Kommentar zur Phase 2 der Antifaschistischen Linken
Die Zeit ist gekommen, endlich zu
diskutieren. Was soll diskutiert werden? Warum soll diskutiert werden? Ich
glaube, daß ist erst einmal sekundär, wichtig ist im Augenblick nur,
daß eine Form existiert, in der es sich diskutieren läßt. Den
Anfang dafür bot der
Antifakongress 2001 in Göttingen. Was soll uns
dieser Event schaffen: den Rest des Ladens der antifaschistischen Linken im
Zeitalter des Zerfalls zusammenzuhalten? Alle mit antifaschistischen, linken
Selbstverständnis sollen sich organisieren und zusätzlich soll noch
eine neue inhaltliche Bestimmung mit Wiedervereinigung künstlich
getrennter Teilbereiche entstehen. Dem Problem der Übernahme des
Themas Antifaschismus durch den Staat, das sich seit vergangenen Sommer stellt,
soll ausgewichen werden, kurz: Perspektiven aufzeigen. Spätestens seit
diesem Zeitpunkt ist es wieder mal wichtig zu sagen, daß der Staat, das
Volk, die Wirtschaft keineswegs antirassistisch bzw. antinationalistisch sind,
und es immer noch was zu holen gibt für die Linke. Nachzulesen in jedem
Aufruf, Referat und Redebeitrag des letzten Jahres, wiederholt und
zusammengefaßt auf dem Antifakongress, deshalb keine näheren
Ausführungen dazu.
Das mag sehr abwertend klingen, ist es aber nicht, denn ich will natürlich
nicht damit behaupten, die Augen zu verschließen vor
Unterdrückungsverhältnissen, die in der Gesellschaft produziert
werden. Was ich behaupte ist eher, daß mit der neuen
Themenfeldbesetzung und Reorganisierung der antifaschistischen Linken nicht ihr
Problem aus der Welt geschafft wird. Das Problem der Antifaschistischen Linken:
ihre Bestrebung endlich als wahrnehmbare Kraft im kapitalistischen Staat
politisch eingreifen zu können und die Verhältnisse so zu
reformieren, daß am Ende des Weges vielleicht doch die
Revolution mit dem Ziel einer herrschaftsfreien Gesellschaft steht. Trotz
alledem wehrt man sich vehement auf dem Wege zur Revolution gegen den Vorwurf
der Reform. Die Begründung dafür ist, daß der Weg nicht das
Ziel ist, sondern der Weg zum Ziel führt, daß am Ende des
Weges/Tunnel steht. Daraus zieht die antifaschistische Bewegung auch ihr
revolutionäres Selbstverständnis, das da heißt: wenn die
Revolution als Ziel anvisiert wird, sollte man sich die Gedanken über den
richtigen Weg sparen, gemäß dem Motto: Alle Wege führen
nach Rom!. Hauptsache man geht erstmal los und bleibt in Bewegung. Zeit
zum Nachdenken bleibt eigentlich nicht viel.
Das Ergebnis könnte erschreckend ausfallen, wenn man die Erkenntnis
erwirbt, Modernisierungsfaktor (Ralf) zu sein für eine Sache,
die man abschaffen will. Selbstreflexion/-kritik fällt der Motivation der
Bewegungslinken zum Opfer. Stillstand bedeutet Tod.
geh voran bleibt alles anders (Herbert Grönemeyer) und
außerdem: die Zeit hat man nicht. Warum, fragt keine(r), denn die
tagespolitischen Themen warten schon auf uns (euch).
Leitkulturdebatte, Zivilgesellschaft, Zwangsarbeiterdebatte, Deutscher
Angriffskrieg, Green Card & Co alles neu, alles wichtig und die Antifa will
auch was sagen zur innovativen Politik der Berliner Republik.
Differenzierung und Analyse ist notwendig der Kapitalismus ändert
seine Fratze. Betriebsam erforscht man die neuen Tendenzen, was sich
geändert hat: Nach der Devise: es gibt viel zu tun, packen wir es an.
