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Als Ausgleich für die verschobene Roswitha Scholz-Veranstaltung im Rahmen von „Arbeiten lassen“ dokumentieren wir auf Wunsch des Bündnis gegen Rechts den folgenden Text aus der iz3w.

Die letzte Kolonie

Frauenarbeit zwischen alter Subsistenz und neuer Verantwortungsethik.
Von Christine Parsdorfer

Nicht nur in der marxistischen Diskussion hat Arbeit einen zentralen Stellenwert, auch die ferninistische Debatte machte den Arbeitsbegriff zum Dreh- und Angelpunkt ihrer Theoriebildung. Gegen den Skandal, daß nur die männliche Lohnarbeit als produktiv analysiert wurde, setzte die Frauenforschung die Lebensproduktion. Damit übernahm sie ein zentrales Dilemma der von ihr ansonsten scharf kritisierten sozialistischen Bewegung: Nicht die Emanzipation von der Arbeit, sondern die Emanzipation durch die Arbeit steht im Vordergrund der Debatte über die Subsistenzarbeit.
Der Begriff Subsistenzarbeit wurde Anfang der 70er Jahre in kritischer Auseinandersetzung mit der Marxschen Arbeitswertlehre entwickelt, die in ihrer Konzentration auf den männlich gedachten Lohnarbeiter die Reproduktionsarbeit der Frauen weitgehend vernachlässigte. Ausgangspunkt der Kritik war die für kapitalistische Gesellschaften typische Trennung von Produktion und Reproduktion, durch die nur die marktförmige, wertschaffende Arbeit gesellschaftlich anerkannt wird. Haus- bzw. Subsistenzarbeit wird zur privat geleisteten, unbezahlten Arbeit aus Liebe und fällt vor dem Hintergrund der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung den Frauen anheim.
Subsistenzarbeit sollte als Begriff sowohl die Arbeit der Metropolenhausfrau, als auch die der Kleinbäuerin oder ledigen Slumbewohnerin umfassen und damit jede Form von Arbeit, die auf die Herstellung von Gebrauchswerten für den unmittelbaren Konsum der Haushaltsmitglieder gerichtet ist, also direkt in die Wiederherstellung (Reproduktion) dieser Menschen eingeht.(1) Der Begriff der Subsistenz brachte somit eine internationalistische Perspektive in die Metropolendiskussion, die um die Fragen kreiste, inwiefern Hausfrauen Mehrwert schaffen und ob deshalb die Forderung Lohn für Hausarbeit angemessen sei.
Darüber hinaus war Subsistenz ein kritischer politökonomischer Begriff, der die in marxistischen Theorien systematisch ausgeblendeten Formen der gesellschaftlichen Arbeit sichtbar machen sollte. Die natürliche Reproduktion wurde als Pendant zur warenförmigen Produktion und damit als Bestandteil der kapitalistischen Produktionsweise verortet. Gerade weil die Subsistenzarbeit nicht entlohnt wurde und keinen Mehrwert abwarf, sicherte sie dem Kapital einen Extraprofit, da so die Reproduktionskosten der Arbeitskraft zum Teil in die Privatsphäre externalisiert werden konnten. Ausbeutung war demnach nicht mehr nur für den Lohnarbeitsbereich bestimmend, sondern auch im familiären Idyll anzutreffen. Markt und Subsistenzproduktion waren zwei Seiten einer Medaille und bildeten die Grundlage der kapitalistischen Akkumulation.

