Interview mit der Hardcore-/Punk-Band-Agentur M.A.D.
Seit Jahren schon ist die Berliner Bandagentur M.A.D. einer der wichtigsten
Knotenpunkte für die HC- und Punk-Bewegung. Über die Jahre hat sich
M.A.D. zur bedeutsamen Agentur in Sachen Hardcore und Punk gemausert. Und das
hat sich nicht einfach so ergeben, sondern resultiert aus der
unermütlichen, emsigen und prinzipienfesten Arbeit, die in Berlin gemacht
wird. Unter ihren umsorgenden Fittichen wurden unter vielen andere Bands wie
Sick of it All, Business, Slapshot, Agnostic Front, Rykers, Earth Crisis,
Exploited, Gorilla Buiscuits, zu Aushängeschildern einer riesigen
Jugendbewegung.
Marc von M.A.D. stand gerne Rede und Antwort
Hallo Marc, was sind Eure Basics, aus was für
Zusammenhängen kommt Ihr eigentlich?
Nun, entstanden sind wir im Endeffekt in den frühen 80ern.
Damals haben wir aus und für die Punkszene Konzerte organisiert oder
mitgemacht das war zu Zeiten der ersten großen Welle der D.I.Y.
(Do it Yourself)-Szene.
Ich speziell bin 1978 mit Punkrock in die Szene hineingerutscht und habe dann
beispielsweise schon ca. 1980 als Türsteher im Kreuzberger SO 36
gearbeitet. Das war die Zeit, wo es langsam anfing, daß sich eine
Szene-Hand die andere gab. Und so sind wir immer tiefer in die Szene gekommen
und wollten dann auch ein paar Sachen dort ändern. Es ging uns darum, die
Philosophie von D.I.Y. umzusetzen und so einige Dinge produktiver zu machen
hin zu einer produktiven Lebensform, egal ob nun Band oder Veranstalter.
Zu der Zeit, als wir anfingen, hat jeder maximal ein halbes Jahr existiert und
ist wieder verschwunden. Bands damals hatten sich gegen die Plattenindustrie
gegründet und kaum waren sie ein bißchen erfolgreicher, war das
erste, was sie machen sollten, bei der Plattenindustrie zu unterschreiben und
so wie die zu arbeiten.
Inwieweit versteht Ihr Euch heute noch als D.I.Y.? Und wenn ja, ist dieser
Anspruch überhaupt heutzutage noch aufrecht zu erhalten?
Das ist natürlich heute eine schwierige Frage. Aber ich sehe uns schon
noch als D.I.Y. Denn wir machen es nach wie vor selbst, was ja die
Voraussetzung überhaupt ist. Das heißt, wir haben uns auch nirgendwo
angebiedert. Natürlich haben wir die Sache zwangsläufig
weiterentwickelt, genauso, wie es zum Beispiel auch die Alternativclubs getan
haben. Das Problem speziell heute ist, daß D.I.Y. ein sehr dehnbarer
Begriff ist und jeder, der neu anfängt, beschimpft denjenigen, der schon
länger als ein Jahr dabei ist, daß er es nicht mehr wäre. Darin
sehe ich eines der größten Probleme - verstärkt vielleicht
noch dadurch, daß eine der D.I.Y. Bands wie Conflict die ganze Sache
auch noch in Frage gestellt hat. Die Frage ist heutzutage also, wo D.I.Y.
anfängt, und wo es aufhört.
Für uns als M.A.D. ist zum Beispiel fakt, daß wir mit den
großen Festivalveranstaltern zusammenarbeiten, die sozusagen
zweihundertprozentig kommerziell sind und die von uns entsprechend auch
zweihundertprozentig abgefertigt werden müssen, weil ansonsten
logischerweise die Bands von uns weg sind. Die grundsätzliche Idee, die
Bands bei uns zu halten, ist nicht so einfach, wie man denkt, denn die
Amerikanisierung im kapitalistischem Sinne innerhalb der HC-Szene
ist sehr weit fortgeschritten. Und die ist letzten Endes ein viel
größeres Problem als die Frage nach D.I.Y.
