Eine geheftete Zettelsammlung viel mir vor die
Füße. Derer angesichtig, blieb mir keine andere Wahl, als mich der
darin geschilderten Problematiken anzunehmen und ein Spezial dieser Rubrik zu
servieren. Denn es existieren wirklich noch Probleme in der ansonsten schon
ganz schön gerechten Leipziger Kiez-Welt, wie ich dankenswerterweise
feststellen durfte.
Ein etwas ausführlicher Papierkrieg,
ein Möchtegern-Papiertiger also, wie es ein verstorbener
schlitzäugiger autoritärer Dogmatiker einst nannte, dessen
kulturrevolutionären Bestrebungen gar nicht soweit von den nachfolgenden
Geistesergüssen entfernt liegen, wie sich zeigen wird, sprang los und
brach sich alle Pfoten dabei. Fast keiner hats gemerkt nicht mal
die vegane Tierschutzfront. Und deshalb hier ein Nachruf.
Es gibt Orte und Menschen in Leipzig, die gibt es nicht etwa nicht, sondern
nur
jenseits industriell gesteuerter Jugendverdummung (...) und
selbstzufriedener Lagerfeuer-alternativ-Kultur.
Kurzum: jenseits von Gut und Böse also. Nun fügte es sich aber,
daß sich diesen Menschen an ihrem Orte, den sie ZORO nennen, und der
tatsächlich namensgemäß zur mittelalterlichen Kulisse für
so manchen Mantel- und Degenfilm taugte, durch die Cannabis-Vernebelung ihrer
eigenen Gedankengänge für kurze Momente der Blick auf die weite Welt
ihres Kiezes namens Connewitz eröffnete. Und was die so alles wahrgenomen
haben, mein lieber Scholli, das kann einen schon blaß werden lassen vor
Neid auf soviel Reflexionsvermögen.
Dem Ambiente zwingend angepaßtes Denken kann an einem solchem Orte nur
zur Einheit von Geist und Scholle fusionieren wie weiland die von Ackerbau und
Viehzucht. Funktioniert also so, wie es die Hausordnung einer jeden Villa
Kunterbunt vorschreibt. Und das hat vor allem
tendenziös mit der Verschiedentlichkeit der Ghettos zu tun, in
denen der schwer vermarktbare (sub-) kulturelle Abschaum der Gesellschaft sein
konsequentes, aber gelegentlich langweiliges und ignorantes Freak-Dasein
fristet, obwohl das manchmal auch was für sich hat.
Statt der selbstlosen Hä, was schreiben die da für
Käse?-Frage, reicht es, an diesem Punkt festzuhalten, daß sich
die Menschen dieser
Ghettos
für etwas besseres halten, nämlich für
Abschaum.
Das wiederum muß man wissen, um deren charakterliche Mischung aus
Steinzeit- und Übermenschen-Ambitionen richtig einordnen zu können.
Im Mittelpunkt ihres Lebens steht der versuchte Verzicht auf alles, was Dasein
im Kapitalismus erträglicher macht zum Glücke der sonstigen
Menschheit gelingt ihnen das immer öfter nicht. Sie nennen das selbst
D.I.Y. (Do It Yourself)-Prinzip oder: schon heute gelebte Utopie im kleinen.
Daß man unter solchen Umständen auch noch hoffen muß,
daß diese Gestalten niemals vor der realen Situation zum Stehen kommen,
ihre großen Utopie-Phantasien innerhalb einer konkreten auszuleben, kann
einem in dieser beschissenen Welt des Kapitals nur noch mißmutiger
stimmen.
In der schon befreiten Zelle ZORO, der idyllischen Kleinsparte mitten unter
uns, verschwendet
total überhaupt niemand irgendeinen Gedanken an eine Metamorphose
des Hauses zum DIN-genormten 0815-AJZ.
