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CHOKEBORE


Ein Übermaß an Pessimismus ist wohl nichts Anderes, als die Zeichen der Zeit richtig zu deuten...


Chokebore, 23.6k Als Kulturschaffender im weitesten aller Sinne ist das Dasein ernüchternder denn je, zumal einstig scheinbare und vielfarbige Auswege aus der gesellschaftlichen Misere schon lange kein ernst zunehmender Antrieb mehr sein können – setzt man ein Maß an kritischem Verhältnis zum Bestehenden voraus und vor allem dieses so hoch, wie es „subkultureller“ Anspruch und Konsens wohl mal vorgab zu tun. Es ist der Klang eines mehr als berechtigten Kulturpessimismus, der dennoch jener geprägten unerklärbaren Überzeugung zwiespältig gegenüber steht, irgendwie doch das Richtige zu tun. Dieses reflexartige Bedürfnis, eben doch noch etwas bewirken zu wollen, muss deshalb hier rein logisch als übrig gebliebener Antrieb vieler geltend gemacht werden. Aufgrund seiner Abstraktheit braucht er (der Antrieb, schlussfolgernd aus ihr, der Überzeugung) jedoch keinerlei Argumente. Er würde sich damit doch nur selbst entlarven und in Frage stellen.
Wieso nun muss oder besser darf hier CHOKEBORE für derartiges herhalten? Keine Ahnung! Geht es erst einmal um eine Konzertvorankündigung, stellt sich standesgemäß die Frage nach der Band. Wo kommt sie hin, wo will sie her? Gibt es Referenzen in welcher Form auch immer zu verweisen, oder ist am Ende namedropping der vergleichenden Art und Weise der Schlüssel zum Erfolg einer effektiven Promotion? Doch halt, wahrhaft langweiliger als eine Konzertankündigung mit allen Standards kann wohl nur das Schreiben gerade über entsprechende Seitenfüller sein.
Konnte in Zeiten eines lebendig geglaubten rosaroten Mikrokosmos mit ruhigem Gewissen verkündet werden, wie besonders z.B. diese und jene kulturelle Veranstaltung werden wird (begründet meist aufgrund subversiv anmutender Parallelwelten zwischen den zu veranstaltenden Acts und dem eigenen sozialen Umfeldgemütszustand), bleibt zum Einem oft nur noch dem Genannten tränenlos nach zu weinen. Andererseits wird sich in Erinnerung des Mythos’ auch noch der letzte Finger leer gesaugt, indem anhand des Beispiels einer „selbstbestimmten“ Band die Realität außer Kraft gesetzt werden soll und damit nicht erkannt werden will, dass ohne Brille vielleicht viel mehr zu sehen sei. Somit fällt die Wahl, die es nicht gibt, nicht schwer und es kann nur noch ausschließlich aus einem Gefühl heraus gehandelt werden, welches sich schon auf ein rein ästhetisches reduzieren lässt. Aber nur mit dem Wissen der unumgänglichen Verwertbarkeit dessen wird es erst zu einem authentischen Gefühl. Anstatt sich also auf einer einfachen Independent-Position auszuruhen, die nur noch Hand und Fuß als Hologramm zu sein scheint, muss und kann damit eine bewusste Kultur auch bewusst präsentiert, produziert, verkauft und veranstaltet werden und sei es nur als Vorgabe für die Chance, mit heißem Scheiß dem elenden Arbeitsleben zu entfliehen. Alles andere verpufft im Backstage des Marktes, dem nichts lieber sein kann als ein ausgeprägter Pluralismus mit all seinen Facetten an Meinungen und Aussagen.
Chokebore sind ein Delphin, wollte man blöderweise das Leben als ständige Bootsfahrt über die langweilige Nordsee begreifen. Denn schaut man auf den Weg der kurioserweise ursprünglich aus Hawaii stammenden, recht klassischen Noiserock/Indieband zurück, hinterlässt dieser Blick das bekannte, oben beschriebene Gefühl, sich selbst und die eigene Rolle wenig ernst zu nehmen. Chokebore-Platten und Konzerte, die man als mehr oder minder interessierter Gitarrenfan über die Jahre oft vergaß, um sie jedes Mal neu zu entdecken – manchmal sogar intensiver als jedes wirklich neue Album oder Konzert der Band –, möchte man einfach der längst verkauften Wirklichkeit entgegenschleudern.
Sie verkörpern eine verrückte und verdammt coole Art der Melancholie, beständig auf und abtauchend und immer authentisch, so weit Authentizität noch möglich scheint. Und sie schaffen es nach wie vor mit einer unglaublich unbeständigen Präsenz immer in den richtigen Momenten aufzutauchen, ohne dabei vorzugeben, wirklich hilfreich zu sein. Genau darum sollten Chokebore immer noch ein Teil des Soundtracks zur Auseinandersetzung sein.
Denn erst mit dem Bewusstwerden der Beliebigkeit, der Ersetzbarkeit original schimmernder Einzigartigkeit der gelebten Styles, kommen wirkliche Goldgruben zum Vorschein. Diese wiederum auf das Ergebnis aus purer Kreativität oder Innovation zu reduzieren, wäre fatal und ungenügend, zumal derartige Kriterien erst anhand von Cabinet und Vodafone ihrem Wa(h)ren Sinn gerecht werden. Eher geht es darum, ein Empfinden für die eigenen, in Melodie und Lied verpackten inneren Widersprüche zu entwickeln und danach dennoch zufrieden, mit einer Art peinlich-seligem Lächeln auf dem Gesicht, nach Hause zu wandeln.

James


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last modified: 28.3.2007