Aber da muß man natürlich sagen, daß gerade M.A.D. daran
wohl nicht ganz unschuldig ist. Schließlich habt Ihr den amerikanischen
HC-Begriff in Europa ziemlich mit geprägt ...
... Nun, wenn man in solchen Kategorien von Schuld oder Unschuld darüber
redet, muß man auch sagen, daß wir die europäische Szene immer
zu hundert Prozent gefördert haben. Wir sind die einzigsten, die mit
europäischen Bands auch richtig Erfolg hatten. Sicherlich, hier oder da
gibt es heutzutage auch die eine oder andere erfolgreiche Band. Aber man denke
nur an die ganzen Holländer, die ganzen Gruppen aus Kassel, die
Engländer wie G.B.H., Exploited, Damned oder Business. Zwangsläufig
haben wir natürlich auch die Amerikaner bei uns. Wir regeln ja auch eine
Nachfrage. Was ich mit Amerikanisierung meine ist, daß die
Leute lieber amerikanische Bands wollen. Der holprigste Weg war für uns,
europäische Bands bekannt zu machen. Im Verhältnis zu anderen ist es
so, daß wir durchaus die Möglichkeiten hätten,
ausschließlich nur große kommerzielle amerikanische Bands zu
machen. Es ist immer einfach zu sagen, man würde es nicht tun, wenn man
gar nicht die Chance hat, es zu tun. Aber wir hätten tatsächlich die
Möglichkeiten. Wir könnten uns wirklich wie andere zurücklehnen
und sagen Wir machen nur das Größte, was kommt, was Geld
bringt'. Stattdessen popeln wir mit den kleinsten europäischen Bands
herum. Wir bauen diese immer wieder auf, fangen immer wieder von vorn an
zwangsläufig auch mit Amerikanern. Das ist eine mühevolle Arbeit.
Letztlich ist unsere Bandliste mehr europäisch wie amerikanisch.
Gibt es für Euch ein Schema, nach dem eine Bandauswahl getroffen
wird?
Genaugenommen würde ich sagen, bei uns gibt es kein besonderes kulturelles
Kriterium. Das heißt, das Zwischenmenschliche ist letztlich der
wichtigste Punkt. Klar gibt es auch kommerzielle Kanäle, wo etwas einfach
weitergereicht wird. Eigentlich sind alle Bands grundverschieden. Na gut,
Agnostic Front (AF) könnte man direkt im Zusammenhang mit Madball nennen.
Aber als Madball gegründet wurden, da waren wir ja mit dabei. Und Madball
hat da weitergemacht, wo AF aufgehört hatten. Das ist das einzigste
Beispiel, wo ich sagen würde, da hat etwas nahtlos ohne Unterbrechung
angeschlossen.
Das heißt doch, daß aus D.I.Y. eher so eine Art Network geworden
ist, wo Leute dazustoßen und man sich eben auch so offen zeigt, daß
neue Leute dazustossen können?
Na gut, da sind wir wieder bei der Interpretationsfrage. Aber D.I.Y. soll ja
überleben. Und so muß es also auch organisatorisch funktionieren
können. Viele Leute denken ja immer noch in dem Schema, daß ein
Konzert kostenlos sein müsse generell ohne Eintritt -, wenn es
Punkrock ist. Fakt aber ist nun mal, daß an Tankstellen beispielsweise
keine kostenlosen Punkrock-Zapfsäulen stehen, sondern alle dort dasselbe
Benzin bezahlen müssen.
Ist es im Rückblick betrachtet ein Problem, auch von der Kultur zu
leben. Ist es nicht immer zwiespältig, weil man es eher nicht machen
sollte? Schließlich setzt man sich dadurch einem viel
größeren materiellen Zwang aus.
Ihr werdet lachen, wir haben uns nie die Frage gestellt, ob wir davon leben
sollten. Der Witz dabei ist, daß es mit der Zeit so viel Arbeit wurde.
