Auf den ersten Blick scheint es so, dass zwischen beiden Fällen nur dem
Namen nach ein Zusammenhang existiere (Joseph Fischer, der
angegriffene Außenminister Deutschlands und Joseph Abdulla,
das ermordete Kind in Sebnitz). Alles andere kann und darf nur aus der
krankhaften Phantasie von Leuten, die dieses Land und seinen
ununterbrochenen Wahn hassen, entspringen.
Ist es so? Oder ist das eine die Voraussetzung für das andere, dass beide
Fälle nur in Zusammenhang zueinander betrachtet, verstanden und bewertet
werden können?
Fall Joseph der Erste
Der unbedingte Realismus der zivilisierter Menschheit, der im
Faschismus kulminiert, ist ein Spezialfall paranoischen Wahns, der die Natur
entvölkert und am Ende die Völker selbst (Adorno, Elemente
des Antisemitismus).
Seit Wochen hat der Deutsche (Rinder)Wahn einen ernsthaften Konkurrenten
medial und emotional gefunden: Die Vergangenheit des
Außenministers Joseph Fischers. Die Akteure (CDU/SPD/GRÜNE/PDS usw.)
und die Seiteneinsteiger (Deutsche Linke) dieses Diskurses wetteifern um
schwerwiegende Argumente und Gegenargumente mit einer
erfrischenden, weil Klarheit schaffenden, Offenheit.
Pseudogräber werden zwischen virtuellen Fronten aufgemacht. Leute, deren
größte Differenz in dem Geschmack der Anzüge besteht, deren
größtes Dilemma also Armani oder Cerruti heißt, treten als
unversöhnliche Gegner auf; Leute, die in dem gewalttätigsten Land mit
der gewalttätigsten Gesellschaft alltäglich Gewalt produzieren,
verteufeln in Form einer Litanei von Morgens bis Abends Gewalt und
Gegengewalt.
Schändung des jüdischen Friedhofes in Erfurt, März 1926...
Café Morgenland und Dirna beklagen, daß die Deutschen und ihre Linke einen Badeunfall nicht von einem rassistischen Mord, ein Kabelbrand nicht von einem faschistischen Brandanschlag oder einen Wirbelsturm von einer antisemitischen Friedhofsschändung unterscheiden können.
An diesem Punkt muß mensch die Deutschen aber in Schutz nehmen. Denn wie sollen sie denn. In jedem Fall gibt es viel Geld. Entweder als Katastrophenhilfe, Imageverbesserung etc. – oder für die akzeptierende Jugendarbeit, deutsche Infrastruktur und ebenfalls Imageverbesserung. Im Fall Sebnitz haben sich die EinwohnerInnen mit ihrem Mord z.B. 10 Millionen DM verdient. Das unterscheidet das zivilisierte Deutschland vom Rest der Welt: anderswo ist der einfachste Weg an viel Geld zu kommen immer noch der Bankraub, hier der Mord.
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Die vordergründige Auseinandersetzung erscheint so: Ein dahergelaufener
Vertriebenen-Sohn hat nach seinem Gymnasiumsabbruch in der damaligen
Jahrgang: etwa 68 Studentenbewegung seine verhinderten Kinderspiele
ausprobiert, Steine geworfen, sich mit Polizisten gerprügelt und seinen
Freiheitskampf (darauf kommen wir noch mal) ausgefochten. Seine
Bezugs- und Erziehungsgruppe hieß Revolutionärer
K(r)ampf und sie ist, wie es scheint, der Verursacher eines des
größten politischen Wirbels des Nachkriegsdeutschlands. Nicht wegen
hervorzuhebender, besonders militanter Aktionen, nicht wegen
hervorzuhebender, besonders revolutionärer Theorien, sondern
wegen eines einzigen Grundes: Eines ihrer Mitglieder ist Außenminister
des gewalttätigsten Landes mit der gewalttätigsten Gesellschaft
geworden (vom Tellerwäscher zu Millionär, sozusagen).
Damit sollte eigentlich alles gesagt worden sein. Dass der kleine Mann
von der Straße mit Kindergartenabschluss die höchsten
Ämter in Deutschland bekleiden kann, ist ein spezifisch deutscher
Zivilisationsbeitrag, der vor allem in der Zeit zwischen 33 und 45
en masse und mit voller Effizienz zur Geltung kam und bis heute eine intensive
Sympathie und Pflege bei der Masse der kleinen Männer
genießt; insofern stellt dieses Ereignis keine Besonderheit dar. Auch das
Bild, das die Fans und die Partner dieser Öko-Gemeinschaft projizieren,
sollte eigentlich nicht auf Widerspruch stoßen. Zwei Kulturen
stoßen aufeinander (Antje Volmer), die 68er Generation soll
verurteilt werden (Rezzo Schlauch), Angriff von Rechts gegen eine
tolerante und liberale Gesellschaft (Gerhard Schröder) usw.
