Herr Levi, Angestellter für Öffentlichkeitsarbeit an der israelischen
Botschaft, hat am Montag den 7.1.02 an der Universität Leipzig eine
Veranstaltung namens Israel und der Nah-Ost-Konflikt: Neue
Perspektiven im Rahmen der Reihe Weltpolitik Terror
Intervention gehalten. Die geschichtlichen Fakten die ich in dieser
Rezeption der Veranstaltung wiedergeben werden beziehe ich hauptsächlich
aus seinem Vortrag, die Verweise auf die Linke und derzeitige Ereignisse sind
von mir eingeflochten.
Levi hat eingangs gleich betont, dass Israel seine Heimat ist, und das er daher
in dem Konflikt zwischen Israel und Palästinensern, in dem es auch um die
Existenz Israels ginge, für Israel Partei ergreife. Besonders
erschütternd sei für in die Berichterstattung europäischer
Medien, die sehr viel geschichtliche Fakten und aktuelle Tatsachen ausblenden
und meist gegen Israel argumentieren. Dieser antiisraelischen Tendenz in der
europäischen Öffentlichkeit will er mit seiner
Öffentlichkeitsarbeit entgegenwirken.
Camp David
Israel sei gerade ein trauriges Land, weil viel Hoffnung in den
Friedensprozess gesetzt wurde, der leider im Juli 2001 gescheiter sei.
Damals fand im Camp David eine Friedensverhandlung zwischen Israel,
Palästinensern und der vermittelnden amerikanischen Delegation unter der
Leitung des damaligen Präsidenten Clinton statt. Israel bot einen Abzug
aus 88 Prozent des Westjordanland an. Im Verlaufe der Verhandlung erhöhte
Israel unter Leitung des Außenministers Shlomo Ben-Ami dieses Angebot auf
97 Prozent und bekundete zusätzlich die Bereitschaft, die
Souveränität Jerusalems (inklusive der Altstadt) zu teilen. Die
Antwort der Palästinenser auf dieses Angebot war Nein.
Im Camp David (Juli 2001) gab es wohl zwei Schwierigkeiten. Die erste war, dass
Arafat und seine Delegation die Delegation Baraks auflaufen lassen hat. Sie
haben selber keine Angebote gemacht und die sich ständig erweiternden
Angebote der israelischen Administration immer wieder verneint. Für die
Israelis war es ab einem bestimmten Punkt unmöglich, weitere Angebote zu
machen, weil die Palästinenser mit ihrer Stummheit und Neinsagererei die
Verhandlungen zu einem Fass ohne Boden haben werden lassen. Die
palästinensische Führung verließ die Gespräche, ohne
eigene Kompromissvorschläge einzubringen. Shlomo Ben-Ami, der damalige
Außenminister, sagte in einem Interview vom 13.09.01
(www.israel.de/Presse/081001.html), dass die Begegnung zwischen den Politikern
Barak und Arafat in Wirklichkeit eine Begegnung zwischen Barak, einer
Person, die nach einer rationalen Lösung strebte, und Arafat, einer
Person, die über Mythen sprach und Mythen verkörperte (war). [...]
Ich glaube inzwischen, dass kein rational denkender israelischer Regierungschef
Erfolg darin gehabt hätte, bei solch einer Auseinandersetzung ein Abkommen
mit Arafat zustande zu bringen. [...] Arafat ist kein irdischer Führer. Er
betrachtet sich selbst als mythologische Figur. [...] In Camp David war es
klar, dass er nicht nach einer praktischen Lösung strebte, sondern sich
auf mythologische Themen konzentrierte: das Rückkehrrecht, Jerusalem, den
Tempelberg. Er schwebte auf den Wolken des islamischen Ethos und des
Flüchtlingsethos und des palästinensischen Ethos. [...] Am Ende des
Prozesses stellt man plötzlich fest, dass man sich bei den Verhandlungen
nicht vorwärts bewegt, weil man tatsächlich mit einem Mythos
verhandelt.
Nach Camp David
Nach Camp David gab es weitere Treffen, wo dann Kompromisse zu einzelnen
Streitpunkten, anstatt eines umfassenden Friedensabkommens ausgearbeitet werden
sollten. Erstens ging es um den Tempelberg, der für beide Seiten hohe
religiöse Bedeutung hat. Israel machte den Vorschlag, die
Souveränität für den Tempelberg zu teilen. Diese Verhandlungen
scheiterten, weil die Palästinenser die religiöse Bedeutung des
Tempelbergs für die Juden leugneten (dort wo die Klagemauer ist!).