Themenbereiche sind auszuwählen von antikapitalistisch bis
antirassistisch. Die Trennung spricht für sich. Globalisierung ist ein
Themengebiet, das für Antikapitalismus gerade steht und damit soll
symbolisch an diesem auch antikapitalistische Kritik vermittelt werden.
Antirassismus wird als Teilbereich genommen, der für sich steht.
Komplexe gesellschaftliche Zusammenhänge können nicht
unmittelbar, sondern müssen über symbolische Politik der Kritik
unterzogen und bekämpft werden
(Aufruf des Bündnis gegen
Rechts zum Antifakongress).
Wem das jetzt bekannt vorkommen mag aus den 80er Jahren, wo die Autonomen schon
einmal eine Dreiteilung der Themenbereiche vornahmen, dem sei gesagt: richtig
erkannt. Es gibt alte Ansätze, die zwar relativ erfolglos geblieben sind,
aber niemanden zurückschrecken lassen, was ihre Neuaufbereitung anbelangt.
Formel: Altautonomer Ansatz + Kritik an den Autonomen = revolutionärer
Antifaschismus der AA/BO + Antira + Globalisierung = Altautonome + neue
Organisierung.
Die neue Perspektive Antirassismus
Die erste Frage, die Beantwortung finden muß, ist die nach der
praktischen Umsetzung. Da existiert nichts jenseits der antifaschistischen
Denkform, alles in Kampagnen zu verpacken und diese dann mit vernehmbarer
Stimme in die Gesellschaft hineinzutragen. Entschieden wird nach
aktuellen Diskursen der deutschen Medien, Kritik (...) im
Kontext binnenkapitalistischer Beziehungen, Ereignisse und
Verhältnisse. (Krisis) Wenn man denkt, daß sich der einzige
Schritt, der sich in der derzeitig nicht-revolutionären gesellschaftlichen
Situation darin findet, Ereignisse/Verhältnisse aus dem Dschungel der
Verwobenheit, die uns (einige) umgibt, mit der Taschenlampe im Tunnel
anzufunzeln, um damit Entwicklungen/Prozesse aufzuhalten und
letztendlich abschaffen zu wollen, fragt natürlich nicht mehr nach, ob
eine abstrakte Allgemeinheit in der realen gesellschaftlichen Form
liegt (Krisis), sondern unternimmt den Versuch einer theoretischen
Reflexion (Krisis). Deshalb ist es natürlich eine anmaßende
Behauptung, die Antifa sei völlig theorielos. Zu recht weist sie diesen
Vorwurf zurück. Es gab immer die Auseinandersetzung mit dem Unmittelbaren.
Aber was viele immer noch nicht verstehen wollen: das ist nicht die Kritik an
der Politik der Antifa! Das soll aber nicht mein Thema sein, das erklären
schon andere.
Mein Interesse gilt eher der Betrachtung dessen, was die antifaschistische
Linke letzendlich für eine Konsequenz aus ihrer derzeitigen Situation
zieht. Antirassismus wird als ein neuer Themenbereich besetzt und
letztendlich weiß man schon im Vorfeld, daß hier
Herrschaftsverhältnisse sichtbar werden, die sich z.B. institutionell
(Abschiebeknäste), personifiziert (Deutsche Volk,
Opfergemeinschaft in Sebnitz, rassistischer Konsens,
BGS-Grenzregime) angreifen und bekämpfen lassen. Antifaschistische Praxis:
anschaulich zeigen: Wo und Wie, vermitteln: Warum, Forderung: Weg damit, Erfolg
feiern!
Das Referat des BgRs über Rassismus auf dem Antifakongress
läßt relativ viele Fragen offen. Denn die Feststellung, daß
Rassismus kein ausschließliches Produkt des Kapitalismus ist, (...)
sondern eine Verknüpfung mit der Gesamtheit der gesellschaftlichen
Verhältnisse (...) Warenproduktion, Ideologieproduktion, der Produktion
politischer Verhältnisse, staatlicher Strukturen usw.