Feministischer Materialismus

Für Furore sorgte aber nicht diese ursprüngliche Debatte, sondern deren Weiterentwicklung durch die sogenannten Bielefelderinnen Veronika Bennholdt-Thomsen, Maria Mies und Claudia v. Werlhof. In ihrem wohl bekanntesten Buch „Frauen, die letzte Kolonie“ (Reinbek, 1983) wurde die Subsistenzproduktion zum zentralen Begriff einer feministischen Gesellschaftstheorie. Es ging ihnen jedoch weniger um den Zusammenhang von Produktion und Reproduktion als um die Befreiungspotentiale, die in ihren Augen in der Subsistenzarbeit lagen und die hauptsächlich Frauen leisteten. Aus der politökonomischen Analyse wurde eine moralisch aufgeladene Revolutionstheorie: Subsistenzarbeit war nicht mehr notwendiges Übel einer auf dem Verkauf der Ware Arbeitskraft basierenden Gesellschaft. Sie wurde zur Grundlage für die Überwindung der kapitalistischen Männerwirtschaft.
Ganz im Zeichen der marxistischen Arbeitsmetaphysik legten die Bielefelderinnen den Grundstein für die Ausbeutung wie auch für die Emanzipation in der weiblichen Arbeit und ihrem spezifischen Gegenstandsbezug. Dieser sei durch die Lebensproduktion durch Geburt und Kinderaufzucht, Sammeln und Anbau von Lebensmitteln zur alltäglichen Versorgung geprägt, während der Mann durch seine Unfähigkeit, Leben zu produzieren, auf die gewaltsame Aneignung der Produkte der wahren Produzentinnen angewiesen sei. Da ihm das lebensspendende Element qua Natur fehle, müsse er zur Waffe greifen. Dieses Urmodell der Ausbeutung setze sich als ursprüngliche Akkumulation bis heute fort, wobei die offene Gewalt durch Ökonomie und staatliche Institutionen die strukturelle Gewalt ergänzt werde.
Damit war die Grundlage für eine neue feministische Krisentheorie gelegt. In dieser war nicht mehr der Widerspruch zwischen Lohnarbeit und Kapital, sondern der Antagonismus zwischen den Geschlechtern auf der Grundlage ihres differenten Arbeits- und Gegenstandsbezugs die Basis aller Ausbeutungsverhältnisse. Darüber hinaus wurden Anleihen bei Rosa Luxemburg gemacht. Diese hatte sich die Frage gestellt, wie die Kapitalakkumulation, die auf einer beständigen Ausweitung der Produktion beruht, mit der beschränkten gesellschaftlichen Konsumtionsfähigkeit kompatibel ist. Dieser innere Widerspruch des Kapitalverhältnisses war in ihren Augen nur durch die Ausdehnung des Kapitals in nicht kapitalistische Milieus lösbar. Damit verbunden waren zwei problematische Konsequenzen: zum einen wurde die Realisierung des Mehrwerts zum eigentlichen Problem der Kapitalakkumulation. Die Notwendigkeit zur Ausdehnung der Produktion, die selbst auch krisenhaft verläuft, blieb außen vor. Der Zusammenhang zwischen Produktion und Konsumtion, als den zwei notwendigen Bestandteilen der Kapitalakkumulation, wurde so zerrissen. Zum anderen vertrat sie die These, daß mit der Zerstörung dieser nichtkapitalistischen Milieus der Kapitalismus nicht mehr lebensfähig sei. Kapitalexport, billige Rohstoffe und weltweite Absatzmärkte sind jedoch keine Grundvoraussetzung kapitalistischer Profitmacherei, sondern ermöglichen Extragewinne, die das Kapital nur allzugerne einstreicht. Diese beiden problematischen Grundzüge der Luxemburgschen Analyse ließen die Bielefelderinnen in ihren Theorieentwurf einfließen. Die Hausarbeit in den Metropolen und die Subsistenzarbeit in der Dritten Welt traten an die Stelle der nichtkapitalistischen Milieus von Rosa Luxemburg. In ihren Augen lebte das Kapital von der ständigen unbezahlten Aneignung dieser Arbeiten und sei nur auf deren Grundlage überlebensfähig. Nicht der Lohnarbeiter, der immerhin seinen Lohn nach Hause bringen konnte, sondern die unbezahlte Hausfrau bildete deshalb das Paradigma der Ausbeutung (Werlhof) im Kapitalismus.