Weil nämlich
in den letzten Jahren (...) von zu vielen Menschen Zeit und Energie
investiert
wurde,
so daß momentan niemand das Bedürfnis verspürt, den
Platz wegen irgendwelcher Wochenend-Freizeit-Tolldreisterei einiger
dahergelaufener Schaumstoffhauptträger preiszugeben,
wartet man eigentlich nur noch darauf, daß irgendjemand mal aus Polen
oder Tschechien schöne bunte Vorgartenzwerge mitbringt, die, erstmal
aufgestellt, das Heim noch schöner machen, in das
in den letzten Jahren (...) von zu vielen Menschen Zeit und Energie
investiert
wurde. Man kennt das von Papi und Mami her, und deshalb auch die vielen Hunde
im Eigenheim, vor denen man allerdings nicht mit Schildchen an der
Eingangspforte warnt, weil das ja rundweg spießig wäre,
die aber vor der
Wochenend-Freizeit-Tolldreisterei
der fremden Kriminellen schützen, weil mit der Bullerei zusammenzuarbeiten
ja das Schlimmste überhaupt ist. Unter dem Motto Vorsicht, wachsamer
Nachbar! hilft man sich so als Bürgerinitiative lieber selbst gegen
die landauf landab grassierende Kriminalität. Wo Mami und Papi also noch
den bürgerlichen Standard der Polizei in den meisten Fällen der
zivilcouragierten Selbstjustiz vorziehen, halten es die Feinde der
Schaumstoffhauptträger
eher mit letzterer. Wobei man nicht mal sicher sein kann, ob sie sich dabei
nicht gar vom Großvater, der kein Verbrecher war und deshalb seine
schönste Zeit bei der SA verbrachte, inspirieren liessen auf Bullen
hatte er nämlich auch keinen Bock, dafür aber um so mehr auf
Selbstbestimmung und -verwirklichung.
Weil man im alternativen Lebensborn-Heim der besseren Menschen immer auch die
Zucht derselben im Visier hat, und man sich deshalb auch
nicht wirklich als straff organisiertes Kollektiv
begreift, weil das die Züchtigung zur freien Entfaltung störte, kann
sich das Vorhaben,
sich zu jedem Furz öffentlich zu positionieren sich schon immer
ziemlich in Grenzen
halten. Wo normale Menschen einfach zugeben, daß sie sich von zuviel
Denkanstrengung und Kommunikation mit ihrer Umwelt nur belästigt
fühlen, macht man ein Gewese, als wäre es etwas ganz besonderes,
sich zu jedem Furz
nicht
öffentlich zu positionieren.
Die Gedanken sind frei. Dieses höchste Gut, so haben sie abgewogen,
schwebt über ihren Köpfen wie ein Damoklesschwert. Weil die aber frei
sind, verwechseln sie ihre Tätigkeit mit der freischwebenden Gedankenwelt,
in der sie leben. Sie ist nämlich
soweit wie möglich vom Staat und kapitalistischen Strukturen
unabhängig.
Aufgeklärte Bürger wissen im Gegensatz zu unseren Freundinnen und
Freunden, um die es hier geht, daß sich so etwas in der Welt von Staat
und Kapital nur rächen kann. Allerdings als Rache an anderen, die für
die eigenen Defizite, Fehler und Schwächen in einer Welt der Starken
darben sollen. Und so macht man sich haßerfüllt
einige Gedanken,
nein, nicht über die Ursachen von Staat und Kapital, nein,
zu sich mehr und mehr breitmachenden Anzeichen ideologischer
Verblödung, Kleinkariertheit und nicht enden wollender gegenseitiger
Diffamierungen innerhalb der uns umgebenden, sagen wir mal linken
Szene.