Und so haben wir einfach versucht, mal so gesagt, davon zu überleben. Denn
wir müssen zwischendurch immer mal wieder jobben gehen.
Es ist ja auch eine Aufgabe von Euch, Bands populär zu machen und sie
in einem ganz bestimmten Kontext zu präsentieren. Unter dem Stichwort
fällt mir auch der Streit ein, den es in letzter Zeit immer mal wieder um
Discipline, einer Band von Euch, gab. Zeigt sich nicht anhand solcher Beispiele
auch die besondere Philosophie von M.A.D., generell bereit zu sein, über
den eigenen Tellerrand hinauszuschauen?
Logisch steckt hinter unseren Aktivitäten eine klare politische Message.
Diese reicht von antifaschistischen Selbstverständlichkeiten bis zum
besonderen politischen Bewußtsein. Schließlich sehen wir auch die
Verantwortung, die wir haben. Politik ist für uns sowas wie ein
Nonplusultra. Und diese unpolitische oder antipolitische Haltung, die
heutzutage weit verbreitet ist, der wollten wir immer vorbeugen, in dem wir
viel Arbeit investiert haben. So haben wir auch Bands gebracht, die zwar schon
alle wollten, aber vor denen alle angst hatten. Nehmen wir zum Beispiel
Warzone. Was wurde gegen die Propaganda gemacht: die wären
schwulenfeindlich, faschistisch und rassistisch. Für uns ging es damals
nicht darum, große amerikanische Superstars zu holen. Denn daß an
Warzone kein Geld zu verdienen war, das wußten wir genau. Es ging eben um
andere Fragen. In erster Linie ging es darum, den Namen Warzone klarzustellen
und der Band den Rücken zu stärken, denn wir kannten die Leute und
wußten, wer die sind. Und dabei ging es nicht ausschließlich um
Warzone, sondern auch um unser eigenes politisches Territorium. Denn klar war,
wenn eine Band wie Warzone zum Beispiel in Leipzig im Conne Island spielt (1994
war das zum ersten Mal der Fall die Red.), dann ist das mehr als
eindeutig und den Rechten definitiv eine Band abhanden gekommen. Wenn die in
rechten Kreisen nämlich nicht rechts eingeordnet werden kann, dann wird
sie dort auch nicht entsprechend abgefeiert. Und umso mehr da klargestellt
wird, um so mehr verlieren die ihre Musik. Und ohne Musik gibt es
auch keinen Nachwuchs.
Das heißt also, man kann nicht nur darauf achten, daß man sich
eine kleine feine heile Welt aufbaut, sondern muß auch zusehen, daß
man sich mit der Realität, die einen umgibt, konfrontiert?
Ja, ganz genau. Bei Discipline, um auf die Ausgangsfrage einzugehen, wurde zum
Beispiel zu viel hineininterpretiert. Ein Gesprächsforum mit der Band ist
lange nicht zustande gekommen. So ist eine Situation entstanden, die keiner
wollte und die viel zu langwierig geändert wurde. Was wir alle begreifen
müssen ist, daß wir nicht alle aus denselben Gegenden, aus denselben
Dörfern oder aus denselben Ländern kommen. So kann jemand wie ich,
der mitten aus Kreuzberg kommt und ganz andere Bezüge hat als jemand, der
aus dem mittleren Westen der USA kommt und dort in einer kleinen Stadt
aufwuchs, nicht voraussetzen, daß jemand automatisch so denkt wie ich.
Ein weiteres Beispiel waren D.I., denen haben sie damals in Göttingen den
Strom abgedreht, weil einige dort die Textstelle hangten in east
berlin mit hängt zehn Kommunisten in Ost-Berlin
übersetzt hatten. Dabei war das Hangten-Männchen gemeint, das in
Ost-Berlin surfen geht. Das war einfach eine witzige Parodie und hatte
überhaupt nichts mit Politik oder Kommunisten zu tun. Ich konnte das der
Band überhaupt nicht erklären. Die verstanden einfach nicht, was die
Leute überhaupt von D.I. wollten.
