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Last Exit to Communism | |
Auch in Leipzig kann man Kapitalismus wieder scheisse
finden, ohne automatisch als deutsche Dumpfbacke dazustehen, die die miefige
DDR wiederhaben will. Das ist einerseits Klasse, andererseits aber auch
Krisensymptom. Es wird viel geredet und gelesen über Arbeit, Kommunismus,
Realabstraktion, das automatische Subjekt, Abschaffung, Aufhebung, Kritik oder
Politik. Doch noch redet kaum jemand von der Krisenhaftigkeit des
warenproduzierenden Systems. |
Ist das Wert-schaffende Arbeit? |
Auch im fünften Jahrzehnt wird der sozialistische Staat der Arbeiter
und Bauern auf deutschem Boden durch sein Handeln zum Wohle des Volkes, durch
seinen Beitrag zu Frieden, Sicherheit und internationaler Zusammenarbeit
ständig auf das Neue beweisen, dass seine Gründung im Oktober 1949
ein Wendepunkt war in der Geschichte des deutschen Volkes und in der Geschichte
Europas. Es lebe der 40. Jahrestag der Deutschen Demokratischen Republik!
Erich Honecker zum 40. Jahrestag der DDR
Es gibt keinen Grund, eine Krise, die es objektiv nicht gibt,
herbeizureden.
Gerhard Schröder in einer Rede am 26. Juni 2001
Krise der Arbeit Zusammenbruch des Wertprinzips
Die Diagnose der Krisis: Der Grundwiderspruch des Kapitals,
einerseits konkurrenzvermittelt immer mehr lebendige Arbeit
einzusparen und deren Tätigkeit durch Maschinen (tote Arbeit, konstantes
Kapital) verrichten zu lassen, andererseits aber zwingend auf den
einzigen wertschaffenden Faktor (nämlich menschliche Arbeit)
angewiesen zu sein, ist derjenige, an dem das Kapitalverhältnis (und damit
der ganze auf ihm beruhende gesellschaftliche Zusammenhang) zerschellen wird.
Norbert Trenkle bezeichnet diese Konstante im Kapitalismus als
logische(n) Selbstwiderspruch des Kapitals zwischen
Produktivkraftentwicklung und Verwertungsimperativ (Trenkle, S. 44).
Karl Marx: Einerseits ist es die Tendenz des Kapitals, die zur Produktion
der Ware nötige Arbeitszeit auf ein fallendes Minimum zu reduzieren, also
auch die Anzahl der produktiven Bevölkerung im Verhältnis zur
Masse des Produkts. Andrerseits aber ist ihre [der kapitalistischen
Produktionsweise mausebär] Tendenz umgekehrt, zu akkumulieren,
Profit in Kapital zu verwandeln, möglichstes Quantum fremder Arbeit
anzueignen. Sie sucht die Rate der notwendigen Arbeit herabzusetzen, aber zu
der gegebenen Rate ein möglichst großes Quantum produktiver Arbeit
anzuwenden. (Marx, S. 190).
Das Einzelkapital, das in der Konkurrenz am besten besteht, weil es am meisten
rationalisiert (lebendige Arbeitskraft eingespart) hat, bekommt den
größten Anteil an der noch vorhandenen Mehrwertmasse. Der Zwang,
Mehrwert zu produzieren, hat zur Folge, die Mehrwertmasse zu senken.
Was ist das Resultat dieser Entwicklung? Die in der Einzelware verkörperte
Menge menschlicher Arbeitskraft reduziert sich auf eine homöopathische
Dosis, sie ist vorhanden, doch nahezu nicht mehr auffindbar. Jede
Produktivkraftentwicklung äußert sich in Produktinnovationen
und/oder Prozessinnovationen. Mit erstem ist bezeichnet, dass die
Produktivkraftentwicklung zu neuen Produkten (= neuem Wert) führt.
Prozessinnovationen heißt, die Produktivkraftentwicklung führt zur
Automatisierung von Abläufen durch Einsparung menschlicher Arbeitskraft (=
Verringerung von Wert). Nun bleiben zum ersten Mal in der Geschichte des
Kapitalismus permanent die Produktinnovationen hinter den Prozessinnovationen
zurück. (Zur historischen Entwicklung ausführlich, spannend und
glänzend: Kurz, 1999). Die Perfektionierung der bestehenden Wertproduktion
gewinnt so gegen die Schaffung neuen Wertes, damit sinkt auch die
gesamtkapitalistische Wert- und Profitmasse. (Auf diesen Zusammenhang hat
erstmals wenn auch formalistisch Henryk Grossmann hingewiesen,
vgl. Grossmann, 1967). Die Wertlogik brennt aus. Das Fortschreiten dieses
Prozesses entzieht jeder soliden Warenproduktion den Boden; um den
Schein des Funktionierens überhaupt noch aufrechtzuerhalten, ist eine
fiktive Wertschöpfung per Spekulation nötig (s.u.).