Und die radikalen Kritiker der beiden Lager? Sie sind anstandslos in diese
Litanei einzureihen: Er hat mit dem Angriff auf JU seine Vergangenheit
verraten (PDS), er war immer ein Opportunist und ein
Lügner (Jutta Dttfurth), wenn es um seinen Rauschschmiss geht,
dann ist es richtig, ihn zu denunzieren (Jungle World), alle lieben
den Verräter und den Verrat (Gremliza) usw.
Es ist nicht nur so, dass keiner nicht mal in Gedanken die
Heilige Kuh namens 68er-Bewegung schlachten will, sondern
und vor allem die Argumentation und die Kritik entblößen auch
einen unüberhörbaren Neid (wir waren auch Tellerwäscher und sind
es immer noch). Wobei das Letztere ganz einfach zu erklären ist. Daher
langsam und von vorne: Wir leben in einer warenproduzierenden Gesellschaft, die
u.a. durch Marktmechanismen bestimmt wird. Einer dieser Marktmechanismen ist,
dass die Nachfrage das Angebot bestimmt bzw. bestimmen sollte (Für die
marxistisch Veranlagten unter Euch: es stimmt nicht ganz, aber lassen wir es so
stehen, denn für unseren Fall stimmt es auf jeden Fall.) Wenn also
für wenige Posten viele KandidatInnen sich bewerben, dann werden die
besten, die flexibelsten, die billigsten, die biegsamsten (vor allem nach
vorne) und die skrupellosesten (AnalkarrieristInnen) genommen. So ists
halt in jeder halbwegs ordentlich funktionierenden Firma.
Wenn also Gremliza kein verhinderter Kultusminister mehr sein will, dann
genügt es nicht nur, ab und zu rassistische Sprüche durch seine
Jünger in Konkret schreiben zu lassen, dann genügt es
nicht, in seiner Zeitschrift den Kampf gegen Islam zum Schwerpunkt des eigenen
Daseins zu machen, da gehört etwas mehr dazu. Das Spiel, auf der einen
Seite seine Klientel bei Laune zu halten, und auf der anderen Seite dosierte
Examensarbeit zu leisten, erscheint für die Entscheidungsträger der
neuen Republik noch nicht glaubwürdig genug. Auch für einen
Wertmüller als zukünftiger Staatssekretär irgendeines
Ministeriums reicht es nicht, sich bei jeder Gelegenheit mit aller Kraft um die
Relativierung des Deutschen bzw. die Entlastung Deutschlands zu bemühen:
Gewiss ist der Antisemitismus, wie er in Auschwitz zu seinem
eliminatorischen Höhepunkt kam, deutsche Tat und deutsches Exportgut. Der
Hass gegen die Juden als >>Agenten der Zirkulation<< ist im
islamischen Kulturraum freilich älter und nicht erst seit der
Balfour-Declaration von 1917 vorhanden. Aus altem Ressentiment und der
Zustimmung zu einer höchst modernen Vernichtungstat eine Nationalideologie
auf den Weg gebracht zu haben, ist eben nicht nur eine deutsche
Leistung (Jungle World Nr. 6/2001). Es genügt auch nicht,
nur als Islam- und Kopftuchexperte zu kokettieren, er muss auch mit
Hand anlegen.
Ob allerdings manche andere das Zeug erwerben können (im Sinne der
geforderten Fähigkeiten; man muss nicht nur wollen, sondern auch
können), ist noch fraglich.
Und selbst dann bleibt die Frage offen, wohin mit so vielen: Die
Exekutionsverwaltung im Kosovo wurde bereits dem Vietgong-Fan Tom Königs
vergeben, die psychologische Betreuung der albanischen Mörderbanden Frau
Witt überreicht, das Innenministerium dem Schily anvertraut, das
Kuh-Ministerium gerade der Künast überantwortet; das
Außenministerium ist eh weg; Frau Volmer klebt auf Lebenszeit am
Parlamentspräsidium (die kriegt so leicht keiner mehr weg). Auch die
Referentenstellen sind alle weg. Was bleibt, sind nur drittklassige Jobs, wo
man lieber bessere Angebote abwarten sollte. Bis dahin also
außerparlamentarische Opposition spielen und auf die Einhaltung der
deutschen Nachbarschaftshilfe wenn ich es mir nicht leisten kann, dann er
erst recht nicht achten.
Wenn aber das nur alles wäre, hätten wir es uns tatsächlich zu
einfach gemacht. Denn die eigene Überzeugung darf nicht außer acht
gelassen werden. Die Haltung zu der 68er Bewegung entspringt nicht nur aus der
opportunistischen Gemütslage, sondern ist ein wesentlicher Bestandteil der
Lebensweisen und Handlungen der heutigen Akteure.
Um es kurz zu machen: Was Ihr da verteidigt, was für euch schön und
teuer ist, ist nichts anderes gewesen als die unabdingbare Voraussetzung
für die Wiedervereinigung und als deren Folge die
ungezügelte Entfaltung des deutschen Wahns; es ist nichts anderes als die
substantielle Voraussetzung für die Bombardierung Jugoslawiens und
demnächst irgendeines anderen Landes und Bevölkerung.