Wie schätzt Ihr das Problem hinsichtlich White Power ein. Haben die
Nazis eine Chance, in das Hardcore Netzwerk einzusickern?
In Europa sind meines Erachtens fast alle Auftrittsorte so klar definiert,
daß White Power Bands kaum Boden gut machen können. Das heißt,
wenn die sich nicht ändern, anpassen, dann kommen die nicht
vorwärts. Es gibt zum Beispiel etliche Hardcore Bands, von denen wir
Demotapes bekommen, die Texte a la Hurra, ich bin froh in der
Bundeswehr zu sein drauf haben. Tja, solche Bands spielen natürlich
nirgendwo, die bekommen nirgendwo ne Chance. Ändern die aber ihren
Namen oder ihre Texte, dann sind sie mit dabei. Es gibt auch Bands, die treten
mit Skredriwer Shirts auf. Ja das machen die einmal, und danach bekommen die
normalerweise keine Shows mehr, das ist alles irgendwie paradox aber es ist nun
mal so.
In den USA ist es allerdings anders. Darin besteht das Problem, denn die
großen Bands, die kommen aus Amerika im Augenblick. Und da haben wir
wieder das Ding mit der Kommerzialisierung, der Amerikanisierung
der Szene. Dazu kommen noch die Sprachschwierigkeiten, so daß die Leute
die Texte kaum übersetzen. Das größte Steckenpferd in der
Hinsicht war für uns Billi Milano. Mit S.O.D ok. Aber mit M.O.D. und der
ersten Platte. Der hatte damals mit S.O.D. eine Platte fabriziert, die witzig
und ironisch war aber mit harten Kanten. Dann aber hat er eine Platte
produziert mit M.O.D., wo dir eigentlich alle Haare zu Berge stehen. Die
meisten Leute müssten ja wissen, daß wir von dieser Platte nicht
gerade große Freunde waren. Die Touren mit denen wir nix zu tun hatten,
sind dann ja auch ausgefallen. Mein Anliegen war aber trotzdem, mich mit Billi
Milano zu unterhalten, denn er war für mich kein politisch Rechter,
sondern ein Mensch, mit dem ich mich unterhalten musste, weil ich so viele
Leute kannte, die ihn kannten und immer gut über ihn geredet hatten, damit
er vielleicht versteht, was wir nicht verstehen, oder wo der Fehler liegt. Ich
war dann erschrocken, wie falsch die Gerüchte um seine Person waren, und
wie er eingestellt war. Daraufhin sagte ich zu ihm: Du, wenn deine
nächste Platte kommt, dann stell' doch einfach mal die Dinge klar. Stell
einfach mal klar, was nich und mit wem nich. Und die letzte
S.O.D., da waren ja nun auch klare Stellungnahmen, so weit ich weiß Texte
gegen Rechte und Rassismus zu hören. Also, eine Hardcoreband hätte
das kaum anders machen können - ja im Gegenteil, die meisten HC Bands
schaffen das nicht mal heutzutage. Nun bitte darf man auch hier nicht
vergessen, daß daß alles über einen Zeitraum von 15 Jahren
sich bewegte.
Stichwort Amerikanisierung. Man merkt ja auch deutlich,
daß der Unity-Begriff vor Jahren noch ganz anders zu verstehen war. Da
kommt ja derzeit auch gleichzeitig ein ganz komischer Gedanke von
Meinungsfreiheit auf. Danach könne auch jeder Rassist seine Meinung
äußern und man könnte das ja alles nebeneinanderstehen lassen.
Was meint Ihr dazu, sollte man nicht den Unity-Begriff mal wieder genauer
definieren?
Ja, wir haben aber kein Copyright auf den Begriff. Mit der Unity Tour (Morning
Again, Agnostic Front) versuchten wir zumindest szeneintern die verschiedenen
Musikstile wieder zusammenzubringen. Manche fragten sogar, ob wir jetzt
ne Macke hätten.