Zweitens ging es um die Westbank, von der die Israelis 7 Prozent hätten
behalten wollen, dafür aber auf die Hoheit über den Jordan (was den
Israelis bis dato zwecks Verhinderung illegaler Waffenlieferungen wichtig war)
und zwei Prozent israelischen Gebiets zu Gunsten Palästinas aufgeben
wollten. Auch dieses Angebot verneinten die Palästinenser. Drittens ging
es um das Rückkehrrecht der Flüchtlinge. Beide Staaten sollten nach
Clintons Vorschlag das Rückkehrrecht der jeweiligen Flüchtlinge
anerkennen. Aber nur in die eigenen souveränen Gebiete. Es sollte also
zugleich noch einmal das Model der Zweistaatenregelung festgeklopft werden. Das
israelische Kabinett entschied sich drei Tage später per Mehrheit der
MinisterInnen für diesen Vorschlag. Arafat ließ sich mit seiner
Antwort lange Zeit. Schließlich sagte Arafat nein. Die Palästinenser
stellten die Forderung auf, dass 1,5 Millionen Palästinensern erlaubt
wird, nach Israel zurückzukehren. Sonst würde es ihrerseits keine
Anerkennung des Staates Israels geben.
Das heutige Israel hat 6 Millionen Einwohner, wovon 1 Millionen Araber sind. 60
Prozent der Fläche von 21000 Quadratkilometern sind relativ unbewohnbare
Wüstenlandschaften (vgl. Sachsen 5 Mio. Einw./17000 qkm). Damit haben die
Palästinensischen Delegierten den Israelis das Messer auf die Brust
gesetzt. Denn die Forderung des Rückkehrrechtes von 1,5 Millionen Arabern
hätte bei Erfüllung weitere Konflikte zwischen Juden und
Palästinensern auf israelischen Gebiet vorprogrammiert, und so mit die
Existenz des einzigen jüdischen Staates in Frage gestellt. Und die
Existenz eines jüdischen Staates ist angesichts der Erfahrungen aus der
Diaspora existentiell für die Juden. Der ehemalige Außenminister
antwortete im erwähnten Interview auf die Frage, ob die
Friedensverhandlungen nach seinen Erfahrungen wieder aufgenommen werden
können: Ich bin nach wie vor der Meinung, dass wir nicht über
ein anderes Volk herrschen können. [...] Auch heute bin ich
überzeugt, dass die Errichtung eines palästinensischen Staates eine
politische und moralische Notwendigkeit ist. Doch heute weiß ich, dass
wir einen Paradigmenwechsel vornehmen müssen. [...] Wir sollten nicht
ignorieren, was wir erkannt haben, nämlich die palästinensische und
islamische Position, die unser Existenzrecht negiert. [...] Wir sollten ...
verstehen, dass die Schuld nicht immer bei uns liegt. Lernen zu sagen: Bis
hierher und nicht weiter. Wenn die andere Seite auch diese essentielle
Komponente unserer Existenz vernichten will, werde ich erst recht darauf
bestehen.
Krieg
Als ausschlaggebender Punkt für die Terrorintifada der Palästinenser
gilt der Besuch Ariel Sharons im September letzten Jahres auf dem Tempelberg.
Oft hört man, dass durch diesen Besuch Sharon die Intifada provoziert hat.
Meines Erachtens war der Besuch Sharons auf dem Tempelberg ein Indikator
für die Friedensbereitschaft der Palästinenser. Denn wer diesen
Besuch nicht akzeptiert, will keine Kompromisse für den Frieden eingehen.
Wer den Juden das Recht verwehrt, eine ihrer heiligen Stätten zu besuchen,
zeigt keine Bereitschaft, die Juden zu tolerieren. Die palästinensische
halbamtliche Zeitung Al-Ayyam schrieb am 6. 12. 01: Bei einem Symposium
in Gaza bestätigte der palästinensische Komminikationsminister Imad
Al-Falouji, dass die palästinensische Autonomiebehörde mit den
Vorbereitungen für den Ausbruch der Intifada in dem Moment begonnen hatte,
in dem die Gespräche von Camp David zu Ende gingen, und zwar nach
Anweisungen, die vom Vorsitzenden Arafat persönlich erteilt wurden. Herr
Falouji fügte hinzu, dass Arafat diese Intifada zur Bekräftigung der
palästinensischen Haltung bei den Verhandlungen initiiert habe und sie
nicht bloß als Protest gegen den israelischen Oppositionsführer
Ariel Sharon zu verstehen sei. Hier wird klar, dass die Intifada keine
Erzeugnis spontaner Wut war.