Die Fischers dieses Landes weisen keinen Bruch, sondern eine erstaunliche
Kontinuität auf. Man kann ihm höchstens zu viel Geradlinigkeit
vorwerfen. Der groß aufgemachte sog. Widerspruch zwischen früher und
jetzt bei ihm und seinesgleichen ist gar keiner.
Der Reihe nach: Bis 1968 befand sich das Land trotz Wirtschaftswunder
in einer politischen Lethargie (was schlecht für das
Nachkriegsdeutschland und gut für den Rest der Welt war). Selbst die
Wirtschaft wurde unruhig, da die Produktionsweise immer noch nach dem alten,
überholten preußischen Kulturbetrieb funktionierte. Niemand wollte
von Teamgeist was wissen. Der Chef war nur der Boss und nicht dein
Kollege und hatte auch noch konservativ zu sein und die CDU zu wählen.
Alle arbeiteten nach Vorgaben, die Entwicklung von Eigeninitiative
war verpönt, geschweige denn die Förderung von Kreativität
und Phantasie (darunter litt vor allem das Produktdesign und das
Marketing).
Das Land war aus der Sicht seiner Bewährungshelfer (damals Alliierte
genannt) problemlos kontrollierbar, unterwürfig, ein echter
Verbündeter (in Ost wie in West). Wenn in diesen Zeiten ein
Verteidigungsminister mit verbalen Angriffen die USA-Militärpolitik
attackiert hätte (wie aktuell der ertappte Uran-Scharping es tat),
wäre sein Rücktritt eine Frage von ein paar Stunden gewesen. Die
Frage, ob die Deutschen wieder Lust hätten, andere Länder zu
überfallen, stellte sich nur rhetorisch: Sie durften es einfach nicht.
So atmeten die Völker etwas auf, begruben ihre Opfer und widmeten sich
Revolutionen, Konterrevolutionen oder den Beatles zu, an Deutschland und ihren
kreidegefressenen Regierungs-, Wirtschafts- und Justizrepräsentanten
(Altnazis) vorbei.
Ziel und Aufgabe der 68er Bewegung war, diesen politischen Zwerg
aufzurütteln, ihm Modernität und Effektivität,
Selbstbewußtsein und Erhabenheit zu verleihen, aus den Unterjochten eine
aufrechte Nation zu schaffen. Eine, die die Welt wieder zu spüren bekommen
sollte, die den Aufbruch oder nach Fischers Sprechart den
Freiheitskampf gegen die Besatzungsmacht USA und für
Demokratie, gegen jüdische Spekulanten und für
Zivilgesellschaft wagen sollte. Die vordergründigen Argumente
(Vietnamkrieg, Altnazis an der Regierung, Wiederaufrüstung usw.) erwiesen
sich im Nachhinein lediglich als Vorwände und nicht als die eigentlichen
Beweggründe.
Die 68er Bewegung war eine antisemitische, deutsch-nationale Bewegung. So
wurden in verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen neue deutsche Wege
ausprobiert: Arische Zuchtvereine (Kinderläden) entstanden wie Pilze aus
dem Boden mit riesigem Zuspruch und -lauf. Deutsche Kollektive,
Wohngemeinschaften genannt, deren Regelapparat und Hausordnung manchen
autoritären Regimen das Wasser abgraben würden, wurden massenhaft
gegründet und kultiviert. (Die Aufnahme laut Pohrt in ein
solches Kollektiv war i.d.R. schwieriger als die in den öffentlichen
Dienst). Vagabundierende Bürgerwehren (Bürgerinitiativen genannt)
bepflasterten die Straßen und verteilten allerlei
Volksaufklärungsblätter, um das Volk für das große Ziel
(siehe oben) zu gewinnen. Die heutige Innen- und Außenpolitik
Deutschlands ist nichts anderes als die konsequente Vollendung des damaligen
nationalrevolutionären Projektes, das sich in der Formel dem Volke
dienen am ausdruckvollsten wiedergeben ließ.
Dass damals einige wenige anders als das einmütige Gros dachten und
handelten, kann nicht im Rahmen dieses Paradigmas der deutschen 68er Bewegung
gehandhabt werden. Wie gern und wie unbeirrt auch alle hierzulande in diesen
seltenen Ausnahmewegen die konsequente Weiterführung der 68er Bewegung
sehen, sind sie nichts anderes als eben das Gegenteil, d.h. die raren Momente
eines radikalen Bruches mit ihr gewesen. Die emanzipatorischen und
humanistischen Gedanken und Positionen, die die Brüchigen
bewogen, hatten mit der deutschen 68er Bewegung nichts zu tun es sei
denn in einem absolut negativen Sinne: Sie standen eben im totalen Widerspruch
zu dem 68er Programm. So mussten die Brüchigen selbstverständlich den
denkbar schärfsten Sanktionen unterzogen werden, so mussten manche von
denen lebendig begraben werden. Die aus diesen Erfahrungen gewonnene und
äußerst effiziente Technologie wird von der neuen Republik und ihren
rot-grünen Verwaltern auch anderen Ländern als moderne
Entwicklungshilfe zur Verfügung gestellt (z.B. der Import der
F-Typ-Gefängnisse in die Türkei).