Ich glaube, mit der Kommerzialisierung der Hardcore-Szene ist auch alles
ziemlich stark eingebrochen. Die Unity Tour war ein erster Schritt. Die
politische Frage, die hinter Unity steht, die ist für mich klar gestellt.
Es geht nicht darum, daß wir alle gleich sein müssen und
zusammenhalten, sondern darum, daß es für Antifaschismus,
Antirassismus und Antisexismus eine starke Front gibt. Meine Unity ist der
Kampf gegen die Gesellschaft. Und wenn einer auf der Bühne United
strong' brüllt, dann verstehe ich genau das darunter. Mit den Leuten im
Publikum in diesem Moment unbedingt einer Meinung zu sein, ist nicht mein
Anliegen. Meine Unity ist meine politische Idee. Früher war die politische
Richtung eindeutig. Da gab es nicht die Frage konservativer Einstellungen. Es
war ganz klar, wie weit man Aussenseiter ist. Den Ruf nach Unity gab es, um uns
stärker zu fühlen. Vor rund zehn Jahren sind wir mit Slapshot,
Agnostic Front oder Sick of it all nach Hoyerswerda oder Eberswalde. Also
dahin, wo die größten Brennpunkte waren, wo sich keiner mehr auf die
Straße traute. Wir sind dahin gefahren mit einem Mob als Sicherung und
haben da unsere Konzerte durchgezogen.
Da wären wir beim leidigen Thema Nazis bei Konzerten. Mein Eindruck
ist, daß sich die Hardcore-Szene nicht mehr so schlagkräftig
ungebetene Gäste verbittet, wie es früher eigentlich gang und gebe
war.
Du sagst es. Das Problem ist heute meistens, daß in der konkreten
Situation keiner der Anwesenden die Sache in die Hand nimmt. Man darf auf gar
keinen Fall sagen, daß die Bands dafür verantwortlich wären,
die Rechten hinauszubitten. Ein Beispiel: Discipline hatten in Eberswalde
gespielt. Plötzlich standen drei White Power-Leute da. Daraufhin haben
Discipline zum Veranstalter gesagt, daß die Typen rausfliegen sollen. Der
Veranstalter meinte daraufhin, daß er die Typen nicht rausschmeissen
wird, weil es sonst riesigen Ärger mit Nazis geben würde. So, nun
steht also die holländische Band aus Eindhoven auf der Bühne, die
zwar ein wenig deutsch kann aber eben nicht richtig, und die White Power- Typen
sind noch da. Was soll die Band nun tun? Einpacken und wegfahren? Dann versteht
wohl niemand mehr die Welt und es kommen wieder nur Gerüchte auf... Also
egal, was sie in so einem Moment tut, es ist so oder so falsch.
Es ist nicht Aufgabe der Bands, die lokalen Probleme zu lösen. Es liegt an
den Leuten vor Ort, dem Publikum. Wenn man ein Problem mit Rechten hat, dann
muß man das Problem selbst lösen. Auf der anderen Seite darf man
sich auch nichts vormachen. Letztlich wollen wir ja, daß die Faschos zu
unseren Konzerten kommen. Die sollen ja schön anonym dahinkommen, denn
damit beweisen sie ja schon Kompromißbereitschaft. Und dadurch, daß
wir ihnen beweisen können, daß es auch anders geht und die sich
vielleicht sogar wohlfühlen, ist tatsächlich ihr Ausstieg
möglich. Ich kenne wirklich viele Menschen, die durch Konzerte aus der
Fascho-Szene ausgestiegen sind. Denn bei den Konzerten haben sie genau das
gefunden, was sie gesucht haben.
Hardcore ist more than music. Ein Spruch, der früher sehr präsent
war und nun ein bißchen eingeschlafen ist. Heute eine Farce?