Levi räsonierte, dass einerseits Arafat derzeit für die
Friedensbemühungen gebraucht wird, um mit einem öffentlichen
Vertreter, den die meisten Palästinenser als Autorität anerkennen, zu
verhandeln. Andererseits hat er sich als unglaubwürdig erwiesen, da er die
Palästinenser scheinbar nicht bändigen will oder kann und selber
einer schizophrenen Funktion gerecht werden will und (unter derzeitigen
ideologischen Bedingungen in Palästina) auch muss. Einerseits
mythologische Identifikationsfigur für die Palästinenser,
andererseits international glaubwürdiger Diplomat. Und unter diesem
Gesichtpunkt sind auch die dosierten Militärschläge gegen den Sitz
der palästinensischen Autonomiebehörde in jüngster Zeit zu
betrachten. Zwischen dem 26. September 2001 (Übereinkunft auf
Gewaltverzicht zwischen Yassar Arafat und Shimon Peres) und Mitte November 2001
wurden allein 800 gewalttätige palästinensische Übergriffe
registriert, die von gewalttätigen Ausschreitungen, über den Beschuss
von Wohngebieten, Brandbombenanschlägen und tätlich Angriffen, bis
hin zu Autobomben in überfüllten Einkaufszonen reichten. Seit dem
Beginn der Terrorintifada im September 2000 starben mehr als hundert Israelis.
Die Bitten an die palästinensische Autonomiebehörde, etwas gegen die
Gewalt zu unternehmen, haben nichts genützt. Aus diesem Grund übt
Israel Druck auf die palästinensische Autonomiebehörde aus und
versucht selber gegen die Terroristen vorzugehen. Die Erzählung von den
wild um sich schießenden israelischen Soldaten, die skrupellos Kinder
ermorden, stimmt nicht. Das Kinder in diesem Konflikt auf
palästinensischer Seite sterben, hat wohl mehr damit zu tun, dass Kinder
in speziellen Camps zu Heiligen Kriegern im Jihad gegen
Israel und Juden ausgebildet werden und schließlich auch als solche in
den Kampf ziehen.
Geschichte eines Konfliktes
Levi verwies zudem auf die Schwierigkeit eines hundertjährigen Konfliktes,
in dem beide Seiten ihre Rechte und Wahrheiten haben und der religiöse,
territoriale, ökonomische, emotionale und ideologische Hintergründe
hätte. Vor einhundert Jahren begannen die Juden nach knapp 2000 Jahren der
Diaspora ins heilige Land Zion zurückzukehren, um eine gemeinsame und
sichere Heimat aufzubauen. Dies geschah, nachdem sie weltweit über die
Jahrhunderte hinweg immer wieder antijudaistischem und antisemitischem Hass
ausgesetzt waren, der damit begann, dass 60 v.Chr. die jüdische
Hasmonäer Dynastie unter römische Herrschaft geriet und 70 n. Chr.
die meisten Juden des Landes verweisen wurden.
Viele Linke, Rechte, und AraberInnen bezeichnen die Tatsache, dass sich die
Juden in Palästina wieder ansiedelten, gerne als Kolonialisation. Obwohl
das Gebiet nacheinander von Römern (70-313), Byzantinern (313-636),
Arabern (636-1091), Seldschuken (1091-1099), Kreuzrittern (1099-1291),
Mamelucken (1291-1516), osmanischen Türken (1517-1917) und den Briten
(1918 - 1948) beherrscht und bewohnt wurde. Erst mit dem Zustandekommen des
bürgerlichn Staates Israel (14.5.1948) formulierte sich eine
palästinensiche Nationalbewegung. So konnte einzelnen Menschen Land
weggenommen werden, aber keinem Palästinensischem Volk. Roswitha Scholz
stellt in einem ihrer letzten Artikel (Identitätslogik und
Kapitalismuskritik, Streifzüge 3/2201) treffend fest, dass der von den
AntiimperialistInnen gebrauchte Spruch Zivilisation ist
Völkermord die Tatsache, dass sich erst durch die Entstehung von
Nationen Völker konstruierten, verkehrt. Diese Entwicklung, dass erst
durch Gründung eines bürgerlichen Staates Leute auf die Idee kommen
und die Freiheit dazu haben, eine eigene Nation gründen zu wollen, ist
wohl als Dialektik der Demokratie Israel aufzufassen. Und die
palästinensische Volksgemeinschaft gewinnt ihre Identität besonders
durch die Verneinung von Israel.