Wenn heute Fischer den historisch besetzten Begriff Freiheitskampf
verwendet, so handelt es sich nicht um eine nostalgische Geste an die Adresse
der Dritte-Welt-Bewegungen, sondern um die Wiederbelebung des historischen
Begriffes, der bereits zu Zeiten Napoleons konstruiert wurde, als die junge
französische Republik den scheiternden Versuch unternahm, den Germanen zu
reformieren, der den Widerstand der Deutschen gegen die Reformen Napoleons
markierte. Dieser Begriff setzte seine glorreiche Karriere bei der folgenden
Generation der deutschen Revolutionäre (Nazis genannt) gegen die
Versailler Verträge fort und erlangte neuen Ruhm im Jahr 68 und
danach.
Wenn Fischer heute betont, dass er nach wie vor für den Schutz der
Schwachen eintritt und zwar auch mit extremen Mitteln, dann muss man es ihm
abnehmen, weil er den Schwachen dieser Welt (UCK, ungarischer Minderheit in
Jugoslawien, Vertriebenen usw.) in der Tat tatkräftige Hilfe leistet.
Was den Antisemitismus der Bewegung betrifft, kommt er nicht nur darin zum
Ausdruck, dass auch damals jüdische Einrichtungen zusätzlichen Schutz
dringend nötig hatten, sondern auch in der ruhmvollen Geschichte der
Hausbesetzungen in Frankfurt. Hier genügt, sich die Einschätzung von
Ignatz Bubis ins Gedächtnis zu rufen. In einem Interview sagte er, dass,
obwohl es über ein Dutzend Immobilienhändler in Westend gegeben
hatte, ein einziger herausgegriffen, zum Spekulanten und zum Feind erklärt
wurde. War es ein Zufall, dass er ein Jude war? Solche Zufälle gibt es in
Deutschland nicht.
Das ganze Elend von damals wird auch heute fortgesetzt. Wie Fischer selbst
sagt, wollten die damaligen Revolutionäre die
ArbeitsmigrantInnen unterstützen, Solidarität mit diesen Entrechteten
zeigen. Immer die gleiche Scheiße: Wenn du das richtige Objekt, die
passende Galionsfigur gefunden hast, kannst du damit jeden Scheiß
rechtfertigen. Jeder weiß, dass die Lebensumstände der MigrantInnen
ALLEN damals Beteiligten am Arsch vorbei gingen. Wie es nach wie vor in
vergleichbaren Kontexten der Fall ist, dienten damals die MigrantInnen oder das
Opel-Proletariat als Galionsfigur, als die unbefleckte und reinigende Nixe am
Bug des wodanschen Schlachtschiffes, oder bestenfalls als Versuchskaninchen
für den Freiheitskampf. Heute müssen z.T. andere für
den Expansionsdrang Deutschlands herhalten.
Das enzyklopädische Wissen über die Verbrechen der Elterngeneration
(Auschwitz) war nichts anderes als das ideologische Fundament für die
Rechtfertigung des militärischen Angriffs auf Jugoslawien (und eine
antörnende Reminiszenz selbstverständlich). Um diese Kontinuität
und um die Gewissheit, dass der Joseph einer von uns ist, wissen
die Stammtischgeschwister besser als seine radikalen Kritiker. Alle Umfragen
belegen, dass der deutsche Stammtisch an ihm festhält, dass kein
Rückgang in der Sympathie für ihn zu erkennen ist.
Was den deutschen Wahn betrifft, ist festzuhalten, dass das rot-grüne Pack
mit seinem 68er Lexikon des Sozialklimbims sowohl als Opposition als auch
später als Regierung die Rechtfertigung der Pogrome von heute und die
Soziologisierung/Psychologisierung der Rumtöterei der Jungdeutschen als
erster und am effektivsten betrieben, und so zu deren konsequenter Ausbreitung
beigetragen hat (es ist kein Zufall, dass in erzkonservativen Gegenden
wie in Bayern strengere Verfolgung der Nazi-Horden möglich ist, als
in den rosa Gegenden wie Brandenburg, Meckpom, NRW usw.).
Wenn die Sebnitzer Behörden, die Aktion Deckel drauf so
hemmungslos durchziehen können, so können sie es nur deswegen, weil
sie der Unterstützung und Rückendeckung der Bundesregierung
über Parteiengrenzen hinweg gewiss sind.
Und so kommen wir zu den Auswirkungen der Aufbruchstimmung unter den Deutschen,
die 1968 eine Wiederauferstehung erfuhr (in diesem Sinne versinnbildlicht die
sog. 68er Revolution das Ostern, also das Fest zu ewig wiederkehrender
Auferstehung der germanischen Frühlingsgöttin Ostara, vgl.
Ostermärsche), 1989 mit der Wiedervereinigung und der gelungenen
Eindämmung des physischen Unwesens ausländischer
Mitbürger den ersten Etappensieg davontrug, 1998 den perfekten
Kollektivmord in Sebnitz initiierte und heute wieder eine selbstbewusste Nation
geworden ist.
