Wenn ein Nagel aus der Wand ragt, so schlage man ihn ein.
(japanisches Sprichwort)
Der/die durchschnittliche japanische Oberstufenschüler/in hat neben
Schule, freiwilligen Kursen und Hausaufgaben ungefähr noch 4
Stunden Schlaf . In den USA müssen ca. 6 Millionen
verhaltensauffällige Grundschüler/innen das
Präperat Ritalin, das in Deutschland unter das
Betäubungsmittelgesetz fällt, schlucken, um aufnahmebereit für
schulische Erziehung zu sein.
Diese zwei Extrembeispiele aus allgemeiner Sicht fortschrittlicher und
hochindustrialisierter Nationen, sollen zeigen, wie freie Gesellschaften im
Stande sind, die Freiheit ihrer Heranwachsenden durch Fremdbestimmung in Schule
und späteren Arbeitsleben einzuschränken. Im Folgenden sollen einige
wesentliche Kritikpunkte am hiesigen Schulsystem und seiner Zielsetzung
aufgezeigt werden:
Eine nicht gerade geringe Anzahl von Heranwachsenden, die
sich tagtäglich einer Wissensbestrahlung in sogenannten
Bildungseinrichtungen mehr oder weniger freiwillig unterziehen,
äußern Schulkritik schlichtweg und sicherlich auch berechtigt mit
simplen Ausdrücken wie etwa kotzt an.
Doch Kritik am gegenwärtigen Schulsystem muß tiefer gehen und das
Eigentliche beleuchten, worauf Bildungsvermittlung in der heutigen
Gesellschaft zielt, denn Schulkritik ist notwendigerweise Bestand der
Gesellschaftskritik und umgekehrt.
Die Schule als solche stellt das bedeutendste Mittel der herrschenden Ordnung
dar, ihre zukünftigen Mitglieder um ihrer Fortbestehen willen zu formen
oder besser zu sozialisieren.
Kurz: Es dürfte nicht im Interesse eines (Schul)Systems sein, darauf zu
zielen, die Schüler/innen zu einem so freien Denken anzuregen, daß
diese alles, also auch das System als solches, hinterfragen.
THEY SAY JUMP, YOU SAY HOW HIGH?
Du denkst, deine Lehrer hätten dich zu einem selbstständig
denkendem und handelndem Individuum erzogen? Bist du noch selbstständig
genug, um das in Frage zu stellen?
In dem Prozess Schule wird zwar für einen gewissen Grad an Intelligenz der
späteren Bediensteten gesorgt, diese sieht jedoch logischerweise nicht
vor, das Grundsätzliche anzuzweifeln, die gegenwärtigen
Verhältnisse werden als einzig vernünftig angesehen. Dies gilt
insbesondere in der kapitalistischen Gesellschaft, welche notwendigerweise auf
die Kooperation ihrer Mitglieder angewiesen ist einer Gesellschaft, die
auf die Profitmaximierung einer Minderheit ausgerichtet ist. Für ein
Funktionieren muß das gegenseitige Einverständnis zwischen System
und Zahnrädchen gewährleistet sein.
Daß es nicht vorrangiges Anliegen ist, Wissen zu vermitteln, zeigt sich
daran, daß einer verminderten Lernleistung oder Nicht-Wissen nicht mit
erhöhtem Lernaufwand und verstärktem, verständlicherem
Unterricht begegnet wird, bis die Lücken gefüllt sind, sondern mit
Ausschluß von weiterer Bildung. Auch die vielseitig geschickt
eingesetzten Spickzettel zeigen, daß es naheliegend ist, das
(nicht)beherrschte Wissen aufzubessern, anstatt sich ehrlich auf den eigenen
Wissenstand zu testen:
1. interessiert der Unterrichtsgegenstand nur insoweit, wie er für eine
gute Note zu gebrauchen ist,
2. wird nach der Berichtigung weitergemacht, ohne auf Mängel einzugehen;
der Zweck Wissensvermittlung ist so dem Lehrplan untergeordnet.