Immer wieder wird klar: Es ist definitiv uncool, zu behaupten, der Kapitalismus
ginge auch und gerade ohne menschliches Zutun in die Knie. Doch gerade weil die
Krise bei Marx eine Krise des Wertprinzips ist und sich eben nicht aus der
materialistischen Geschichtsauffassung ergibt (Henryk Grossmann) und das
Wertprinzip gänzlich ohne bewusste (!) Tätigkeit der Menschen
auskommt, ja auf diese Bewusstlosigkeit angewiesen ist, folgt, dass auch diese
Niedergangsphase sehr wohl ohne menschliches Eingreifen abrollen kann
die Perspektive der Barbarei.
Bewusstes Eingreifen derjenigen, die unterm Kapitalismus leiden, ist im
Gegenteil die letzte kleine Chance für menschliche Emanzipation die
Perspektive des Kommunismus.
Die Einsicht der Gruppe Krisis, dass dieser Zeitpunkt jetzt, in
dieser geschichtlichen Periode kommt, mündet also keineswegs in einen
Geschichtsfatalismus (wenn auch gerade bei Robert Kurz
heftiger Pessimismus zu spüren ist), sondern in die Aufforderung,
Sand im Getriebe zu sein, den kapitalistischen Betrieb zu sabotieren, wo immer
das geht (Kurz). Die von der Krisis offensiv vertretene
Zusammenbruchstheorie findet viel Kritik, die aber selten kohärent ist.
So kommt es vor, dass sich die Argumentation der KritikerInnen in ihrer
Belustigung über die Apokalypsephantasien der
Krisis elementar widerspricht. Einerseits wird ihr
Geschichtsfatalismus, andererseits ein geradezu fetischistischer
Praxisbezug (v.a. von der Initiative Sozialistisches Forum
Freiburg, vgl. ihr Buch Der Theoretiker ist der Wert) angedichtet.
Dass sich Aktionismus und Fatalismus gegenseitig ausschließen, kommt
ihnen nicht in den Sinn. Ebensowenig wie sie vermutlich anerkennen wollen, dass
es nichts anderes als Fatalismus ist, immer und immer wieder nur nothing
new under the sun zu erkennen (Das Kapital ist das Kapital ist das
Kapital ist das Kapital...) und uneingestanden dem
revolutionären Subjekt hinterherzuheulen.
Die unermüdlichen empirischen Verweise auf einen wie geschmiert laufenden
Metropolen-Kapitalismus blenden zudem aus, dass die Krise z.Z. noch von den
Zentren des warenproduzierenden Systems an dessen Peripherie abgewälzt
werden kann (Stichwort: Schuldenbedienung).
Der Arbeiterbewegungsmarxismus eine Bewegung für die Befreiung der Arbeit
Mit dem Arbeiterbewegungsmarxismus der Parteien des untergegangenen
sozialistischen Lagers (inkl. der tümelnden Arbeiterfolklore
der untoten Sozialdemokratie) ist immanente Kapitalismuskritik an ihr Ende
gelangt. Immanent meint hier: nicht qualitativ über das Kapitalprinzip
(Verwertung des Werts) hinausführend, es nicht transzendierend, sondern
lediglich seine Auswirkungen (per Verteilung) modifizierend. Diese
Arbeiterbewegung knüpfte an den exoterischen Marx an, an den,
der die Arbeiterklasse von den Kapitalisten um den ihr zustehenden Mehrwert
betrogen sieht, statt an den esoterischen Marx, den
radikalen Wertkritiker und Geldverächter, der historisch jetzt zu seinem
Recht kommt und der die Fetischkategorie Wert als solche knacken
will (zum doppelten Marx genauer b. Kurz, 1995, S. 101 ff.).