Am Tag nach der Gründung Israel griffen sechs Armeen der arabischen Liga
(Ägypten, Irak, Libanon, Saudi-Arabien, Syrien, Transjordanien) Israel an.
Durch die Teilnahme von Staaten, die keine Grenze mit Israel teilten,
erschließt sich eindeutig, dass die Aggressionen gegen Israel nicht nur
territorial zu begründen sind. Aus diesem Krieg, und sonst hätte es
Israel nicht länger als einen Tag gegeben, ging Israel als Sieger hervor.
Das Waffenstillstandsabkommen (Juni 1949) legte neue Grenzen zugunsten Israels
fest. Erwähnenswert ist, dass es damals fast zu einer Gründung eines
palästinensischen Staates gekommen wäre, hätte nicht der
arabische Nachbar Transjordanien am 24.4.1950 entgegen der
Beschlüsse der UN Gebiete westlich des Jordans annektiert. Aus
diesem Krieg ergab sich schließlich auch das Flüchtlingsproblem.
Denn erst im Krieg verließen die meisten in Israel lebenden Araber ihre
Häuser. Die arabischen Staaten, mit Ausnahme von Jordanien, sorgen bis
heute dafür, dass das Flüchtlingsproblem verewigt wird, um es
für ihren Kampf gegen Israel zu benutzen. Von 1948 bis zum heutigen Tag
werden die die Flüchtlinge in Lagern zusammengepfercht, anstatt sie in die
jeweiligen Gesellschaften zu integrieren. Übrigens wurden ungefähr
genau so viele Juden aus arabischen Staaten in den letzten fünfzig Jahren
vertrieben, wie Araber Israel verließen mussten..
Bis heute kam es zu weiteren drei Israel-Arabischen Kriegen und 1991 zu den
Scud-Raketen-Angriffen Iraks auf Israel im Rahmen des Golfkrieges, mit dem
Israel eigentlich nichts zu tun hatte. Außerdem kam es seit 1987 zur
Intifada, in der sich insbesondere jugendliche palästinensische
Kämpfer gegen Israel stellten. In dieser gesamten Zeit kam es neben
Friedensverhandlungen und -abkommen sicherlich auf allen Seiten zu
Vertragsbrüchen und Ungerechtigkeiten.
Antizionismus weltweit
Israel, nicht viel größer als Sachsen, als aggressive
imperialistische Macht im Nahen Osten darzustellen, ist totaler Müll und
wohl nur als eine schimärische Einstellung, aus der sich die Welt
erklären soll, zu diagnostizieren. Einfach ausgedrückt: Das ist
verschwörungstheoretischer antisemitischer Scheißdreck. Wer glaubt,
so etwas gäbe es nicht mehr, sollte sich mal die auflagenstarke linke
europäische Zeitschrift Le Monde Diplomatique durchlesen.
Allein in der Januarausgabe dieses Jahres finden sich vier klar antiisraelische
Beiträge, welche die Hälfte der Zeitung ausmachen. Monique
Chemillier-Gendreau (lehrt an der Uni in Paris) schreibt darin zum Beispiel
(Achtung!!!):
Der Staat Israel macht sich daran, etappenweise die verbleibende
Hälfte Palästinas zu erobern und in Besitz zu nehmen, die eigentlich
einem palästinensischen Staat vorbehalten sein sollte. [...] Die
Siedlungen in den besetzten Gebieten wurden auch unter den Regierungen der
Arbeiterpartei ausgebaut, auch wenn man wusste, welchen Terror die fanatischen
Siedler verbreiten. [...] Heute hat es den Anschein, als wolle die Regierung
Scharon dem palästinensischen Volk das Existenzrecht verweigern, also
seine Identität auslöschen. [...] Im Übrigen lehnt man es in
Israel ab, die eigene Führung strafrechtlich zu verfolgen [...], niemand
kommt auf die Idee, die Auftraggeber und Ausführenden solcher
Liquidationen gerichtlich zu verfolgen. Dafür wird sich das israelische
Nationalbewusstsein vor der Geschichte verantworten müssen.
