Das Land des Fußballwelt- und Europameisters
Frankreich hat seinen neuen Meister gefunden. Auf nationaler Ebene versteht
sich, denn währenddessen die Nationalmannschaft der Equipe Tricolore
weiterhin das Maß aller Dinge darstellt, kann sich die eigene Liga auf
europäischem Parkett kaum hervortun. Sie ist dermaßen schwach, doch
gerade dieser Aspekt kreiert eine Bühne, auf welcher sich Sportler der
exotischsten Nationalitäten profilieren können. Der letzte kommt aus
Tahiti, schoss den FC Nantes zum Titelgewinn und ist Indianer.
Selbst Marlon Brando hat neulich ein Trikot von Marama
Vahirua angefordert. Es ist nämlich so, dass der Filmstar seit den
Dreharbeiten für den Klassiker Meuterei auf der Bounty Tahiti
verbunden ist und dort auch ein Haus besitzt. Und da konnte ihm der Aufstieg
des Burschen mit der bronzefarbenen Haut, den feurigen Augen und den
pechschwarzen Zotteln nicht entgehen. Vahirua ist ein Nationalheld auf der
Insel, seit er im fernen Frankreich mit dem FC Nantes-Atlantique triumphiert
und seinen Toren auch noch Grüße in die Heimat hinterher schickt:
Mit einem Knie auf dem Rasen bedient er ein fiktives Stechpaddel, als gleite er
im Kanu übers Wasser des Südpazifik. So also wird die Nachricht auch
in Tahiti Aufsehen erregen, dass Nantes Frankreichs Fußballmeister 2001
ist. Schon eine Runde vor Schluss hat die junge Mannschaft Verfolger Lyon
endgültig abgeschüttelt und damit Vorgänger AS Monaco
entthront.
Es ist dies ein Sieg des hochgelobten französischen Ausbildungssystems,
denn von den 25 Siegern sind 19 in Nantes gereift. Auch Vahirua ist als
Jugendlicher in den Westen Frankreichs gekommen. Dass es selbst in Polynesien
Talente zu entdecken gibt, kann wohl nur den Spähern aus Nantes einfallen.
In der Tradition des Abenteurers und berühmtesten Sohnes der Stadt, Jules
Verne, reisen sie um die Welt und fischen geduldig, wo andere die Rute erst gar
nicht auswerfen. Vor einigen Jahren angelten sie sich in Neukaledonien einen
gewissen Christian Karembeu er ist mittlerweile Welt- und Europameister
sowie zweimaliger Championsleague-Sieger.
Wenn Frankreichs Fußballverband alljährlich den besten Lehrmeister
unter den Profiklubs prämiert, dann ist das meist der Klub der 260
000-Einwohner Stadt am Ufer der Loire. Nicht zufällig finden sich in der
Absolventenliste des Internats Namen wie Deschamps, Desailly oder Makelele.
Letzterer, jetzt Stammspieler bei Real Madrid, führte die Nantais 1995 zum
siebten Meistertitel.
Sechs Jahre später hat es der FC also wieder geschafft. Weil die
Generation um Vahirua hochbegabt und gut geschult ist, aber auch weil es in den
reicheren Klubs mal wieder drunter und drüber ging. Während
Größen wie Paris Saint-Germain oder Olympique Marseille
Millionenbudgets in den Sand setzen, arbeitet der FC Nantes so ruhig und
gleichmäßig wie die Loire in den Atlantik fließt. Er ist als
einziger Verein nie aus der ersten Liga abgestiegen. In 38 Jahren dort
wechselte er nur fünf Mal den Trainer, und jeder hat etwas gewonnen.
Treue zahlt sich aus, sagt Präsident Kléber Bobin.
Er hielt an Coach Raynald Denoueix auch fest, als das Team vor einem Jahr im
unteren Mittelfeld der Tabelle dümpelte. Einnahmen werden zum
Großteil in die Jugend investiert, schon Zukäufe wie der des
Rumänen Moldovan im Sommer 2000 für 15 Millionen Mark gelten am
Südrand der Bretagne als Hasardspiel. Aufsehenerregende Abgänge
dagegen drohen jedes Jahr. Um den Ausverkauf dieser Generation zu bremsen, hat
der Manager und ehemalige Spieler Robert Budzynski den Preis hoch angesetzt:
Unter 100 Millionen Francs (rund 30 Millionen Mark) pro Mann will er nicht mal
diskutieren. Dass es die besten irgendwann zu Europas Topklubs zieht, kann er
natürlich nachvollziehen und er ist auch stolz darauf. Außerdem
reift die nächste Auslese ja schon wieder heran.
Nantes ist so etwas wie das Ajax Frankreichs, auch was den unverwechselbaren
Stil betrifft, der schon den Kleinsten eingeimpft wird. Fußball à
la nantaise sagen die Franzosen, und kein anderer Klub wird mit einem
ähnlichen Etikett geadelt. Die Methode basiert auf der ständigen
Bewegung aller Akteure und auf Pass-Stafetten mit einer Ballberührung.
Scheinbar sorg- und ordnungslos flattern die jungen Fußballer
durcheinander, und auch deshalb passt der Spitzname Canaris,
Kanarienvögel.
Grund dafür sind aber vor allem die Farben der Trikots: knallgelb mit
grünen Längsstreifen. Nächste Saison sind selbige in der
Championsleague zu bewundern. Doch wie so oft wahrscheinlich nur kurz. In der
Vorrunde.
Teewald
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