Spätestens nach ca. 40jährigem Herumexperimentieren ist klar
geworden, dass eine Gesellschaft, in der Wert, Ware, Arbeit, Geld, Staat nicht
verschwunden sind, nicht befreit genannt werden kann. (Von der Tatsache mal
ganz abgesehen, dass der das Wertprinzip organisierende
schwerfällige Ostblock-Staat dem flexiblen, freien Markt
hoffnungslos unterlegen war.) Dies leugnen wohl nur noch ein paar
DKP-Finsterlinge. Nach dem Schock des Zusammenbruchs des Staatskapitalismus im
Osten (real existierender Sozialismus) kann man nun endlich die schon stinkende
Leiche der Arbeiterbewegung begraben. Die Trauer kann sich in Grenzen halten,
denn:
dieser Marxismus sorgte lediglich für die
bürgerlichen Rechte der Arbeiter, war also eine Bewegung für
Gleichberechtigung auf dem Boden des warenproduzierenden Systems; mit der
Herstellung dieser Rechte verschwindet also das historische Recht dieser
Bewegung,
damit ist klar, dass nicht ein Standpunkt jenseits der Arbeit
eingenommen wurde, sondern der Standpunkt der Arbeit gegen die angeblich
faule, schmarotzende Bourgeoisie verteidigt wurde wer innerhalb der
Unterscheidung Kapital/Arbeit sich auf die Seite der Arbeit schlägt,
transzendiert eben nicht die Unterscheidung, tritt nicht für eine
menschliche Emanzipation jenseits dieses Zwangsverhältnisses ein,
Ziel der Arbeiterbewegung war ein Staat bzw. ein Gemeinwesen, in dem
alle arbeiten, weil es allen inneres Bedürfnis ist dabei
interessierte nicht, dass Arbeit immer schon die unfreie, unmenschliche,
ungesellschaftliche, von Privateigentum bedingte und das Privateigentum
schaffende Tätigkeit (Marx, Über Friedrich List)
ist, die erst durch ein Auseinanderreißen des gesamten
Reproduktionszusammenhangs der Menschen (in unterschiedliche Sphären wie
Kultur, Religion, Erotik und eben Arbeit; vgl. zum Begriff
Sphärentrennung: Kurz, 1995, S. 113) entsteht, also durchaus
nichts Natürliches ist; ganz davon abgesehen, dass man nie wahrhaben
wollte, dass die kommunistische Revolution ... die Arbeit
beseitigt (Marx/Engels, Deutsche Ideologie),
der Arbeiterbewegungsmarxismus wollte und konnte sich nicht aus der
Umklammerung von Warenform/Denkform lösen: Die
Müßiggänger schiebt beiseite!, Wer nicht arbeitet,
soll auch nicht essen. (Das sagt nicht nur die Bibel, das sagt auch
August Bebel in Die Frau und der Sozialismus) so reden
diejenigen, deren einziges Problem ist, in der Wertgesellschaft anerkannt zu
werden, den unbedingten Nachweis zu liefern, dass sie etwas leisten,
diejenigen, die nicht darüber nachdenken, was Leistung heißt,
sondern nur darüber, wem deren Früchte zugute kommen. Immer ist das
Grundprinzip unangetastet: das Prinzip der Verwertung etwas einzusetzen,
um mehr vom Gleichen herauszuholen. Nachdem wenige Jahrhunderte genügt
haben, den Leuten die absolute Notwendigkeit der Arbeit einzubläuen, reden
sie nun tatsächlich nur mehr vom zu erzielenden Nutzen bei gegebenen
Möglichkeiten statt vom guten Leben für alle.
Spekulation
Die widerlichste weil immer antisemitische Art Kapitalismuskritik
ist diejenige, die sich auf die Spekulanten einschießt.
Mit unbedeutenden Abwandlungen läuft die Argumentation von NPD
über AnhängerInnen der Freiwirtschaft und des Schwundgeldes von
Silvio Gesell bis zu PDS-WirtschaftspolitikerInnen so: Eine von Haus aus bombig
laufende Marktwirtschaft wird immer wieder von geldgeilen kosmopolitisch
ausgerichteten Dunkelmännern attackiert. Abgehoben von jeder
Realwirtschaft spielen sie ihre undurchschaubaren Spielchen, in denen sie sich
gegenseitig Geld transferieren, um nach irgendwelchen Tricks am Ende reicher
dazustehen als je zuvor. Das Credo dieser Pseudokritik heißt also:
Lohnarbeit und Mittelstand gegen Finanzkapital für eine krisenfreie
Marktwirtschaft, in der die tüchtigen Produzenten belohnt und nicht
die unproduktiven Geldverleiher, Grundeigentümer und andere Parasiten
bereichert werden (der Neo-Gesellianer Klaus Schmitt, zit. b. Kurz,
1995a, 191 f.).