Eigentlich ist dieses Beispiel nicht gut, weil es absolut offensichtlich die
Existenz Israels ablehnt. Zumeist ist antiisraelische Agitation subtiler. Etwa
dann, wenn deutsche Medien, anstatt sich über die Zuwiderhandlung der
Palästinenser gegen administrative Vereinbarungen zu empören, Israel
verunglimpfen, weil Israelische Sicherheitskräfte das Schiff Karine
A an Bord eine umfangreiche illegale Waffenlieferung an die
Palästinenser sicherstellten. So titelte die Frankfurter
Rundschau nach den Ereignissen: Die Schiffs-Affäre kommt
Scharon durchaus gelegen. Und weiter im Text: Also wird das
Waffenschiff propagandistisch ausgeschlachtet, um eine
Arafat-Iran-Hisbollah-Connection zu konstruieren. (FR, 7.1.02)
So stellte Levi fest, dass die europäischen Medien meist falsch berichten,
weil sie israelische Reaktionen aus dem Kontext, in dem diese stattfinden,
herauslösen. Außerdem vertuschen sie die Ziele der
Terrororganisationen Hamas und Jihad, wenn sie diesen unterstellen, für
die Befreiung des Westjordanlandes zu kämpfen. Diese Organisationen
proklamieren öffentlich als ihr Ziel die Vernichtung Israels. Auch
derzeit, wo israelisches Militär im Gaza-Streifen und im Westjordanland
Häuser platt walzt (übrigens waren darin keine Menschen), wird die
Tatsache, dass diese Häuser in einer umstrittenen Schutzzone ohne
Baugenehmigung errichtet wurden, von der Berichterstattung der Medien
hierzulande meist verschwiegen. Es gibt hin und wieder Ausnahmen, in denen der
Gesamtzusammenhang Israels Politik in einem anderen Licht erscheinen
lässt. So zitiert die FAZ am 15.01.02 auch mal Scharon: Israel
müsse eine Sicherheitszone schaffen. Dabei müsse auch erwogen werden,
die Palästinenser finanziell für ihre Verluste zu
entschädigen. Auch das Faktum, dass nur Häuser von
mutmaßlichen Terroristen bebombt werden, wird in den meisten Medien als
sinnloser Gewaltakt uminterpretiert.
Hoffnung für Israel?
Herr Levi berichtete schließlich noch über die antiisraelische
Öffentlichkeit in Palästina. Denn diese hätte Schuld, dass die
heutige palästinensische Jugend so viel Hass gegen Israel in sich trage.
Daher sei derzeit keine politische Lösung greifbar, wenn eine solche auch
die einzigste langfristige Chance für einen Frieden implizieren
würde, da der derzeit herrschende militärische Pragmatismus zwar
Probleme abmildert, doch langfristig den Konflikt nicht zu sänftigen
vermag. Der Konflikt ist mit europäischem Denken überhaupt nicht zu
durchdringen behauptete Levi. Nicht nur weil dieser Konflikt aus so vielen
Spannungsfeldern erwächst, sondern auch weil der Konflikt in
Palästina und anderen islamischen Ländern einen religiösen
Nährboden hat, von dem wir völlig ahnungslos sind. Dort existiert
laut Levi ein Hass, der durch keine rationalen Ursachen zu erklären ist.
Levi lies dieser These mehrere Beispiel folgen. So gibt es in
palästinensischen Schulbüchern Karikaturen bluttrinkender Juden und
jeden Freitag wird im offiziellen Fernsehen abends eine Predigt gehalten, die
immer mit den Worten tötet alle Juden endet. In Ägypten
heißt das beliebtste Volkslied auf Festen Ich hasse Israel
und der syrischen Verteidigungsminister sagte letztens: Wenn alle Juden
tot sind, ist auch der Konflikt beendet. Levi sagte schlussendlich, dass
der Schlüssel zu einer Friedenslösung in der Demokratisierung der
Politik und Aufklärung der Menschen in den islamischen Gebieten läge.
