"A Boy named Sue Johnny Cash Revisited".
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Ein Aufruf an alle friedliebenden Punker: Tanzt zu amerikanischem Country
anstatt zu deutschem Schlager!
Einen Tonträger von besonderer Güte und Relevanz sollte ich in
dieser Rubrik monatlich vorstellen, und man könnte meinen, dieses
sei eigentlich eines der einfacheren Dinge. Denkste. Das Angebot ist riesig,
persönlicher Geschmack oft entscheidend und welche Themen der geneigte
Leser so spannend findet, weiss auch keiner. Schaut man sich zum Zwecke der
Feldforschung in den Clubs um, die sich als halbwegs politverbunden definieren,
wird einem bei den Konsumgewohnheiten der Leute in muskalischer Hinsicht eher
schlecht, jedenfalls wenn es um die vielgerühmten niedrigschwelligen
Angebote geht das Niveau geht dort meist über das von
Landgasthöfen kaum hinaus. Retrokultur vom schlimmsten, stellenweise
jedenfalls. Es ist schon merkwürdig, nachts im Zoro kleine Punker zu
deutschem Schlager abhotten zu sehen oder zu den unvermeidlichen 80er
Samplern einen vollen Dancefloor zu haben. Nun gut, aber
rückwärtsgewandte Hörgewohnheiten müssen nicht
zwangläufig dort angesiedelt sein, womit wir bei meinem monatlichen
Tonträger-Highlight angekommen wären, A Boy named Sue
Johnny Cash Revisited, eine Art Hommage zum 70ten des grossen, alten
Mannes des Country, auch wenn mir dafür wieder das Ausleben
persönlicher Liebhabereien unterstellt werden wird. Country ist weder per
se reaktionär, noch so eine Art Volksmusik, vielmehr finden sich hier die
Einflüsse verschiedenster Einwandergruppen und kultureller Einflüsse
(zwangsläufig in einem Einwanderungsland wie den den USA) und das ist
schon mal eine Tradition, derer man sich annehmen kann. Johnny Cashs
musikalische Entwicklung beginnt 1951 in Landsberg, mit einer Band aus GIs
und in jenem Jahr und an jenem Ort vollstreckten die Allierten die
letzten Todesurteile an Nazikriegsverbrechern. Die weitere Geschichte
lässt sich übrigens ganz ordentlich mit Hilfe des gleichzeitig
erschienenen Buches The Beast in me, Johnny Cash und die seltsame und
schöne Welt der Countrymusik nachvollziehen. Das Album enthält
19 mehr oder weniger gelungene Adaptionen von Cash Songs unterschiedlichster
einheimischer Interpreten. Etwa bei der Hälfte der Songs gelang es, die
Vorlage in eine eigene musikalische Sprache zu übersetzen und der Rest
geht als anständige Cover-Version durch. Die eigenständigste Hommage
liefert Bernadette La Hengst ab, die sich auf den titelgebenden Song, sowie auf
einen Aufsatz der Journalistin Teresa Ortega bezieht, welche Mr. Cash ob dieses
Songs zu einem lesbian icon erklärte Ein
Mädchen namens Gerd. Die Liste der Beteiligten enthält unter
anderm Namen wie Tilman Rossmy, Wiglaf Droste und Shades of Blues, einem der
unzähligen Notwist-Sideprojekte.
A Boy named Sue Johnny Cash revisted ist erschienen bei
Trikont/Indigo. Kay
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