Als ich angefangen habe Musik zu hören, war ich froh, daß es eine
Sexpistols-Platte gab. Wir haben damals auch AC/DC und Blondie gehört.
Punkrock war das, was wir gerade hörten. Für mich waren die ersten
AC/DC-Platten zum Beispiel alle Punkrock. Musik hat für uns bedeutet,
daß da mehr ist als nur Musik es hat uns Kraft gegeben. Dann
irgendwann kamen Bands mit politischen Texten, wo gerade englische Bands und
natürlich etwas später die Dead Kennedys absolute Vorreiter waren.
Das hat definitiv den politischen Schwung gebracht. Daher kam auch diese
anarchistische Note mit hinein. Und danach ... klar, man hört Bands, die
findet man toll. Es kommt letztlich darauf an, was du an der Musik hast.
Natürlich. Ein besseres Hardcore-Konzert, wo die Leute stagediven und wo
es am Ende im Chaos endet, bringt mir immer noch etwas. Zumal dann, wenn das
Publikum entsprechend so ist, daß man sagen kann Jawoll, es geht
hier so zur Sache, hier will niemand hin, der nicht dazugehört. Ich
möchte ein Publikum erleben, wo ich mir sicher sein kann, daß da nur
jemand hingeht, der wirklich dabeisein will. Mir bedeutet das Menschliche und
Charakterliche viel. Allerdings, gerade wenn man jünger ist, braucht man
solche Schlagwörter wie ...more than music, Straight Edge oder
D.I.Y. Denn man muß sich ja selbst definieren können. Eigentlich
müßten wir versuchen, erst einmal den Alterskonflikt innerhalb der
Szene auszutragen, damit man nicht alles auf Schlagworte reduzieren
muß.
Nicht zuletzt Ihr als M.A.D. habt ja ein Revival von OI! in Europa aufleben
lassen. Und dieses hat ja auch schon eine neue Generation angezogen.
Wir hatten natürlich von Anfang an gewisse Ideen damit verbunden, obwohl
wir diese Musik allein schon deshalb lieben, weil wir mit ihr aufgewachsen
sind. Als wir Business zurückgeholt hatten, wußten wir von Anfang
an, daß wir ein Problem bekommen. Denn gerade zu der Zeit war OI! weg und
eingeschlafen. Dadurch gab es im OI! musikalisch ein Gleichgewicht zwischen
Links und Rechts. Bewußt hatten wir die Sache so angelegt, daß wir
mit Leuten zusammengearbeitet haben, denen wir politisch vertrauen können.
Wir haben Drohungen von den ganzen Nazi-Organisationen bekommen, was uns
allerdings nicht abgeschreckt hat, sondern eher beflügelt. Anfangs standen
wir alleine da und haben von allen Seiten Kritik bekommen. Teilweise kamen
diese Kritiken übrigens von denselben, die heute bei den Konzerten
abfeiern und so tun, als wenn nie etwas gewesen wäre. Ich glaube, man kann
deutlich sagen, daß durch das Revival der alten OI! Bands die
Naziskin-Szene gar nicht mehr richtig existent ist. Dadurch kippt sie auch ein
bißchen zum Hardcore hin. Die Nazi-Skins sind zwar da. Aber wir brauchen
uns nichts vorzumachen, richtige Skins waren die doch nie gewesen.
Man kann also sagen, ein Kampf, der gewonnen wurde.
Ja schon, aber endgültig zu Ende ist der nicht. Es ist eine Frage der
Zeit.
Aber der Versuch, den es Anfang der 90er gab, daß die Faschos Oi!
für sich definieren, der ist gescheitert. Schaut man sich mal bei denen
um, dann trennen die Oi! und die RAC (Rock Against Communism)-Scheiße
fein säuberlich voneinander.
Genau, die haben ihre eigenen Sachen längst umdefiniert. Und dazu kommt
noch, daß sie dabei peinlicherweise feststellen mußten, daß
es in ihren Reihen keine einzige Band gibt, die Klasse besitzt.
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