(BgR
Rassismusreferat) dient auf jeden Fall der Rechtfertigung eines separat
gleichwertigen Teilbereiches gegenüber anderen. Der Verweis
gilt all jenen, die etwa behaupten mögen, daß es Haupt- und
Nebenwidersprüche gibt und Kapitalismus nur einer von dreien ist.
Rassismus läßt sich nicht reduzieren auf einen Nebenwiderspruch.
Diejenigen, die von einer Totalität der Waren- und Denkform im
Kapitalismus sprechen, sei damit gesagt: nicht nur Kapitalismus
produziert, oder so ähnlich?
Was wird zu dekonstruieren bzw. zu konstruieren versucht? Wenn ich nicht mehr
trenne zwischen wesentlich (wirklich) und erscheinend (unmittelbar), wird alles
was existent ist an der Oberfläche der Gesellschaft erscheinen
und es erübrigt sich logischer Weise die Nachfrage nach dem Wesen. Es
endet in der Gegenfrage, wo das Wesen wohnt? (Natürlich nur um
es kaputt machen zu können).
Begründung für diese Sichtweise, warum Rassismus nicht
bloße Erscheinung des Kapitalismus ist, wird mit folgenden
Argumenten belegt:
Es gab ja schon in vorkapitalistischen Gesellschaften Rassismus und
dieser wird sich auch mit der Abschaffung des Kapitalismuses nicht automatisch
mit beseitigen.
Die Tradition der Nation rassistisch zu denken, rührt nicht aus
sozio-ökonomischen Verhältnissen her.
Rassistische Verhältnisse umgeben das Individuum in der Wahrnehmung
der Wirklichkeit unmittelbar genauso, wie ökonomische
Verhältnisse.
Es gibt keine einheitliche Form von Rassismus, sondern bestimmte
Bereiche, in denen sich Rassismus unterschiedlich darstellt, die natürlich
nicht vollständig aus einander ableitbar, obwohl aufeinander
bezogener Elemente sind. (BgR
Rassismusreferat)
Aber auch vorkapitalistische Gesellschaftsmodelle beruhten auf Herrschaft und
Unterdrückung. Legitimation von Unterdrückungsverhältnissen,
Stabilisierung, Erhalt von Macht und Konkurrenzverhältnisse zwischen
Menschen(-gruppen) sind natürlich auch in vorkapitalistischen
Ökonomien für die Entstehung von Rassismus verantwortlich. Das Ziel
einer herrschaftsfreien Gesellschaft ohne Herrschaft des Kapitals impliziert
für mich die Abschaffung des Rassismus.
Wie Rassismus letztendlich in seiner Anwendung wirkt, und wo er wirkt, spielt
für mich in diesem Zusammenhang gar keine Rolle, denn Rassismus ist und
bleibt von Menschen für Menschen gedachte Konstruktion, die auf der Basis
eines Herrschafts-, Macht-, Konkurrenzverhältnis beruht und zur
Legitimation derer dient.