Fall Joseph der zweite
Was ich damals gedacht habe und ob ich überhaupt etwas gedacht
habe, kann ich heute nicht mehr sagen. Ich kann auch heute nicht mehr sagen, ob
ich durch die damalige Propaganda zu beeinflußt war, daß ich mich
dem mir erteilten Befehl nicht widersetzt habe. (Gaswagenfahrer
Walter Burmeister)
Vor über 2 Jahre ermordete eine Gruppe von Deutschen im Sebnitzer
Schwimmbad das einzige in der Stadt lebende nichtdeutsche Kind, den
6-jährigen Joseph Abdulla, Sohn einer deutschen Wessi-Frau und eines
Kameltreibers (nach Sebnitzer Dialekt) bzw. eines
Gesichtspelzträgers (nach linkem Dialekt, siehe dazu Konkret), der mit
seiner Schwester das Bad an dem Tag besucht hatte. Über 300 Badegäste
allesamt Deutsche beteiligten sich an seiner Ermordung oder
leisteten passive Unterstützung. 10.000 Einwohner (die
Gesamtbevölkerung von Sebnitz), Kommunalbehörde, Kirche, Justiz und
Polizei kriegten es hin, über 2 Jahre lang das ganze mit dem Mantel der
deutschen Nächstenliebe zuzudecken. Ein perfekter Mord? Noch ein Mord
unter den vielen rassistischen Morden? Wohl kaum!
Sieht man genau hin, entdeckt man eine Einmaligkeit in der Nachkriegsgeschichte
dieses Landes: Sie besteht einzig und allein darin, dass all das, was von den
schärfsten Kritikern dieser Population ANGENOMMEN wurde, EINGETRETEN ist:
Der nüchterne, sanfte, ruhige und von ALLEN im ausgeglichenem Verein
verrichtete, spontane (da nicht logistisch geplante) Kollektivmord an einem
Kind, der in die Landschaft der eliminatorischen Strukturen der Deutschen erst
durch sein Ende passte.
Wie war es möglich, bei mangelhafter Organisation und heruntergekommener
militärischer Disziplin, bei sonst regem nachbarlichem Hader, wie er unter
den 10.000 Einwohnern üblicherweise zu erwarten ist, wie war es
möglich, daß bei allen großen und kleinen Differenzen bei so
vielen Leuten eine solche Tat so lange und so total vertuscht werden konnte
in jeder Hinsicht?! Niemand hat sich mit der Tat gebrüstet
ich war auch dabei, obwohl so etwas auf totale Zustimmung und
Bewunderung gestoßen wäre, keiner hat in seinem Suff geplappert,
kein Journalist sei es nur aus Sensationslüsternheit hat
recherchiert. Nichts.
Und nicht ein einziger, weder auf dem Sterbebett noch in irgendeinem Moment der
Unbedachtheit oder psychischen Labilität, die weil vielleicht das
Kind und nicht die verhassten Eltern das Opfer war einen Reue empfinden
lässt, kam auf die Idee, die Tat zu denunzieren. Nur die
verrückte Mutter (die vor nichts und vor allem nicht
vor einem deutschen Kollektiv zurückschreckte) recherchierte
hartnäckig, bis die Fakten auf dem Tisch lagen.
All das war nur möglich, weil das Fundament, aus dem die Täter und
die Strukturen, in denen die Tat stattgefunden hat, dem deutschen Wahn in
seiner Vollkommenheit entsprach. Insofern sind die Fragen in der Tat
völlig fehl am Platze. Noch schlimmer: Es können faktisch keine
Fragen gestellt werden, die eine Erklärung herbeiführen könnten.
Denn die Möglichkeit, Fragen zu stellen, würde Eigenschaften wie
Reue, schlechtes Gewissen, Unachtsamkeit, Denunziation der Mitglieder der
eigenen Bande usw. sowohl voraussetzen als auch suggerieren, die aber in der
Konstellation solcher Verbrechen, d.h., deutsches Kollektiv versus
nichtdeutsches Angriffsobjekt, bis dato in der uns bekannten Geschichte keinen
Platz hatten, weil sie in diesem Kontext nicht vorhanden sind und insofern
deren auftreten ausgeschlossen ist.
Jeglicher Geheimbund, jede vorstellbare Verschwörergemeinschaft, Sekte
oder irgendetwas, was uns aus der Geschichte (aber auch aus der fantastischen
Literatur) bekannt ist, verblasst vor der Vollendetheit des Handlungsablaufs,
vor der Absolutheit und totaler Konsistenz des vor uns erscheinenden
Kollektivs.
