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review corner Film, 1.4k

„...man darf nicht mit Steinen werfen...“

Filmplakat, 27.9k
Francois Ozon: 8 Frauen, Frankreich: 2002

Über 8 Frauen, 8 Diven, 8 Charaktere und 8 Verdächtige.

Es ist ja immer so eine Sache mit Verfilmungen von Theaterstücken, das weiss man spätestens seit dem unsäglichen „Shakespeare’s Romeo und Julia“ mit Babypogesicht DiCaprio und dem ultimativen Verzweiflungs-Vorzeigeteenie Danes. Doch diesmal war der Griff ins Klo ein beherzter und Francois Ozon zauberte mit bekannten doch keinesfalls schlechten Zutaten nach einer Vorlage von Robert Thomas einen wunderbar schrulligen Film, ganz im Stile der 60/70er Rate-Krimis.
Die gesamte Handlung spielt sich in einem alten verschneiten Herrenhaus, abgeschnitten von der Außenwelt, im Frankreich der 50er Jahre ab. Es ist Weihnachtszeit und da trifft sich bekanntlich die gesamte kaputte Familie zum alljährlichen „Fest der geistigen Unzulänglichkeiten“ (Volker Braun), um mal so richtig heile Welt zu spielen. Kennt jeder, muß man nicht unbedingt viele Worte drüber verlieren. Kurzum, der Hausherr, übrigens einziger männlicher Darsteller des Films, wird tot aufgefunden, hinterrücks ermordet. Als Verdächtige kommt nach einigen Überlegungen nur eine der besagten 8 Frauen in Frage. Jede von ihnen verkörpert einen anderen Typus Mädchen oder Frau – und von verknöcherter Moralistin bis zum hemmungslosen Vamp ist alles dabei. Die Weichen sind also gestellt und der Zug fährt zielgerichtet entlang den Schienen einer sich mehr und mehr entfaltenden Tragödie, angewürzt mit einem ordentlichen Schuß schwarzen Humors. Jede mißtraut jeder und dunkle Geheimnisse werden aus dem Schatten des Schweigens emporgeholt. Selbstverständlich dürfen alle, dem französischen Chansontheater nachempfunden, ein Liedchen trällern, welche mit Sicherheit unter unverschämt schlechten Übersetzungen zu leiden haben. Jede von ihnen besitzt ein stichhaltiges Motiv, um zumindest in den Mord verwickelt zu sein. Wer Filme wie „Das Haus am Hügel“ kennt, hat eine ungefähre Ahnung davon, wie dieser Film endet, orientiert er sich doch sehr stark, zumindest was die kriminalistische Entwicklung anbelangt, an eben diesem. Soviel zur Handlung, die auf jeden Fall eine spannende ist und für Nichtkenner besagten Ein Haus-Ein Mord-Acht Verdächtige-Genres manch unerwartete Überraschung bereithält.
Was diesen Film nicht so alltäglich macht, sind die wundervollen, schon fast zynischen Details. Der Regisseur hat keine Angst vor krassen Brüchen und setzt sie, wo immer es die Handlung hergibt – fast schon ein bißchen zuviel des Guten. Doch die zauberhaften Schauspielerinnen, ihren Rollen völlig ergeben, sind das eigentliche Highlight dieser Produktion. Die Charaktere sind so überzeichnet dargestellt, das es eine wahre Freude ist, sie in den jeweiligen Situationen zu verfolgen. Der Großteil des Publikums erfreut sich an den nicht gerade spärlich gestreuten humorvollen Einlagen, kostet diese voll aus und lacht von ganzem Herzen. Wahlweise über sich selbst, irgendeine Bekannte oder die Mutter. Der kleine Rest schmunzelt, aufgrund der, wenn auch oft überzeichneten, Parallen zu Frauen im „wirklich unwirklichen Leben außerhalb der Filmvorführung“ (Henry Miller) und ergötzt sich am fantastisch penibel inszenierten Detail. Die einzelnen Identitäten sind brilliant vorherbestimmt, sowohl durch Film und durch die „ultimative Blaupause menschlichen Lebens“ (André Breton, er meint hier Gesellschaft) sowieso. Jede der Frauen gibt sich im Verlauf der Handlung durch ihr jeweiliges Ständchen preis, ganz gleich ob jugendlicher Esprit oder der sehnliche Wunsch nach Geborgenheit. Durch die Mischung von Chanson, Kriminalfall und schonungslosem Humor entstand ein wirklich unterhaltsamer Film, der eine ungemeine Bereicherung für abendliche Videosessions im „Freundeskreis“ (Schunkel-HipHop-Crew) darstellt. Unter meinen persönlichen Top-Filmen rangiert er sicher nicht, dennoch versteht er es einen ungeheuren Charme zu versprühen, dem man sich einfach nicht entziehen kann.
An dieser Stelle möchte ich nochmal die Rolle der wunderschönen Emmanuelle Beart hervorheben, welcher der Part des jungen Hausmädchens zugedacht wurde. Eine wunderbar sarkastische und verbitterte junge Frau mit soooo unglaublich süßen Sommersprossen, wie ich sie nie zuvor sah. Der Kinobesuch hat sich allein aufgrund der Szene gelohnt, in der sie sanft ihr Haar öffnet und es ein zarter Hauch von Wärme in ihr Gesicht gleiten läßt. Ein ästhetisches Highlight des französischen Films. Na ja, das wäre vielleicht ein wenig übertrieben, aber dennoch „Süß wie Honig“ (Rocko Schamoni).

Schlaubi


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last modified: 28.3.2007