Die Unterteilung des hiesigen Schulsystems in Haupt-, Realschule und Gymnasium
ist zwingend eine Einteilung von Menschen in Leistungsklassen, deren
Abschluß wiederum bestimmte Gebiete des Arbeitsmarktes verschließt
bzw. öffnet. Die Trennung aufgrund der Leistungsgesellschaft strebt
gewissermaßen die Bildung einer Elite an, welche später sogenannte
Besserverdienendengehälter für sich beansprucht. Für
die Hauptschüler/in hingegen, scheint aufgrund seiner/ihrer
niederen Bildungsebene eine höhere Stellung im Berufsleben
verwehrt.
Aufgrund der Tatsache, daß moderne Herrschaftsordnungen wie die
kapitalistische aus rein ökonomischen Gründen den Zwang
herbeiführt, sich ihr zu unterwerfen und dieser nicht von Oben
auferlegt ist, bedeutet das schlichtweg folgendes: Die nichtelitäre
Mehrheit muß auf ein Dasein eingestimmt werden, das sich nicht auf der
Sonnenseite des Lebens abspielt. Trotzdem sollen sie bereit sein, die
allgemeine Arbeitswut zu teilen, um sich zu ernähren und zu konsumieren,
und damit wirtschaftlich verwertbar zu sein.
Mit Absolvieren eines der genannten Bildungsgrade beginnt der Run
auf den Arbeitsmarkt, der längst nicht für jeden Platz bietet,
demnach entscheiden diejenigen das Rennen für sich, die mit dem
höheren Abschluß an den Start gegangen sind. Eigentlich
müßte jedem arbeitslosen Jugendlichen auffallen, daß es, wenn
Politiker vom großen Problem Jugendarbeitslosigkeit sprechen,
nicht um sein Problem geht, sondern daß er eins ist: er trägt so
nicht zur Steigerung des Bruttosozialprodukts bei. Daher ist das zu
vermittelnde Wissen vornehmlich zweitrangig.
Die Teilnahme am Schulunterricht dient in erster Linie dem Gerechtwerden eines
Maßstabs, einer im Prinzip Gesellschaft im Kleinen wenn von den
Zensuren, also von Zahlen die Lebenschancen der Schüler/innen
abhängen, dann ist wohl auch die Zahl am Ende wichtiger als der gelernte
Lehrstoff. Jede/r Schüler/in sollte das merken, besonders wenn er/sie nach
einer Klassenarbeit das Meiste schon wieder vergessen hat und das erstmal auch
überhaupt nichts ausmacht.
Eine bewußtseinsbildende Motivation scheint deshalb vorgeschoben und der
Eindruck einer Dressuranstalt drängt sich förmlich auf, da letzten
Endes in der Verinnerlichung der gesellschaftlichen Eckpfeiler Konkurrenz,
Leistung und der Akzeptanz bestehender Hierarchien das Hauptaugenmerk liegt.
Eine sich herauskristallisierende Hackordnung wird durch
Autoritäten in Form der Lehrerschaft gewährleistet, die durch
ständige Überwachung der unter ihnen stehenden für eine absolute
Pflichterfüllung sorgen, zumal ihnen bei Verstoß oder Infragestellen
ein ganzer Katalog Disziplinarmaßnahmen zur Verfügung stehen
Tadel, Elterngespräche, Verweise, zu guter Letzt der unfreiwillige
Schulwechsel. Der Staat schreibt das so vor der Lehrer führt es
aus.
Ein Beispiel für dieses Übertragen von kapitalistischen
Wertvorstellungen und daraus entstehenden Zwängen sind die Kopfnoten,
welche eine Bewertung der Selbstintegration eines Individuums in
ein System aus Ordnung und Disziplin erst ermöglicht wer nicht
konform ist, findet dies auch in seinen/ihren Verhaltensnoten wieder.
YOU ARE JUST A COPY OF AN IMITATION !
Der/die Schüler/in versucht daraufhin, diese Vorstellungen auf sich
zu übertragen und ist genötigt, seine/ihre persönlichen zu
vernachlässigen. Natürlich nicht ohne Voraussicht auf das
spätere Berufsleben, da der zukünftige Arbeitgeber sogenannte
Verhaltensnoten einsehen kann. Eine Benotung kann und wird aufgrund
personeller Entscheidungsfindung niemals objektiv sein dem Lehrer allein
obliegt die Benotung nach Sympathie.