Aber Gewiss doch: seit 10 Jahren wird in diesem Land gemordet, gejagt,
gebrandschatzt. Ganze Stadtteile rasten in Pogromen gegen die
Fremden aus, täglich und an Wochenenden. Und wenn sie nicht an
lebenden Objekten ihren Wahn austoben dürfen, dann müssen
jüdische Friedhöfe daran glauben. Hundertfach, überall, im
Westen und im Osten. In den entlegensten Gegenden wie in urbanen
Großstädten, in proletarischen wie in Villenvierteln, in rechten wie
in linken Kollektiven, unter Jungen wie Alten, Männern wie Frauen
gleichermaßen. Und trotzdem gab es bei allen diesen Verbrechen immer
etwas, was den tatsächlichen und potentiellen Opfern einen kleinen
im Promillebereich Hoffnungsschimmer übrig ließ. Und solange
diese Vollkommenheit nicht real nachweisbar war, beruhigten sich die
Angegriffenen mit Hoffnungspillen, dass es doch möglich sei, dass man,
wenn man bisschen mehr aufpasse, bestimmte Gegenden meide, das und jenes mache
oder nicht mache, halbwegs am Leben bleiben könne, weil halt nicht alle so
seien, weil es auch andere gebe, die einem womöglich sogar beistehen
würden. Solange einem diese Annahme nicht absolut irrig erschienen ist,
sind die notwendigen Konsequenzen immer wieder auf spätere Zeiten
verschoben worden.
Es ist was anderes, wenn, wie wir immer wieder getan haben, kategorisch
konstatiert wird, dass etwas zu jeder Zeit und Ort, durch jedes Mitglied dieses
Kollektivs möglich ist, und etwas ganz anderes, wenn es eintritt.
Und gerade mit Sebnitz ist jegliche in höchster Not zur Selbsteinlullung
abrufbare Annahme zunichte gemacht worden. Denn bei vorliegenden Tatsachen
bedeutet es, dass weder das Alter, noch die Gegend, noch dazu der Ort, noch die
zufällige Ansammlung von unterschiedlichen Deutschen ein Schutz für
Leben und Leib bietet. Im absoluten Gegenteil stecken offenbar die
Voraussetzungen für den perfekten Kollektivmord eben in diesem markanten
Fehlen von näheren Spezifikationen darin, dass kein einziger
soziologisch sonst relevanter Parameter wie Alter, Beruf, Geschlecht,
Einkommen, Wohnsituation usw. hier eine Rolle spielt.
Die aktuellen Untersuchungen untermauern das kriminologische Paradox.
Üblicherweise untersucht die Verfolgungsbehörde die Nachweisbarkeit
des Verbrechens und die Überführbarkeit der Täter. Hier
läuft es radikal anders: Die Verfolgungsbehörde bemüht sich
und das verkündet sie in aller Öffentlichkeit , zu
beweisen, dass es kein Mord war. Noch mal zu der absurden deutschen Logik: So
könnte sie ja auch beispielsweise nachweisen, dass es kein BSE-Fall oder
kein Autounfall gewesen ist. Also die Verneinung von etwas Beliebigem. Dass
sie gerade den Nichtmord beweisen will, zeigt das Ausmaß der
Absurdität des Ganzen. Denn alle Fakten sprechen dafür.
Nur ein einziges Beispiel: die ersten Untersuchungen haben die These
bestätigt, dass es sich um Ertrinken handele. Man muss kein
besonderes medizinisches Wissen besitzen, um zu wissen, dass eine solche These
damit begründet wird, dass Wasser in der Lunge des Opfers nachgewiesen
wird. Dies ist so banal wie selbstverständlich. Und gerade darauf beruhte
das erste Gutachten. Das neue Gutachten behauptet jetzt das Gegenteil: Herztod,
da kein Wasser in der Lunge gefunden wurde. Aber wen interessieren schon
solche Kleinigkeiten.
Hauptsache, eine Erklärung muss her, damit das Thema abgeschlossen wird.
Und alle sind froh. Die Deutschen aus verständlichen Gründen. Und die
anderen, die potentiellen Opfer? Sie können sich wieder an ihren Strohalm
klammern und mit der Lebenslüge weiterleben, dass ein Leben in Deutschland
möglich sei (auch wenn nicht alle zu Zlatkos oder Zaimoglus mutieren und
sich so der ehrenvollen und vergleichsweise sicheren Aufgabe widmen
könnten, die deutschen Gemüter aufzuheitern die Anzahl der zur
vergebenden Stellen sind bekanntlich begrenzt).
Somit tritt eine erschreckende Zurückhaltung zutage. Keine
Proteste, kein Widerspruch. Nichts, so dass es uns verständlicherweise
angenehm überraschte, dass ein Aufruf aus Leipzig zu der Demo nach Sebnitz
uns erreichte. Trotz mancher Bauchschmerzen, die wir damit hatten, machten wir
uns ran, dahin zu gehen. Bis wir den offiziellen Gruppenaufruf
gelesen haben und uns fragten, ob wir uns mehr über das Herummogeln um die
Tatsachen oder über die Dummheit der VerfasserInnen
(Natürlich sind 10 Deutsche dümmer als 5 deutsche,
Heiner Müller) ärgern sollten.