(Hierhin passt auch das scheußliche Mittelstands-Ressentiment über
die multinationalen Konzerne, die sich immer mehr aus dem eigentlich
produktiven Sektor zurückzögen und stattdessen
Wertpapiergeschäfte tätigten, denen also jede
gesamtwirtschaftliche Verantwortung abginge.
Konzernen gesamtwirtschaftliche Verantwortung anzutragen, heißt, einen in
freier Wildbahn hoppelnden Hasen aufs Zölibat verpflichten. Wer sich
freudig den Gesetzen des Marktes unterwirft, sollte nicht rumheulen, wenn auch
seine Konkurrenten nach ihnen handeln.)
Kapitalismuskritik, die sich nicht blöd machen lassen will, sollte
folgendes einwenden:
Nicht-krisenhafter Reichtum entsteht immer aus der Vernutzung menschlicher
Arbeitskraft. Wenn diese Verwertung stockt, sucht sich herumliegendes Geld
(potentiell: Kapital) Möglichkeiten, in denen es so tun kann, als
würde es sich verwerten: die Bewegung G-W-G (Einsatz von Geld, um
Waren zu produzieren, die sich teurer verkaufen, als ihre Produktion gekostet
hat) ist zusammengezogen auf G-G, Geld, das ohne reale Vermittlung Geld
heckt. Dies geschieht in den Formen des fiktiven Kapitals (bspw. Aktienkapital,
andere Finanztitel), die mit dem Kredit möglich werden. Es wird hier auf
zukünftige reale Wertschöpfung (also G-W-G-Prozesse)
vorgegriffen. Wenn die prognostizierte Verwertung ausbleibt und immer wenigere
an ihr Kommen glauben, platzt die Spekulationsblase Krise. Aller
Reichtum, der nicht reeller Kapitalverwertung (G-W-G) entstammt, wird
annuliert (und natürlich auch aus ihm kreditär abgeleiteter Reichtum:
wenn also bspw. Aktienoptionsgewinne eines Beschäftigten in einem nicht
profitabel arbeitenden Unternehmen der new economy beim Aufbau eines
mittelständischen Dienstleistungsunternehmens behilflich waren) (Dazu
v.a.: Kurz, 1995b, besonders S. 71 ff.). Das ist fast das ganze
Geheimnis. Ganz und gar nicht undurchschaubar.
Wer also vom Mehrwertterror in der Fabrik nicht reden will, sollte von den
finsteren Spekulanten schweigen, ja, der Spekulant enthält durchaus in
seinem So-Sein auch ein emanzipatorisches Moment: Er macht nämlich
wenn auch negativ deutlich, dass es etwas anderes geben muss, als die
permanente Tretmühle das gute, genussreiche Leben.
Es existiert keine üble Ausbeutersubjektivität, deren Träger aus
lauter menschlicher Verworfenheit andere Leute bestehlen wollen. Alle
Individuen in dieser Gesellschaft werden geknechtet von einem und demselben
Zwangsverhältnis, dem neuen kategorischen Imperativ: Handle so, dass am
Ende mehr rauskommt! Natürlich: Die einen haben ein größeres
Interesse als die anderen an der Abschaffung dieses Zwangsverhältnisses
ein Zwangsverhältnis, das niemand (!) bewußt gewollt und
installiert hat, bleibt es. Oder wie Franz Schandl sagt:
Was vordergründig als Profitgier der Kapitalisten und Manager
erscheint, ist aber nichts anderes als die Umsetzung der objektiven Gesetze der
Marktwirtschaft. Die Agenten des konstanten Kapitals verhalten sich bei Strafe
des eigenen Untergangs ebenso wie ihre Gegner nur rational in der großen
Irrationalität. Sie können nicht anders, wollen sie, dass ihr Kapital
bestehen bleibt. Dieses Wollen können sie nicht nicht wollen! Es betreibt
sie. Es ist sie. (Franz Schandl in: Die Krise bei Marx...)