Die Linke und Israel
Wenn Levi den Unterschied zwischen Europäischer und Islamischer Welt
festhält, muss eine antikapitalistische Linke die Gemeinsamkeit erkennen.
Während der Unterschied unter anderem darin liegt, dass die Religion als
gemeinschaftsstiftende Identität eine kollektive Besinnung auf das
paradiesische Jenseits und damit andere Kriterien für das Handeln im
Diesseits erzeugt, so besteht die Gemeinsamkeit, dass unter krisenhaften
kapitalistischen Bedingungen die bürgerlichen Subjekte in
Gemeinschaftsidentitäten Zuflucht suchen. Wenn sich das bürgerliche
Subjekt normalerweise in der Situation befinden, einerseits ökonomische
Einzelkämpfer und andererseits politische Teile einer Gemeinschaft zu
sein, zwei Funktionen die sich ausschließen und doch einander erzeugen,
werden diese Funktionen in Krisensituationen instabil. Im Gegensatz zu der
Prognose Robert Kurz (In der Enthemmung der globalen
Krisenkonkurrenz, die sich im perspektivlosen Terror wie in den ebenso
perspektivlosen demokratischen Weltordnungskriegen und in zahlreichen
verwandten Erscheinungen ethnische Bürgerkriege,
Plünderungsökonomie, Amokläufer usw. zeigt, verliert der
moderne Staat das Monopol auf den technologischen Massenmord, der in dieser
staatlichen Form von Anfang an ein Wesensmerkmal der kapitalistischen
Anti-Zivilisation war. Das blinde Morden im großen Maßstab geht
jetzt unmittelbar auf die Individuen und ihre synthetischen Aggregierungen
wie zum Beispiel fanatische religiöse Sekten über; die
Zersetzung der Subjektivität fällt zusammen mit einer Zersetzung der
Ideologien, in denen sich die Modernisierung dargestellt hatte. in
Fanta auf Lebenszeit) sucht meines Erachtens das einzelne
Individuum in Krisenprozessen um so verzweifelter Halt in der Gemeinschaft.
Einzel- und Gemeinschaftsinteressen fallen zusammen und bestimmen sich in ihrem
Kampf gegen den Feind. Der Feind ist das raffende Kapital, welches das Unheil
über das eigene Sein gebracht hat. Und da die Reflexion mangels Wissen um
die kapitalistischen Verhältnissen das Kapitalistenschwein nicht im
eigenen Handeln, welches den ökonomischen Einzelkampf impliziert,
vermutet, muss dieses sich durch ein konkretes Feindbild verkörpern. Und
zum Feind wird dann der wurzellose, anpassungswillige und doch sich zu einer
anderen Gemeinschaft dazugehörig fühlende Jude sein, der überall
aber doch nirgendwo ist.
Wenn man dieses Verhältnis von bürgerlicher Gesellschaft und dem hier
sehr kurz und undifferenziert erklärten Antisemitismus nachvollzieht,
bedeutet das zugleich, insbesondere unter Kenntnis der Geschichte
die Notwendigkeit zu erkennen, dass die antikapitalistische Linke Israel zu
verteidigen hat.
Außerdem bedeutet diese Reflexionsebene, nicht selber in
Verschwörungstheorien zu verfallen. So erinnere ich mich an viele
Gespräche mit vermeintlichen Linken, die sich die Selbstmordanschläge
der palästinensischen Terroristen aus der tiefen Verzweiflung der
Palästinenser unter der Herrschaft Israels erklärt haben, anstatt zu
reflektieren, dass diese wahnhaften Taten nicht mathematisch herzuleiten sind.
Wenn so der Versuch einer rationalen Begründung unternommen wird, sucht
man zu der selbstmörderischen Tat zwanghaft eine äquivalente Ursache
bei Israel und verfällt automatisch in Verschwörungstheorien, in
denen sich die Faktenlage in den Erklärungszusammenhang einzuordnen hat.
Für die Selbstmörder empfindet man schließlich Mitleid und
Bewunderung für ihre selbstlosen Taten, während man Israel verdammt.
Wegen der Tatsache, dass latenter Antisemitismus im Kapitalismus
allgegenwärtig ist und immer droht barbarisch auszubrechen, gilt es
für eine antikapitalistische Linke, Position für den Staat Israel zu
ergreifen! Erst auf der Grundlage eines solchen Verständnisses kann man
dann einzelne politische Züge des Staates Israel kritisieren.
Hannes
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