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Im Folgenden dokumentieren wir ein Flugblatt, welches während des Propaghandi-Konzertes im Conne Island verteilt wurde. Die Band, mit diesem Text konfrontiert, äußerte pures Entsetzen und wollte ihren Auftritt gar nicht erst beginnen. Es wurde sich geeinigt, ein Interview in bälde folgen zu lassen, um ihre Sicht auf die Dinge besser darstellen zu können. Zudem ließen sie es sich jedoch nicht nehmen, dem Publikum mitzuteilen, „daß sie von Leuten, von denen sie dachten, sie wären links – besonders auch hier (also C.I.) – schlimmer behandelt werden als von der Polizei“. Über eine Sympathiebekundung ist demzufolge nicht einmal ansatzweise nachzudenken.

Erklärung des Conne Island zur Band Propagandhi

Im Vorfeld der Veranstaltung am 7.11.2001 gab es im Conne-Island-Plenum Diskussionen, das Propagandhi-Konzert abzusagen. Grund dafür ist ihre strikt antizionistische Position, wie sie u.a. auf ihrer ersten Platte vorgetragen wurde. Das Plenum hat sich letztendlich gegen einen Ausfall der Veranstaltung entschieden, maßgeblich unter dem Eindruck, dass der Band über die Jahre ein Lernprozeß zu bescheinigen ist wie auch die Ausgangsbedingungen in Deutschland andere sind.

„Fuck Zionism!“ ist nicht gerade das gefälligste Aushängeschild, das sich eine als Polit-Punk verstehende Band um den Hals hängen sollte. Dennoch ist es geschehen, in diesem Fall auf der ersten Propagandhi-Platte „How to Clean Everything“ aus dem Jahr 1993. Aus der Kritik an der starken, in der nordamerikanischen Subkultur verbreiteten Rastafari-Bewegung (so steht zu vermuten, der Text ist ein wenig krude) wird anhand der Bezugnahme der Rastafaris auf die jüdische und christliche Religion die Verbindung zu im Namen des Zionismus begangenen Unrechts im „Gaza Strip“ und der „West Bank“ hergeleitet, um mit den eingangs zitierten Worten wie auch einem generellen „Fuck Religion!“ zu schließen. Warum sich eine solche antizionistische Position (gerade hierzulande) verbietet, sollte als vorausgesetzt gelten. Was Propagandhi angeht, ist wie oben schon angedeutet ein Lernprozeß zu konstatieren. Nach Kritik an ihrer Position distanzierten sie sich von ihren Äußerungen und gaben zu verstehen, dass sie an einer differenzierteren Betrachtungsweise des israelisch-palästinensischen Konflikts interessiert seien. Eine ähnliche Reaktion hingegen ist in der deutschen Punkszene bisher nicht beobachtet worden. Munter wird auf die „Vorbildfunktion“ von Propagandhi verwiesen, der kritisierte Song weiterhin als „Dancehall-Crasher“ gelobt und ihre U.S.-Kritik undifferenziert übernommen. Es geht an dieser Stelle also weniger darum, Propagandhi per se zu verdammen, als vielmehr die Beweggründe der regen Rezeption in hiesigen Polit-Punk- und Anarcho-Kreisen zu hinterfragen.
Die kanadischen Propagandhi bezeichnen sich selber als die einzige P.C.-Punkband auf dem sie verlegendem Label Fat Wreck Records. Als politische Ziele haben sich die „einzigen drei Veganer Kanadas“ vorrangig die Kritik am U.S.-Imperialismus aber auch den Tierrechtsschutz, die Emanzipation der Frau, die Rechte der Ureinwohner Amerikas, die Ablehnung von Religion und einiges mehr auf die Fahnen geschrieben. Was ehrenwert klingt, bleibt dennoch verschwommen. Im Zentrum ihrer Ausführungen steht die Kritik an der „Maschine“, dem sie kontrollierenden System, auf das man keinen Einfluß hat. Bei genauer Betrachtung verliert sich diese Beschreibung jedoch im Nebulösen, in der Konstruktion von Verschwörungstheorien, wie etwa die Illustration des 93er LP-Booklets mit Börsendaten verdeutlicht. Zudem besteht die Gefahr, dass das Szenario umkippt: Von der unermüdlichen Verdammung des „Bösen“ hin zur Skizzierung des allein gültigen, vermeintlich „besseren“ Menschen, wie es in ihrem Aufruf zur Bildung von eigenen communities heißt, ist es dann nicht mehr weit; ein Umstand im übrigen, der bereits ihren „Kollegen“ Four Walls Falling zum Verhängnis wurde – auf die Spitze getrieben haben es Earth Crisis.
Amerikanische Verhältnisse sind nicht deutsche Verhältnisse. Und das ist in diesem Fall der springende Punkt. Denn es steht zu vermuten, dass die von Propagandhi vorgetragene U.S.-Kritik hierzulande zum wiederholten Male begierig aufgenommen werden könnte. Dass die Gefahr einer 1:1-Übernahme wohl besteht, verdeutlicht die klammheimliche Freude in Teilen der Deutschen Linken nach den Anschlägen vom 11. September. Grundlage dieser Rezeption ist die Einordnung der USA in das alte Antiimp-Schema: Unter Ausblendung realpolitischer Gegebenheiten, wie etwa die momentan prekäre Situation Israels, erprobt sich die antiimperialistische Linke weiterhin an der Projektion der USA als das „Evil“ der Welt. Unter den Tisch fällt dabei, neben dem fehlenden Bewusstsein für die deutsche Rolle im gegenwärtigen Konflikt, das Wissen um die Nähe solcher Anklagen zu antisemitischen Verschwörungstheorien. Denn wer die USA als Inbegriff des Kapitalismus an sich lokalisiert hat – und was bot sich hier als Symbol besser an als das mittlerweile dem Erdboden gleich gemachte World Trade Center – ist nicht mehr weit entfernt von solchen Positionen, die glauben, New York als „Zentrum des jüdischen Finanzkapitals“ entlarven zu müssen.
Man sollte sich bei der Suche nach Kritikmöglichkeiten an der Neuen Weltordnung also vergegenwärtigen – und das führt die Argumentation der Verschwörer erfreulicherweise ad absurdum – dass eine überseeische Position andere Ausgangsbedingungen hat: Einerseits ist die Situation der Linken in einem Land wie Kanada, das sich aus Ablehnung gegen Europa objektiv „freier“ als sein Spiegelbild konstituierte, eine marginalere. Sie unterliegt damit gleichzeitig anderen Voraussetzungen. Andererseits, und das ist in diesem Zusammenhang der gewichtigere Punkt, ist sie historisch frei von Zwängen, derer sich eine Linke in Deutschland zu stellen hat, will sie sich selbst ernst nehmen können. Antiamerikanismus in Deutschland hingegen barg zu allen Zeiten eine antimodernistische und antisemitische Motivation, die ihren Höhepunkt in den Verbrechen der Nationalsozialisten fand. Dass die Linke in Nordamerika, die gegenwärtig besser als die deutsche in der Lage ist, Kritik am Auftreten der USA und ihrer Verbündeten zu formulieren, derzeit einen schweren Stand hat, steht dabei auf einem anderen Blatt.

Leipzig, 05. November 2001
Das Conne Island Plenum



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last modified: 28.3.2007