Subsistenzperspektive

Unterstellt wurde, daß auf dem Lohnarbeitsmarkt gerechter Tausch herrsche, während die Gewaftförmigkeit des Systems nur auf der Seite der Subsistenz zu Buche schlage. Daß beide Bereiche Teil eines untrennbaren Zusammenhangs bilden, wie er auch in der ersten Phase der Diskussion analysiert wurde, verschwand hinter der Mystifizierung der weiblichen Lebensproduktion.
War erst mal der neue Hauptwiderspruch zwischen Subsistenzarbeit und Kapital kreiert, knüpfte man die Befreiungsperspektive dann auch folgerichtig an die Neubewertung weiblicher Arbeit. In einer verallgemeinerten Subsistenzproduktion und durch regionale Autarkie sollten Last und Lust der Arbeit zusammenfallen, Arbeit und Freizeit eine untrennbare Einheit bilden. Technik geriet zum männlichen Teufelswerk, das einzig zur Unterdrückung und Ausbeutung von Frauen und Natur eingesetzt wurde. Statt für ein möglichst umfassendes Reich der Freiheit jenseits der notwendigen Arbeit, ging damit die Option klar in Richtung einer Ausweitung der Arbeit.
Die Konsequenzen dieser feministischen Utopie führt uns Veronika Bennholdt-Thomsen in einer Studie über Frauen in Juchitän, einer kleinen Stadt in Südmexiko, eindrucksvoll vor.(2) Hier konnte sich in ihren Augen eine Oase des Matriarchats entwickeln, weil sich die Subsistenzorientierung durchgesetzt habe. Frauen hätten dort als Händlerinnen und Betreiberinnen des Marktes eine starke ökonomische Stellung. Kommen jedoch die Frauen einmal selbst zu Wort und erzählen aus ihrem Alltag, bleibt vom feministischen Idyll wenig übrig. Erzählt wird von einem zwölf Stunden Tag; von elfjährigen Mädchen, die sich dafür entscheiden, lieber Tortillas zu backen, als die Schulbank zu drücken, um auch noch den Großvater über Wasser zu halten. Die Männer legen unterdessen die Hände in den Schoß oder widmen sich der großen Politik.
Inzwischen haben Bennholdt-Thomsen, Mies und Werlhof eigens ein Institut für Theorie und Praxis der Subsistenz gegründet. In einem Informationsblatt wird noch einmal deutlich, wohin die Reise gehen soll: „Subsistenz als das, was notwendig ist für ein zufriedenes und erfülltes Leben, im Gegensatz zu Gewinnstreben, Konkurrenz, Konsumismus und Umweltzerstörung soll gefördert, die weitere Abkehr von der männlichen definierten Lohnarbeit vorangetrieben werden. Unter Subsistenzperspektive verstehen wir eine Umorientierung bezüglich der Ziele des Wirtschaftens und bezüglich der Werte, die damit verbunden sind, auf genau jene alltäglich und überall praktizierte Überlebensproduktion, die sich unter den Bedingungen der Maximierungswirtschaft nicht entfalten kann.“
Jedoch läßt sich gerade in hochentwickelten kapitalistischen Ländern eine autarke Lebensweise jenseits von Geldeinkommen kaum vorstellen. Vielmehr unterwirft die Illusion vom individuellen Systemausstieg die Frauen einem noch stärkeren Arbeitszwang: Im Namen der Befreiung sollen sie nicht nur Marmelade kochen und Schrebergärten anlegen, nein sie müssen auch noch für ein ausreichendes Geldeinkommen sorgen, auf das in diesem System niemand verzichten kann, es sei denn, die Betreffende wird großzügig von einem männlichen Versorger alimentiert oder gehört zur neuen Erberinnengeneration.