Diesbezüglich lagern auch massig Leichen in den Kellern des Anarchismus
(um nur das Beispiel P.-J. Proudhon zu erwähnen: Nach dessen Meinung kommt
der Sozialismus mit der Einführung einer Volksbank. Die
wäre ein gigantisches Steuerungsorgan der Wirtschaft, die zinslose
contra Wucher! Kredite ausreicht. Zudem sorgt sie dafür, dass alle
produzierten Waren immer nämlich an sie abgesetzt werden
können und fast jedes Geschäft gegründet werden kann. Reichtum
ist abgeschafft, d.h., Menschen haben nur noch die Chance, durch eigene Arbeit
sich ihre Subsistenzmittel zu sichern. Niemand darf aus diesem Arbeitshaus
ausbrechen. (Solange Anarchos diesen antiemanzipatorischen Dreck nicht
endgültig in die Tonne kloppen, sollen sie sich über
sozialdemokratischen Arbeitszwang nicht aufregen.)
Ich bin! Und das ist auch gut so!
Die subjektlose Herrschaft des Wertprinzips ist nicht nur schlechthin eine der
abstrakten Arbeit über jegliche sinnlichen Bedürfnisse. Das
Vorhandensein der Arbeit selbst ist vor jeder Herrschaft des Kapitals
als automatisches Subjekt, also als die gesamte Gesellschaft unter seine
Knute nehmend Resultat einer prozessierenden Dialektik: der
Wert-Abspaltung-Dialektik (Roswitha Scholz). Der Wert kann nur dann
Realität werden, wenn es eine andere, dunkle Seite seiner selbst (quasi
die andere Seite der Medaille, nicht die, die sie bezeichnet, sondern die, die
per Negation bezeichnet wird), das Abgespaltene gibt. Dies sind bspw.
Tätigkeiten im Haushalt, Pflege, Kindererziehung, Zuwendung, Schaffung von
Gemütlichkeit und Erholungsmöglichkeiten für die produktiven
Arbeiter. Die abstrakte Arbeit als Verwertungsgrundlage ist so historisch als
männlich, die nicht verwertbare Schaffung der Verwertungsvoraussetzungen
(genauer R. Scholz: was in der abstrakten Wertform an sinnlichem Inhalt
nicht aufgeht, aber trotzdem Voraussetzung gesellschaftlicher Reproduktion
bleibt, s. Scholz, S. 23) als weiblich codiert. Roswitha Scholz spitzt
zu: Der Wert ist der Mann, allerdings nicht der Mann als
biologisches Wesen, sondern der Mann als historischer Träger der
wertförmigen Versachlichung; hier ist kein Wesensapriori von
Mann und Frau, sondern eine kulturell-historisch gewordene(n)
Tatsache bezeichnet (Scholz, S. 45 u. S. 20 Fußnote 1).
Der Blick sollte nach Scholz quasi umgestellt werden von einer Wertkritik auf
die Kritik einer falschen Unterscheidung (dass das schwer ist, weiß ich
aus eigener Erfahrung).
Das Aufzeigen dieser Dialektik durch Scholz (zuletzt in ihrem Buch: Das
Geschlecht des Kapitalismus: Feministische Theorien ..., Horlemann, 2000)
hat keineswegs das Ziel, den irgendwie unschuldigen Bereich
ursprünglicher, immer notwendiger Tätigkeiten
zu verteidigen, sondern im Gegenteil die Erkenntnis zu
etablieren, dass das ganze Verhältnis verworfen werden muss. Menschliche
Reproduktion in abstrakte Arbeit und nicht direkt verwertbare Tätigkeiten
gespalten zu haben, ist eben schon das Falsche und nicht die List der
Vernunft, an deren Möglichkeiten GesellschaftskritikerInnen
anzuknüpfen hätten (bspw. wie beim Soziologiedummschwätzer U.
Beck, der diese Art Tätigkeiten aufgewertet, kapitalistisch
anerkannt sehen will). Aufhebung des Wertes muss also heißen: Aufhebung
der Wert-Abspaltung-Dialektik, Aufhebung der Verwertung und Aufhebung
der Privatsphäre, in der die soft facts für die
Verwertung des variablen Kapitals geschaffen werden. Letztlich zielt dies auf
die Aufhebung der realexistierenden Subjektkarikatur im
Spätkapitalismus.
Sich von der eigenen Ohnmacht nicht dumm machen lassen (Adorno) ist keine
kleine Aufgabe für Linke. Nein-denken, nein-sagen, nein-handeln, stur und
uneinsichtig sein. Und natürlich: Aufklärung, Vermittlung, Agitation.