Die Demo findet statt, nicht um gegen den Mord zu demonstrieren, sondern um was
anderes, was das Ganze umkippt: Weil der Weg von Hoyerswerda nach
Sebnitz über Rostock, Mölln, Lübeck, Guben und und und ... immer
über Leichen ging, hätte allen, die sich auch nur die Medienberichte
über Sebnitz angesehen haben, klar sein müssen, daß, auch wenn
ein rassistischer Mord an Joseph Abdulla nie nachgewiesen werden kann, in
Sebnitz alle Voraussetzungen für eine solche Tat erfüllt
sind. Wie kommen die Verfasser darauf, so etwas zu sagen? Erstens:
Wer außer die Familie Abdulla hat je den Versuch
unternommen, den Mord nachzuweisen? Alle Anderen haben doch nur versucht, den
NICHTMORD nachzuweisen. Zweitens: wem soll etwas nachgewiesen werden? Uns
zumindest genügen die bisherigen Beweise. Sie sind übrigens
wesentlich konkreter, wesentlich faktenreicher als alle anderen im Flugblatt
erwähnten Ereignisse.
In Lübeck z.B. haben wir gegen die Täter in Grevesmühlen
demonstriert, nicht weil wir behaupteten, Grevesmühlen erfülle die
Voraussetzungen für eine solcher Tat, sondern, weil wir behaupteten, dass
die Täter dort sitzen, geschützt von der Volksgemeinschaft. Wieso ist
das in Sebnitz nicht möglich? Ist es vielleicht doch die
Rückversicherung, die man braucht, auch wenn dies im Flugblatt bestritten
wird, um weiterhin oder überhaupt ernst genommen zu werden?
Ist es vielleicht doch wieder so, dass für die These es war ein
Kollektivmord wieder CM herhalten muss, damit andere
anständig bleiben? Oder macht ihr euch Sorgen um die
Glaubwürdigkeit der Beweisführung vor den 80 Mio. Deutschen?
Wenn die aus juristischer und auch jeder sonst denkbaren Sicht einzig tragbare
Annahme nicht für möglich gehalten wird, dann ist eine Demonstration
auch nicht möglich.
Die Sebnitz-AG beim Leipziger Bündnis gegen Rechts geht
weiter: Ob es, der Tod von Joseph, nun ein Badeunfall, ein
rassistischer Mord oder irgendetwas dazwischen war, spielt für uns dabei
keine Rolle. Anscheinend kann man inzwischen jeden Scheiß
erzählen und sich dabei auch noch pudelwohl linksradikal vorkommen.
Badeunfall ist Badeunfall und rassistischer Mord ist rassistischer Mord! Wenn
dies für jemanden keinen Unterschied mehr darstellt, dann läuft
irgend etwas völlig daneben. Andererseits hatten wir etwa das Gleiche
schon einmal, als nämlich am Anfang in Lübeck von technischem
Defekt als Ursache des Brandes die Rede war. In seitenlangen Texten mit
akrobatischen Formulierungen wurde von derjenigen die unbedingt
sauber bleiben wollten, der prophylaktische Versuch unternommen,
beides auf eine Stufe zu setzen: ob um einen technischen Defekt oder um
einen rassistischen Mord es sich handelt, ist für die Opfer das
Gleiche, mit der Forderung als folgerichtiger Schlussfolgerung
nach technischen Sicherheitsmaßnahmen bei
Flüchtlingsunterkünften. Hoffentlich endet das Ganze hier nicht in
der Forderung nach Sicherheitsstandards und nach besserer Badeaufsicht für
das Sebnitzer Schwimmbad!
Zurück zum Aufruf: Laut VerfasserInnen sind alle Voraussetzungen
vorhanden, dass so etwas passieren kann. Nun, wie wir vorhin betont haben, kann
diese Annahme für jeden Ort begründet werden, überall in ganz
Deutschland, im Westen wie im Osten. Die Besonderheit von Sebnitz ist doch
gerade, dass es sich hier nicht um eine Annahme, sondern um die Tatsache eines
kollektiv praktizierten Mordes handelt! Wenn das nicht zu Sprache gebracht
wird, handelt es sich um Makulatur, um Effekthascherei, um etwas anderes.
Ein weiteres Anliegen des Flugblattes, dem sonderbarerweise leidenschaftlich
nachgegangen wird, ist die devote Entlastung des Westens vom Vorwurf des
Deutschen Wahns: Die Bereitwilligkeit der Ostdeutschen, die kargen
Errungenschaften des Staatssozialismus wie die Enteignung der großen
Kapitale, die Abschaffung des privaten Bauernstandes und des privaten Handwerks
einfach aufzugeben und die früheren Eigentumsverhältnisse wieder
vorbehaltlos anzuerkennen, korrespondiert aufs Unheilvollste mit der
verbissenen Verteidigung von autoritären Staatsfunktionen, die sie zu
staatssozialistischen Zeiten ehrenamtlich und als Bürgerpflicht
auszuüben gewohnt waren und die sie heute gegen jede fremde
Anfechtung in Anschlag bringen. Man erinnere sich nur an die freiwilligen
Verkehrshelfer, Leute zwischen 9 und 99, die sich kraft Ordnungshüterbinde
anmaßten, jedermann wegen regelwidrigen Überquerens einer
Straße anzupöbeln; man erinnere sich an Hausgemeinschaften, deren
Mitglieder jeden falsch geparkten Kinderwagen sofort denunzieren und den
Übeltäter auf der Hausversammlung zur Verantwortung ziehen, und an
die Rituale aus Kritik und Unterwerfung in Schule und Betrieb wegen irgendeines
gemeinschaftswidrigen Verhaltens. Jede Kritik am autoritären Konsens wird
zur Miesmacherei, abweichende Lebensformen zum Rowdytum, schon anderes Aussehen
zur Provokation, deren Folgen man sich dann selber zuzuschreiben hat. Falsches
Anspruchsdenken wie im Westen kennt man hier nicht, die Zonis behelfen sich mit
weniger Staat und mehr direkter Demokratie, also mit noch weniger Sozialstaat
und noch mehr freiwilliger Selbstkontrolle.