Der Eindruck, bei vielen Lehrkörpern handele es sich um
Fachidioten, die nicht über die vier Mauern ihres
Klassenzimmers hinausblicken, erweckt sich anhand der Wissensvermittlung, die
gegenwärtig kaum Soziales behandelt. Auf das, was den Umgang mit anderen
Angehörigen derartiger Menschen belangt, wird wenig Wert gelegt. So wird
in Biologie immer noch auch wissenschaftlich ein nicht mehr tragbares und
überholtes Stoffgebiet der Rassenkunde behandelt, die einfache Frage,
warum so viele Abiturienten/innen einen deutschen Paß haben, stellt sich
nicht. Sexualkunde handelt zwischengeschlechtliche Beziehung immer noch unter
dem Aspekt der Fortpflanzung ab und im Religionsunterricht ist immer noch von
der einen Wahrheit die Rede, wenn auch unterschwellig. Das
verkommene Rollenverständnis von Junge/Mädchen, insbesondere die
unterschiedliche Erwartungshaltung Mädchen fleißig, bejahend
und Jungen mehr progressiv unterstreichen die Bestrebungen der
Gesellschaft, sich selbst mittels Schulen zu reproduzieren.
Die Existenz des Kurssystems an Gymnasien ab der Sekundarstufe II
begründet sich oder wird viel mehr begründet mit einer Vertiefung
spezieller Begabungen des Individuums, die es auszubauen gilt. Im
Grunde jedoch dient diese Scheinfreiheit der Wahlfächer einer
Spezialisierung für die spätere Arbeitswelt, so ist mit der Wahl
seiner/ihrer Begabungen der zukünftige Karriereweg
vorbestimmt. Etwaige Änderungen innerhalb des Schulsystems wie z.B. die
Aufhebung der Geschlechtertrennung im Sportunterricht erwecken einen Hauch des
Fortschritts, greifen letztendlich aber nicht das Fundament an, auf das sich
die derzeitige Bildungspolitik stützt. Schule im heutigen Sinne der
Leistungsgesellschaft bedeutet einen immer präsenten Leistungsdruck
für das Individuum, welches gewillt ist, seine/ihre Leistung
mit der der Anderen in Vergleich zu setzen, da sich erst hier das
Bessersein endgültig herausstellt. Dies führt zur
Entsolidarisierung der Schülerschaft und erzeugt ein Konkurrenzverhalten,
welches der Ellenbogengesellschaft in nichts nachsteht. Auf dieser Grundlage
entsteht die gewohnte Klassengemeinschaft, in der sich immer ein
Streber und mehrere Versager befinden. Am Ende des
schulischen Sozialisationsprozesses steht die Erfüllung gesellschaftlicher
Regeln in einer Art vorauseilendem Gehorsam und die Bereitschaft, ein
fremdbestimmtes Leben durch das Kapital zu führen.
So hoffen wir, daß deutlich geworden ist, daß die Idealvorstellung
die Jugend drücke der Gesellschaft den Stempel auf in dieser
Art und Weise falsch ist und die realen Zusammenhänge verschleiert.
Vielmehr ist es die Gesellschaft, die ihrer Jugend aus Gründen der
Selbsterhaltung den Stempel aufdrückt. Dennoch beabsichtigen all diese
Überlegungen nicht einen absoluten Boykott, was Schwänzen bedeuten
würde, vielmehr muß das dargebotene Wissen kritisch hinterfragt
werden und das eigentliche Ziel das Fortbestehen der
derzeitigen kapitalistischen Verhältnisse immer bewußt
bleiben. Denn mit dem Entzug täglicher Wissensvermittlung, geht der Entzug
der eigenen Kritikfähigkeit gegenüber der herrschenden Ordnung
einher. Aufgrund der schon angesprochenen untrennbaren Zusammenhänge
zwischen Schule und Gesellschaft bleibt eine Änderung der derzeitigen
Bildungspolitik unmöglich, es sei denn die Konkurrenz- und
Leistungsgesellschaft wird über den Haufen geworfen.
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