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Empire: die neue Weltordnung? | |||
Bereits vor zwei Jahren erschien das Manifest namens Empire von Michael Hardt und Antonio Negri in englischer Sprache und wirbelte viel Staub auf. Nun hat sich in Deutschland der Campus-Verlag die Rechte gesichert und in vielen Buchhandlungen wird das über 400 Seiten starke Werk als das Buch zur neuen Weltordnung angepriesen. Ist es das wirklich, oder sollte sich der Staub so schnell wie möglich wieder über Empire legen?Wer hofft, bei Hardt/Negri endlich mal konkret nachlesen zu können, was es eigentlich nun mit der Globalisierung, über die alle reden, auf sich hat, wird entttäuscht werden. Das Buch bietet kaum nachvollziehbare Analysen der globalen kapitalistischen Herrschaftsverhältnisse; und wenn es denn mal analytisch daherkommt, dann höchst ungenau und widersprüchlich.Im ersten Teil des Buches geht es darum, die neuen Herrschaftsformen zu skizzieren. Die neue Weltordnung, die erst seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion wirklich eine Weltordnung ist, so meinen Hardt/Negri, wird nicht mehr über Nationalstaaten definiert, sondern ist die Weiterentwicklung der Idee der vereinten Nationen. Da es nur noch ein Empire gäbe, sei Politik im Empire gleich Innenpolitik. Militärische Interventionen seien nicht mehr Kriege im traditionellen Sinne, sondern polizeiliche Interventionen, um die universellen Werte des Imperiums durchzusetzen. Der Begriff des Imperiums bleibt bei Hardt/Negri jedoch unbestimmt. Eine globale Vereinheitlichung der Herrschaftsverhältnisse, die die Metapher Empire nahelegen würde, können Hardt und Negri jedenfalls nicht nachweisen. Das Empire wird in einer Dimension dargestellt, die Brüche und Konflikte im globalen Kapitalismus ausblendet. Der Glaube, im Neoliberalismus würde der Nationalstaat endgültig verschwinden, ist genauso illusorisch wie der alte Glaube des Liberalismus, ohne den Staat auskommen zu können. Das Kapital kann sich nicht selbst regulieren, da es in permanenter Konkurrenz zueinander steht. Die Existenz des Empires bedeutet im Gegensatz zu den Thesen von Hardt/Negri keineswegs eine grundsätzliche Schwächung oder gar Auflösung der Nationalstaaten und schon gar nicht bildet sich ein diffuses politisch-ökonomisches Netzwerk ohne definierbares Machtzentrum heraus. Das komplexe Geflecht konkurrierender und kooperierender Staaten bestimmt immer noch wesentlich die politischen Prozesse. Dies schon deshalb, weil das dominierende transnationale Kapital sich sehr wesentlich auf das bestehende Staatensystem und die von ihm erzeugten ökonomisch-sozialen Differenzen stützt, auch wenn es den einzelnen Staaten insgesamt unabhängiger gegenübertritt und seine Standorte flexibler wählen kann. (vgl. dazu Joachim Hirsch: Globalisierung und Terror, 2001) Wenn die Autoren behaupten, die kooperative Hegemonie der Nationalstaaten sei im Verschwinden begriffen, stellt sich doch gleichzeitig die Frage, wie das Imperium politisch denn nun aussieht. Glauben Hardt/Negri tatsächlich, die politische Form des Kapitalismus würde überwunden werden? Eine detaillierte Antwort bekommt der/die LeserIn nicht. Die These, daß sich Souveränität in der Globalisierung grundlegend verändert habe, ist durchaus interessant, aber es handelt sich um die Veränderung von staatlicher Souveränität. Wenn Hardt/Negri aber von staatlicher Souveränität reden, entsteht der Eindruck, daß dieser Begriff, der beständig politische Debatten prägt, schon immer fragwürdig war. Doch ein klar getrenntes Außen und Innen, wie Hardt/Negri unterstellen, hat es in diesem Sinne nie gegeben. Mächtige Staaten haben schon immer in nachgeordnete Staaten hineinregiert. Was die Instabilität und Krise der weltweiten Herrschaftsverhältnisse angeht, vergessen die Autoren völlig, daß die Schwäche des kapitalistischen Weltsystems gleichzeitig auch seine Stärke ist, denn ohne Dynamik und permanente Veränderung hätte es nie solange bestehen können. Die Frage, ob sich der Kapitalismus in einer Krise befindet, bleibt umstritten. Hardt/Negri beziehen sich in ihrer Darstellung immer wieder positiv auf die revolutionären Kämpfe des 19. und 20. Jahrhunderts. Für sie sind diese eine neue Qualität sozialer Bewegung, die über grundlegend neue Charakteristika verfügen: Zum ersten springen alle Kämpfe, obwohl sie in lokalen Verhältnissen fest verankert sind, sofort auf die globale Ebene und greifen die Konstitution des Empire ganz allgemein an. Zum zweiten zerstören all diese Kämpfe die traditionelle Unterscheidung zwischen ökonomischem und politischem Kampf. Sie sind gleichzeitig ökonomisch, politisch und kulturell es sind biopolitische Kämpfe, ihr Einsatz ist die Lebensform. (Hardt/Negri: Empire, 2002, S. 69) Dabei scheinen die Autoren jedoch zu vergessen, daß es sich bei einer Vielzahl dieser Kämpfe stets um nationale Befreiungskämpfe handelte. Diese Strategie nationaler Befreiung unter den herrschenden Bedingungen hat nicht nur keine materiellen und politischen Grundlagen mehr, sondern läuft prinzipiell Gefahr, das nationalstaatliche System und dadurch die