Was ist Ideologie? nach Ulrich Enderwitz
(ISF Freiburg)
Ideologie (Rassismus) ist notwendig falsches Bewußtsein, das
sich nicht erschöpft in einem bloßen Abbild der unmittelbaren
Wirklichkeit, sondern durch subjektive Faktoren beeinflußt wird oder
bestimmt. Wenn das Bewußtsein durch subjektive Faktoren beeinflußt
wird, ist es nicht objektiv (wenn Objektivität sich als Signum der
Wahrheit gilt), also falsch. Bei den subjektiven Faktoren handelt es sich dabei
nicht nur um Defizite in der Sinneswahrnehmung, Mangel an Urteilskraft, wenn es
so wäre, dann genügte es, von Versehen oder Irrtum, aber nicht von
einer Ideologie zu sprechen. Diese subjektiven Faktoren sind vielmehr positiver
Art, sind zum Wahrnehmen und Erkennen hinzutretende Bestimmungen, sind im
Subjekt wirksame Absichten und Rücksichten. Beispiele: persönlicher
Vorteil, Interessen, Vorurteile, kulturelle Traditionen, soziale
Abhängigkeit usw. Worin auch immer die Absichten bzw. Rücksichten
bestehen, ideologiebildend wirken sie nur, wenn sie zwar im Subjekt, aber nicht
mit dem Wissen des Subjektes wirken und ein Bild von der Wirklichkeit erzeugt
wird, ohne daß das Subjekt es weiß, ansonsten könnte man
getrost von einer Lüge, Täuschung sprechen. Falsches Bewußtsein
ist somit eine durch nichtbewußte Interessen verfälschte Auffassung
der Wirklichkeit. Ideologie ist sie aber nur, wenn diese Fälschung
notwendig ist. Quantitative Notwendigkeit des falschen Bewußtseins ist
durch den kollektiven Charakter der das Bewußtsein bestimmenden
Interessen zu suchen, und somit der Träger des Bewußtsein
verfälschenden Interessen nicht das Individuum, sondern die Gruppe von
Menschen mit institutionellen, kulturellen Zusammenhängen sind, die den
Einzelnen als Teil des Ganzen durch Kommunikation, Interaktion etc.
indoktrinieren und konditionieren. Das Ideologie genannte falsche Bild von
Wirklichkeit wäre demnach das Ergebnis einer gesellschaftlichen
Indoktrination im weitesten Sinn. Man sollte Ideologie nicht als
kollektiv-psychologisch relativieren, sondern sie in ihrer objektiv-logischen
Bedeutung als uneingeschränkt gültig annehmen. Der Unterschied ist,
daß die Notwendigkeit aus der Sache selbst resultiert, die sich aus der
inneren Logik des Objektes ergibt. Das bedeutet, daß die Falschheit des
im Bewußtsein entstehenden Bildes von Wirklichkeit, der objektiven Logik
des Abgebildeten entspringt und Produkt der Wirklichkeit selbst ist. So, wie
sie sich vorstellt, ist die Realität unmittelbar Gegebenes,
sinnfällige Erscheinung, auf die sich die Ideologen im positiven Sinne
berufen. Die Erscheinung scheint somit als Realität, auf die sie sich
beziehen.
Das ist der objektive Widerspruch in unserer Gesellschaft, der sich zum
Strukturmerkmal von Erfahrung schlechthin totalisiert darbietet: den
Widerspruch zwischen systematisch-ideologischer Unvermitteltheit und der
empirisch-praktischen Vermitteltheit aller Realität. Tatsache ist,
daß in einem nie gekannten Ausmaß alle Dinge dieser Welt aktuell
oder potentiell, der Sache oder der Form nach, durch menschliche Arbeit
hervorgebracht, Resultat praktischer oder theoretischer
Vermittlungstätigkeit sind. Tatsache ist aber auch, daß in einem nie
gekannten Ausmaß all diese produzierten Dinge mit einem Anschein einer
von sämtlichen Produktionsbedingungen und Produktionsprozessen
abgelösten unmittelbaren Gegebenheit und fixen Fertigkeit auftreten.
Tatsache ist, daß die Welt in einem nie gekannten Ausmaß
Warencharakter hat.
In der Tat zeichnet sich der Warencharakter durch die Gleichzeitigkeit von
konkreter Geschaffenheit und abstrakter Gegebenheit aus und ist durch ihre
Allgegenwart paradigmatisch für die heutige Erfahrung der Wirklichkeit
überhaupt. Sie ist etwas von Menschenhand und Menschengeist Erzeugtes,
trotzdem tritt sie ihrem Erzeuger als Naturphänomen entgegen. (Ulrich
Enderwitz ISF Freiburg:
Was ist Ideologie?)
hara
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