktplatz im Südirak die Zunge herausgeschnitten. Anschließend fuhr man die so verstümmelten auf einem offenen Wagen in einer Art Parade durch die Stadt.(5) Was liegt solch monströser Gewalt zu Grunde? Das Ziel der Bath-Partei ist die Errichtung eines Panarabischen Großreiches, welches es schon immer gegeben haben soll, dessen Staatlichkeit jedoch immer wieder von imperialistischen Feinden verhindert worden sei. Partei und Volk sollen eine Einheit bilden. Revolution heißt hier die Bewegung auf jenes Großreich zu etwa im Kampf gegen Israel und als permanenter Selbstreinigungsprozess der Gesellschaft von ihren Feinden. Die angestrebte Homogenität erfasst alle Bereiche der Gesellschaft. Politische und private Opposition wird eliminert, Geschichte zurechtgelogen, jegliche Nonkonformität liquidiert mit dem Ziel der Identität von Gesellschaft und Pan-Arabischer Idee. Die kapitalistische Konkurrenz der Einzelnen hört in den verstaatlichten Großbetrieben nicht einfach auf. Sie übersetzt sich vielmehr in eine Art Konkurrenz ums identische Dasein. Niemand kann davor sicher sein, als Verräter enttarnt und bestraft zu werden, weil Identität von Individuum und Idee nicht erreichbar ist. Das einzige was bleibt, ist den Makel an anderen aufzudecken, als erster zu denunzieren: Der ideale Bürger des Irak hat als Wiedergeburt des neuen arabischen Menschen wie eine Geheimdienstmonade zu funktionieren, die, getrieben von Angst, abweichendes Verhalten jeder anderen Monade zur Anzeige bringt.(6) Hierin liegt die Besonderheit des Irak. In keinem anderen Staat hat die Systematik des Strafens und der körperlichen Verstümmelung, hat die Kontrolle der Geheimdienste und Sicherheitsapparate einen derart zentralen Stellenwert wie im Irak, wo der allgegenwärtige Geheimdienst Mukhabarat nicht die Interessen des Militärs stützt, sondern dieses selbst kontrolliert und säubert. Kontrolle, Disziplinierung, Strafe und Vernichtung sind im Verständnis des irakischen Bath-Staates nicht nur Sanktionsmittel gegenüber abweichendem und unerwünschtem Verhalten, sondern zentraler Bestandteil eines Ausformungsprozesses dem die gesamte irakische Gesellschaft unterworfen ist.(7) Schon angesichts dieser Empirie müsste die Frage der AKA[M] beantwortet sein: ...ob es für eine antikapitalistische Linke überhaupt tragbar ist, zu fordern das Zwangssystem einer arabischen Militärdiktatur mit der dazugehörigen Kommandowirtschaft durch das Zwangssystem des Kapitalismus [...] einzutauschen. Darüberhinaus weist die Frage aber auch auf einen Begriff von Gesellschaft hin, der gelinde gesagt, unter aller Kanone ist. Der Zug fährt auf stählernen Gleisen, die haben wir selber gelegt.
Ausblick Es ist das Wahrwerden des Traums von Saddams Regime, daß sich europäische Friedensbewegte seine ureigenen Forderungen auf ihre Fahnen schreiben. so das Credo verschiedener Gruppen irakischer Oppositioneller im vergangenen Jahr.(11) Leider lässt sich schon heute absehen, dass sie Recht behalten. Die deutsche Zivilgesellschaft demonstriert für einen Frieden im Irak, der so beschissen ist, dass man ihn noch nicht mal jenen Demonstranten wünschen will. Die deutsche Linke schmiedet fleißig an der Volksfront gegen den imperialistischen Aggressor USA und pseudokritische Friedensheinis, die nicht verstehen, was am US-Kapitalismus besser sein soll, als am irakischen Bathismus, labeln sich auch noch antideutsch.(12) Eigentlich sollte man sprachlos sein, andererseits ist das alles auch nicht wirklich neu. Jetzt wird er tugendhaft, nur um Anderen wehe damit zu thun. Seht nicht soviel nach ihm hin! Was Nietzsche in der Morgenröthe sagte, ist wahr und falsch zugleich: Mürbe macht die Omnipräsenz der Blödheit und doch findet sich nur in ihrem Anblick die Kraft, sie zu bekämpfen. November 2002 Antideutsch-Kommunistische Gruppe Leipzig Kontakt: akg-leipzig@inbox.lv Fußnoten: (1) AKA[M], Antideutsch Und trotzdem gegen Krieg, in: incipito Nr.3, Leipzig, Oktober 2002, S.20-21. (2) Horheimer/Adorno, Dialektik der Aufklärung, Frankfurt a. M., 1971, S.154. (3) Nicht mitgezählt sind jene, die in der Zeit zwischen Putsch der Bathisten 1968 und der Präsidentschaft Husseins ab 1979 umkamen oder vertrieben wurden. (4) Nach bathistischer Ideologie sind das muslimische Nicht-Araber, deren einziges Ziel es sei, den wahren Islam und die Pan-Arabische Idee zu bekämpfen. (5) Osten-Sacken/Fatah, Saddam Husseins letztes Gefecht?, konkret texte 33. (6) Ebd. (7) Ebd. (8) Adorno, Negative Dialektik, S.155. (9) Natascha Wilting, Psychopathologie des Islam, Bahamas Nr.38. (10) Dabei war für den NS gerade signifikant, dass marktwirtschaftliche Rentabilität, Grundprinzip kapitalistischer Gesellschaftlichkeit, ihre Stellung als Entscheidungskriterium einbüßte. Es zeigte sich in der Vernichtung von Juden der wahnsinnige Versuch der negativen Aufhebung des Kapitalverhältnisses. (11) www.wadinet.de/News/nw71_offenerbrief.htm Hinweis durch Andrea Woeldike in Saddam Husseins letztes Gefecht?, hrsg. Osten-Sacken/Fatah, konkret texte 33. (12) AKA[M]: Eine weitere Frage, die es zumindest zu stellen lohnt, wäre, ob es für eine antikapitalistische Linke überhaupt tragbar ist, zu fordern das Zwangssystem einer arabischen Militärdiktatur mit der dazugehörigen Kommandowirtschaft durch das Zwangssystem des Kapitalismus [...] einzutauschen. Und noch so eine wichtige Frage fällt uns ein: Kann eine antikapitalistische Linke überhaupt die Luftangriffe der Alliierten auf Deutschland tragen? Schließlich wurde da auch nur irgend so ein Zwangssystem durch ein anderes ersetzt. |
|