Feminisierung der Verantwortung

Stellte die Diskussion der 70er und 80er Jahre noch systemkritisch die Frage nach der Grundlage der Geschlechterhierarchie, so reiht sich die feministische Diskussion heute in die Phalanx der Zivilisierungstheorien ein, die implizit nichts anderes mehr fordern, als den Kapitalismus doch ein wenig wohnlicher zu gestalten. Beispielhaft für diese Entwicklungen steht die Position von Brigitte Hasenjürgen.(3) Der Feind hat in ihren Augen seine klaren Konturen verloren, weder Kapital noch Patriarchat könnten heute Bezugsgrößen der Frauenforschung sein. Nicht mehr der Grundlage geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung werde deshalb nachgegangen, sondern die neuesten Forschungen analysieren die Frage, ob und unter welchen Bedingungen Modernisierungsprozesse existenzsichernde Reproduktionsmöglichkeiten für Frauen mit unterschiedlicher sozialer und kultureller Position bereitstellen. Aus der kapitalistischen Inwertsetzung werden dabei wieder ganz neutral Modernisierungsprozesse, bei denen geschaut wird, daß die Frauen auch ein Stückchen vom Kuchen abbekommen.
Vehement wird dabei gegen zeitdiagnostische feministische Topoi wie „Die Entwicklung wird auf dem Rücken der Frauen ausgetragen“ angeschrieben. Die Frauen seien nicht mehr die Opfer der Entwicklung, sondern deren Trägerinnen. Hand in Hand mit dem BMZ(4), das immerhin schon mit dem Slogan warb: „Frauen werden nicht gefragt. Aber sie sind die Antwort.“, entdeckt die Frauenforschung die Produktivkraft Frau.
Diese Entwicklungen vollziehen sich vor dem Hintergrund der neoliberalen Wirtschaftsmodelle, die weltweit zum Rückgang der formalen Beschäftigung, zu Reallohnabbau, zur Verringerung von Lebensmittelsubventionen und Sozialleistungen geführt haben. Der wachsende Arbeitsanfall, der zum Krisenmanagement notwendig ist, wird den Frauen zugeschoben. Gesetzt wird auf die weiblichen Tugenden wie Sparsamkeit und Resteverwertung. Gerade von ökofeministischer Seite, zu der inzwischen auch Maria Mies zählt, wird dieser Tugendkatalog noch ergänzt: Grundlage ihres Denken ist eine weibliche Fürsorgeethik. Eigenschaften des Sorgens und Hütens, der Selbstlosigkeit und des Sich-Aufopferns, die dazu prädestinieren, ein neues Zivilisationsmodell jenseits patriarchaler Naturausbeutung auf den Weg zu bringen. Daß diese Konzepte in Zeiten leerer Staatskassen gerne aufgegriffen werden, muß nicht betont werden. Die hausfraulichen Fähigkeiten werden so zu Puffern, um sowohl die ökologische als auch die ökonomische Krise zu meistern. Das empowerment führt so nicht zu einer Stärkung der gesellschaftlichen Stellung von Frauen, sondern zu einer Feminisierung der Verantwortung, die die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung zementiert.
Heute kann es nicht mehr darum gehen, sich herumzustreiten, ob die Reproduktionsarbeit produktive Arbeit im Marxschen Sinn ist und auf dieser Grundlage das revolutionäre Potential der Lebensproduktion zu bestimmen. Und auch die Theorie Rosa Luxemburgs, auf die sich gerade die Subsistenztheoretikerinnen beriefen, derzufolge der Kapitalismus auf die kontinuierliche Ausbeutung nichtkapitalistischer Milieus angewiesen ist, hat sich nicht nur angesichts der globalen kapitalistischen Durchdringung als Traum von gestern erwiesen. Nichtsdestotrotz reicht es nicht, aus dem Opfer Frau eine Mittäterin zu machen, wie es heute en vogue ist.
Will man sich nicht nur mit Schönheitsreparaturen bzw. der Adelung weiblicher Tugenden begnügen, bleibt die Frage der geschlechtshierarchischen Arbeitsteilung und die Trennung in produktive Lohnarbeit und unproduktive Arbeit aus Liebe auf der Tagesordnung. Das wäre aber in letzter Konsequenz nicht mehr und nicht weniger als die Aufhebung der kapitalistischen Vergesellschaftung, die eben auf dieser Trennung von Produktion und Reproduktion beruht und die Nichtanerkennung der meist von Frauen geleisteten Reproduktionsarbeiten begründet. Erst dann wäre auch das Persönliche über die ordentlich durchgeführte Mülltrennung hinaus politisch.

Anmerkungen:

1 Ilse Lenz: Liebe, Brot und Freiheit, Zur neueren Diskussion um Subsistenzproduktion, Technik und Emanzipation in der Frauenforschung, in: Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis, Köln 1988, S. 168.
2 Veronika Bennholdt-Thomsen (Hg.): Juchitan, Stadt der Frauen, Reinbek 1994
3 Brigitte Hasenjürgen/Sabine Preuss (Hg.): Frauenarbeit Frauenpolitik, Münster 1993
4 Seit 1986 ist die Frauenförderung zu einem Schwerpunkt des BIVIZ geworden. Als Maßnahmen zur Erreichung der Selbstbestimmung werden jedoch einzig die Förderung aller Funktionen sowohl im sozialen und familiären Dienstleistungsgewerbe und im Handel genannt. Wohin der Hase läuft ist klar: Frauen sollen nicht nur die Reproduktionsarbeiten leisten, sondern auch noch stärker Einkommen schaffen. Statt der Aufhebung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung bleibt so alles beim Alten: Nur daß jetzt die Frauen auch noch ihr Scherflein zum Familieneinkommen beitragen sollen.



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last modified: 28.3.2007