Kein Bewegungsfetischismus, aber durchaus ein Aufzeigen von Widersprüchen
(bspw. beim Thema Arbeit). Antiökonomie und Antipolitik (Kurz)
haben die Erkenntnis zur Voraussetzung, dass Marx mit dem Kapital
nicht ein irgendwie radikaleres, wahrhaftigeres Volkswirtschaftslehrbuch
für arbeitswahnsinnige Gewerkschaftsnudeln geschrieben hat, die sich
jetzt, mit vorwärtsweisenden Gedanken versehen, selbst an die Organisation
der ganzen Scheiße machen könnten, die früher ohne ihr Zutun
genauso krass und stinkend der befreiten Gesellschaft im Weg rumlag.
Immer: Sich bewußt zu sein, wie sehr man selbst in dieser ganzen
Scheiße steckt und dass Wertkritik kein Ticket zur Befreiung werden
darf.
Der Bruch mit den Fetischkategorien der modernen Gesellschaft
Wert, Ware, Arbeit, Geld, Staat zivilisiert die Verwertungsagenten zu
ihrer selbst bewussten Menschen. An den Anfang dieses Prozesses gehört die
Einsicht die viele freilich intuitiv hatten , dass Arbeit
Scheiße ist, dass nichts, aber auch nichts an ihr zu retten ist, dass
jede Art Faulheit der intelligentesten, kreativsten
Verwertungstätigkeit vorzuziehen ist.
Kritik und Selbstreflexion schaffen, dass Krisenbewusstsein nicht
umschlägt in die Dummheit, die aus der eigenen Ohnmacht folgte. Wer das
beherzigt, wird es weiter mit den Idioten auf diesem Planeten aushalten und
doch nicht so werden wie sie.
Am Beispiel: Aus der Einsicht, dass von fun zu reden, lügen heisst und
dass jede Orgie zum Marktgetümmel gerät, darf eben nicht folgen, auf
die Orgie zu verzichten, sondern in ihr vielleicht einen, wenn auch verzerrten,
Vorgeschmack auf die befreite Gesellschaft zu erhaschen.
Was ich sagen will: Zurechnungsfähige Partyboys and -girls können nur
ein Ziel haben Kommunismus.
Eine Veranstaltung wird vorbereitet.
mausebär
Literatur:
Grossmann, Henryk: Das Akkumulations- und Zusammenbruchsgesetz des
kapitalistischen Systems, Verlag neue kritik, Frankfurt, 1967, Archiv
sozialistischer Literatur 8
ISF: Der Theoretiker ist der Wert: Eine ideologiekritische Skizze..., ca
ira, Freiburg, 2000
Kurz, Robert: Postmarxismus und Arbeitsfetisch: Zum historischen
Widerspruch in der Marxschen Theorie, in: Krisis 15, 1995
Kurz, Robert: Politische Ökonomie des Antisemitismus: Die
Verkleinbürgerung der Postmoderne und die Wiederkehr der Geldutopie von
Silvio Gesell, in: Krisis 16/17, 1995a
Kurz, Robert: Die Himmelfahrt des Geldes: Strukturelle Schranken der
Kapitalverwertung, Kasinokapitalismus und globale Finanzkrise, in: krisis
16/17, 1995b
Kurz, Robert: Schwarzbuch Kapitalismus: Ein Abgesang auf die
Marktwirtschaft, Eichborn, Frankfurt, 1999
Marx, Karl: Theorien über den Mehrwert I, Dietz, Berlin, 1956
Schandl, Franz: Die Krise bei Marx: Zu hinterlassende Notate einer
exegetischen Häresie, auch bei:
contextxxi.mediaweb.at
Scholz, Roswitha: Der Wert ist der Mann: Thesen zu
Wertvergesellschaftung und Geschlechterverhältnis, in: Krisis 12, 1992
Trenkle, Norbert: Kapitulation vorm Kapitalismus, in: konkret 7/2000
Zum Weiterlesen:
www.krisis.org
www.isf-freiburg.org
homepages.compuserve.de/mbaer12
www.opentheory.org/krisentheorie
die Gruppe gibt die gleichnamige Zeitschrift heraus, die hier abonniert werden kann:
Horlemann Verlag PF 1307 53583 Bad Honnef bzw. mail an: info@horlemann-verlag.de