home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt
[78][<<][>>]

Uferlos glücklich

Marama Portrait, 7.5k

Das Land des Fußballwelt- und Europameisters Frankreich hat seinen neuen Meister gefunden. Auf nationaler Ebene versteht sich, denn währenddessen die Nationalmannschaft der Equipe Tricolore weiterhin das Maß aller Dinge darstellt, kann sich die eigene Liga auf europäischem Parkett kaum hervortun. Sie ist dermaßen schwach, doch gerade dieser Aspekt kreiert eine Bühne, auf welcher sich Sportler der exotischsten Nationalitäten profilieren können. Der letzte kommt aus Tahiti, schoss den FC Nantes zum Titelgewinn und ist Indianer.

Marama mit Paddel, 6.9k Selbst Marlon Brando hat neulich ein Trikot von Marama Vahirua angefordert. Es ist nämlich so, dass der Filmstar seit den Dreharbeiten für den Klassiker „Meuterei auf der Bounty“ Tahiti verbunden ist und dort auch ein Haus besitzt. Und da konnte ihm der Aufstieg des Burschen mit der bronzefarbenen Haut, den feurigen Augen und den pechschwarzen Zotteln nicht entgehen. Vahirua ist ein Nationalheld auf der Insel, seit er im fernen Frankreich mit dem FC Nantes-Atlantique triumphiert und seinen Toren auch noch Grüße in die Heimat hinterher schickt: Mit einem Knie auf dem Rasen bedient er ein fiktives Stechpaddel, als gleite er im Kanu übers Wasser des Südpazifik. So also wird die Nachricht auch in Tahiti Aufsehen erregen, dass Nantes Frankreichs Fußballmeister 2001 ist. Schon eine Runde vor Schluss hat die junge Mannschaft Verfolger Lyon endgültig abgeschüttelt und damit Vorgänger AS Monaco entthront.
Es ist dies ein Sieg des hochgelobten französischen Ausbildungssystems, denn von den 25 Siegern sind 19 in Nantes gereift. Auch Vahirua ist als Jugendlicher in den Westen Frankreichs gekommen. Dass es selbst in Polynesien Talente zu entdecken gibt, kann wohl nur den Spähern aus Nantes einfallen. In der Tradition des Abenteurers und berühmtesten Sohnes der Stadt, Jules Verne, reisen sie um die Welt und fischen geduldig, wo andere die Rute erst gar nicht auswerfen. Vor einigen Jahren angelten sie sich in Neukaledonien einen gewissen Christian Karembeu – er ist mittlerweile Welt- und Europameister sowie zweimaliger Championsleague-Sieger.
Wenn Frankreichs Fußballverband alljährlich den besten Lehrmeister unter den Profiklubs prämiert, dann ist das meist der Klub der 260 000-Einwohner Stadt am Ufer der Loire. Nicht zufällig finden sich in der Absolventenliste des Internats Namen wie Deschamps, Desailly oder Makelele. Letzterer, jetzt Stammspieler bei Real Madrid, führte die Nantais 1995 zum siebten Meistertitel.
FC Nantes, 22.2k Sechs Jahre später hat es der FC also wieder geschafft. Weil die Generation um Vahirua hochbegabt und gut geschult ist, aber auch weil es in den reicheren Klubs mal wieder drunter und drüber ging. Während Größen wie Paris Saint-Germain oder Olympique Marseille Millionenbudgets in den Sand setzen, arbeitet der FC Nantes so ruhig und gleichmäßig wie die Loire in den Atlantik fließt. Er ist als einziger Verein nie aus der ersten Liga abgestiegen. In 38 Jahren dort wechselte er nur fünf Mal den Trainer, und jeder hat etwas gewonnen. „Treue zahlt sich aus“, sagt Präsident Kléber Bobin.
Er hielt an Coach Raynald Denoueix auch fest, als das Team vor einem Jahr im unteren Mittelfeld der Tabelle dümpelte. Einnahmen werden zum Großteil in die Jugend investiert, schon Zukäufe wie der des Rumänen Moldovan im Sommer 2000 für 15 Millionen Mark gelten am Südrand der Bretagne als Hasardspiel. Aufsehenerregende Abgänge dagegen drohen jedes Jahr. Um den Ausverkauf dieser Generation zu bremsen, hat der Manager und ehemalige Spieler Robert Budzynski den Preis hoch angesetzt: Unter 100 Millionen Francs (rund 30 Millionen Mark) pro Mann will er nicht mal diskutieren. Dass es die besten irgendwann zu Europas Topklubs zieht, kann er natürlich nachvollziehen und er ist auch stolz darauf. Außerdem reift die nächste Auslese ja schon wieder heran.
Nantes ist so etwas wie das Ajax Frankreichs, auch was den unverwechselbaren Stil betrifft, der schon den Kleinsten eingeimpft wird. Fußball à la nantaise sagen die Franzosen, und kein anderer Klub wird mit einem ähnlichen Etikett geadelt. Die Methode basiert auf der ständigen Bewegung aller Akteure und auf Pass-Stafetten mit einer Ballberührung. Scheinbar sorg- und ordnungslos flattern die jungen Fußballer durcheinander, und auch deshalb passt der Spitzname Canaris, Kanarienvögel.
Grund dafür sind aber vor allem die Farben der Trikots: knallgelb mit grünen Längsstreifen. Nächste Saison sind selbige in der Championsleague zu bewundern. Doch wie so oft wahrscheinlich nur kurz. In der Vorrunde.
Teewald


home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt |
[78][<<][>>][top]

last modified: 28.3.2007