An dieser Stelle wird also der Quarantäne-Befehl ausgegeben. Der
Straftatbestand der Gefahr im Verzug für die
Kleinkariertheit
des eigenen Geistes gilt als erfüllt, denn gleich einer Seuche wird man
einer sich
breitmachenden
Gefahr gewahr. Und so handelt man schnell: Ob Ost, ob West, nieder mit der
Gedankenpest. Fürwahr Zustände wie im Mittelalter also, wobei der
Name ZORO sich einmal mehr als prächtig geeignet erweist. In gewisser
Weise allerdings muß man, trotzdem man davon auszugehen gedenkt,
daß die Pest nur in der sie
umgebenden, sagen wir mal linken Szene,
Unheil stiftet, doch infiziert sein. Denn man fängt nun auch schon an,
ein paar Denkanstöße geben und Fragen stellen
zu wollen. Wo soll das alles nur noch hinführen, wenn nicht mal mehr
diejenigen,
die ein paar Ideen im täglichen Leben umzusetzen
gedenken,
anstatt den Rest der Menschlichkeit
auch noch zu verlieren, sich auch nicht mehr wirklich von der Gedankentyrannei
frei machen können? Einer der Gründe besteht wohl darin, daß
man nicht so richtig klar hat, ob man nun Teil einer sie
umgebenden, sagen wir mal linken Szene
ist oder nicht, weil man ja gleichzeitig sich
innerhalb
derselben wähnt. Eine verzwickte Sache aber auch. Denn die Pest hat
schon
einen Grad der Idiotie
erreicht, daß sich der Umgang
mit eventuell Andersdenkenden speziell in einigen Publikationen
Leipzigs
was sich, ohne sich hellseherischer Fähigkeiten bedienen zu
müssen, so gut wie einzig und allein auf das monatliche Blatt reduzieren
läßt, in dem Sie, geneigte Leserin, geneigter Leser, gerade lesen
ins Unerträgliche gesteigert hat.
Jetzt, wo es raus ist, daß man sich zur armseligen Spezies der
Andersdenkenden
zählt, und sich so unter dem Schutz der FdGO wähnt, was also
heißt, daß man trotz allgemein gleicher natürlicher
Grundausstattung mit Gerhirnzellen und -windungen dieselben subversiv
also anders gegen sich selbst wendet, gibt es kein Halten mehr. Ein
übler Schwall gekotzter Brocken geht über Bord des gleichen Bootes
namens Welt, in dem man immerhin mit allen anderen sitzt, ohne es zu ahnen: Man
hat es also satt, sich noch länger gefallen zu lassen,
daß ein paar, sich alle drei Monate selbstwidersprechende,
fremdwörterstrotzend pseudo-wissenschaftlich daherquatschende
Selbstdarsteller mit ihrer Penetranz und ihrem perversen Drang nach steter
Präsenz mittels gezielter Provokation die gesamte Szene nötigen, sich
mit ihren realitätsfernen, vergeistigten Theorien
auseinandersetzen zu müssen. Denn das
nervt unendlich.
Die Traumdeutung einer jeden Psychoanalyse gerinnt hier zu Worten, ohne
daß man großartig hinterfragen müßte. Mit dankenswerter
Offenheit wird hier, quasi wie zu Studienzwecken, das ganze Arsenal bedient:
von A wie Angst, D wie Destruktionstrieb, F wie Familienneurose, H wie
Hysterie, I wie Identifizierung mit dem Angreifer oder infantile Amnesie, K wie
Kastrationskomplex, L wie Libidostauung, M wie Minderwertigkeitskomplex, N wie
Neurose, O wie Objektwahl, Ö wie Ödipuskomplex, P wie Paranoia oder
Penisneid, R wie Regression, S wie Sublimierung, T wie Triebabfuhr, U wie das
Unbewußte, V wie Vaterkomplex, W wie Wunsch, Z wie Zwangsneurose.
Auf diese umfassende Diagnose hin hat man aber wahrscheinlich schon die
vermeintlich passende Antwort parat. Sie nennen so etwas
elitäres Rumgewichse,
worauf ich nur Bingo! rufen kann.
Was mir allerdings ein wenig Sorge bereitet, das gebe ich ehrlich zu, ist,
durchaus damit rechnen zu müssen, daß, einmal als
offensichtlich mit massenhafter Energie ausgerüsteter
Selbstdarsteller,
der
mittels unzähliger Outputs nachhaltig das Klima zu
versauen
gedenkt, in dieser auch nicht nur mir zuteil werdenden Beschreibung,
gleichzeitig die Problembewältigung schlummert, die man parat hat und
nicht faul ist anzudrohen:
Grundsätzlich war und ist es unserer Ansicht nach korrekt, sich
nicht jede beschissene Provo bieten zu lassen und notfalls zur unsanften
Problemlösungsmethode zu greifen.
Es sei Euch versichert: ich bin gerüstet. Denn Krieg ist keine Lösung
und Zivilisation nicht gleich Völkermord.
Ralf
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