mit diesem verbundenen Spaltungs-, Unterdrückungs- und Ausgrenzungszusammenhänge zu verstärken. Eine sozialrevolutionäre Bewegung wird nur dann erfolgreich sein, wenn sie strikt staatsunabhängig, autonom und international ist. Die MigrantInnenbewegungen seien ein elementarer Angriff auf das Empire, meinen die Autoren. Ausgeblendet wird dabei die Unfreiwilligkeit dieser Bewegung. Ein Gespenst geht um in der Welt, und sein Name ist Migration. Alle Mächte der alten Welt haben sich vereint und kämpfen gnadenlos dagegen an, aber die Bewegung ist nicht aufzuhalten... Die Grenzen nationaler Souveränität sind durchlässig wie ein Sieb, und jeder Versuch, die Migrationsbewegungen vollständig zu regulieren, scheitert am gewaltsamen Druck... (Hardt/Negri: Empire, 2002, S. 225) Massenmigration, so Hardt/Negri, sei für die Produktion notwendig geworden und zwar in größerem Umfang denn je. Empire reagiere dennoch mit Kriminalisierung. Die politische Forderung laute deshalb: global citizenship. Das Kapital solle endlich anerkenen, was es schon ausnutze. Nun mag die Forderung richtig sein, die Begründung jedoch ist haarsträubend. Weil es im Empire so ist, muß dies auch von ihm anerkannt werden. Perspektiven müssen sich aus dem Empire heraus legitimieren. Immanente Kritik schlägt hier um in Positivismus. Denn die Durchlässigkeit der amerikanisch-mexikanischen Grenze ist kein Unfall, sondern Regulierung. Die Illegalität der sans papiers ist Voraussetzung ihrer Mehrwertproduktion: nämlich die daraus folgenden Hungerlöhne in den sweatshops. Dies ist zwar auch auf ein Scheitern der Regulierung zurückzuführen, aber nicht derart, daß sie in Frage gestellt würde. Die Forderung ans Kapital, die Nützlichkeit der Unerwünschten zu akzeptieren, ist eine ökonomistische Begründung, bei der nicht der/die Einzelen im Vordergrund steht, sondern ihre Verwertbarkeit. (vgl. Jens Wissel/Sonja Buckel: Age of Empire?) Ging es im zweiten Teil um die Passagen der Souveränität, nähern sich Hardt/Negri nun im dritten Teil ihrem eigentlichen Lieblingsthema, den Passagen der Produktion, das sich ihrer favorisierten Theorie der immateriellen Arbeit widmet. Nachdem die moderne Industriegesellschaft zu Ende gehe und die postmoderne Informationsgesellschaft angebrochen sei, veränderten sich auch die Arbeitsverhältnisse. Der Massenarbeiter der fordistischen Fabrik wird als hegemoniale Figur abgelöst durch den gesellschaftlichen Arbeiter mit schier unbegrenzten kommunikativen Fähigkeiten, hoch mobil und flexibel und mit enormer sozialer Kompetenz. Hardt/Negri betonen, daß die industrielle Produktion nicht verschwindet, aber durch die informatielle Revolution transformiert werde zu einer hybriden Ökonomie, verteilt über den ganzen Globus. Da alles produktive Arbeit sei, wäre es unmöglich, diese zu messen, weil Kreativität und Kooperation nicht auf ihre Meßbarkeit reduziert werden könnten. Die Forderung nach einem gesellschaftlichen Lohn, der jede Aktivität bezahlen solle, die für die Produktion des Kapitals notwendig sei, erinnert stark an die seit einiger Zeit in der Diskussion stehende Forderung nach dem sogenannten Existenzgeld. Sie korrespondiert mit der Tatsache, daß postfordistische Arbeitsverhältnisse immer prekärer werden, daß Lohnarbeit immer weniger zur Reproduktion der Arbeitenden und Arbeitslosen angetan ist. Empire ist kein Buch, daß mensch unbedingt gelesen haben muß. Es gibt weitaus Spannenderes zum Thema. Es sei auch angemerkt, daß Wertkritik und theoretische Diskussionen über kapitalistische Systeme immer aus mehreren Perspektiven betrachtet werden müssen. Dann wäre Hardt/Negri vielleicht aufgefallen, daß es kaum antikapitalistische Aufstände gab, in denen nicht ein antisemitisches Element als personifiziertes Kapital mitgedacht wurde. Das ist das eine, das andere ist die fast permanente Arroganz, über real existierende nationalistische und rassistische Konflikte, die weltweit zunehmen, einfach hinwegzuschreiben. Die derzeit erfolgende Desorganisation der Welt, die sich in wachsenden ökonomisch-sozialen Ungleichheiten auf nationaler und internationaler Ebene, der Marginalisierung ganzer Weltregionen, der Fragmentierung und dem Zusammenbruch von Staaten mit den damit verbundenen bürgerkriegsartigen Konflikten äußert, ist die Folge neoliberaler Deregulierungspolitik. Die zunehmende Welle von Rassismus, Nationalismus und Fundamentalismus ist eine Folge davon. Politische Führung wird in einer ökonomisch, sozial und politisch desorganisierten Welt durch das Diktat von Ökonomie und Gewalt ersetzt. Die herrschende politische Klasse scheint in keiner Weise wahrzunehmen, welche Anforderungen die neue Weltordnung politisch tatsächlich stellt. Statt über ein aus diffusen politisch-ökonomischen Netzwerken bestehendes Empire zu spekulieren, sollte also besser von einer grundlegenden Neustrukturierung imperialistischer Herrschaftsverhältnisse geredet werden, in denen die konkurrierenden Staaten als Gewaltapparate eine entscheidende Rolle spielen. (Joachim Hirsch: Globalisierung und Terror, 2001) Anne |
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