Hier treten zwei Sachen zusammen: zum Einen wird bezogen auf die Deutschen
(hier in der Ossi-Ausprägung) suggeriert, dass sie irgendeinen Gedanke
über Kapitalenteignung, sozialistisches oder kapitalistisches System je
verloren haben. Weitgefehlt: nicht das System fasziniert sie, sondern die darin
vorhandene Systematik. Daher kann man den Deutschen nicht mit
Kapitalismus/Antikapitalismus beikommen. Es ist am Thema vorbei. Es spielt
für deren Bewusstseinsgestaltung absolut keine Rolle. Wir werden nicht
aufhören, nochmals und nochmals zu wiederholen: Erscheinungsform und Wesen
im Land der Deutschen bilden eine Tautologie. Gesetzt den hypothetischen Fall,
dass die Erscheinungsform und das Wesen mal auseinander klaffen, dann werden
die Deutschen schon dafür sorgen, dass zwischen den beiden schleunigst
wieder Eintracht und Identität herrschen. Die Pogrome, das Morden und die
vielfältigen Angriffe waren und sind nicht Ausdruck von etwas anderem,
sondern das Wesen von eben diesen.(1)
Zum Anderen findet darin eine Anbiederung bei den tatsächlichen oder
vermeintlichen Opfern der DDR-Gesellschaft bis hin zu der totalen Projektion
statt: man erinnere sich an Hausgemeinschaften, deren Mitglieder jeden
falsch geparkten Kinderwagen sofort denunzieren und den Übeltäter auf
der Hausversammlung zur Verantwortung ziehen, und an die Rituale aus Kritik und
Unterwerfung in Schule und Betrieb wegen irgendeines gemeinschaftswidrigen
Verhaltens. Wo doch fast jede zweite Ausgabe von
Interim, Bahamas und vielen vielen anderen
Disziplinierungsblättern exakt solche Maßregelungen zu
Hauptattraktionen, Zugnummern bei der differentialen Selbstpräsentation
und -vermarktung gebracht hat! Wo all das Gesagte in fast jeder deutschen
Wohngemeinschaft (=Hausgemeinschaft) in Kreuzberg und anderswo zum Alltag
gehören. Oder sind etwa solche Maßnahmen gut, wenn sie die
richtigen Inhalte haben? Z.B. Stehpissen versus
falsch geparkte Kinderwagen?
Lichterketten, Aufstand der Anständigen, Anti-Sharon-Hetze (von Jungle
World bis zur FAZ), Naziaufmärsche und -anschläge, Arbeitsdisziplin,
deutsche Kulturindustrie, Vereinsleben, Bierzeltmentalität, Mallorca-Trip,
Kaninchenzüchtervereine, Deutsche Denkmal- und Gartenpflege usw. sind
GLEICHARTIGE Ausprägungen des völkischen Wahns. Sie unterscheiden
sich in der Kurz- bzw. Langfristigkeit ihrer Auswirkungen. Während der
Volkspogrom oder der Nazi-Angriff unmittelbar und meistens tödlich wirken,
sorgen solche wie oben genannte Verhaltensweisen dieser Population für
seine Reproduktion. Unaufhaltsam und konsequent.
Daher wäre es viel angebrachter, die SED und die Stasi für ihre
herausragenden Leistungen zu loben: 40 Jahre lang konnten sie 17 Millionen
Deutschen in Schach halten, als sich bei den Opfern der
autoritären Strukturen der DDR einzuschleichen, wo doch genau diese
Strukturen einerseits durch vielfältige Unterdrückungsmechanismen
(Stasi, Parteidisziplin usw.) und andererseits durch als Placebo fungierende
Ersatzhandlungen den Deutschen Wahn einzudämmen vermochten, was zwar nicht
unbedingt so geplant war, sich aber so ergeben hat.
So durften sie sich nach Fünfjahresplänen austoben, bei der
Mangelwirtschaft ihre Organisationstalente unter Beweis stellten und mit
Ersatzparaden vor der Staatsführung ihren liebgewordenen Gewohnheiten
nachgingen. Eine ganz andere Frage ist, ob das irgend etwas mit
sozialistischen Errungenschaften zu tun hatte (was ja keine Rolle spielt, siehe
den vorangegangenen Absatz). Mit Sicherheit haben die Regenten der DDR eins
erreicht: Die Deutschen durften 40 Jahre lang nicht weitermorden und mussten
sich als halbe Portionen fühlen. Wir kennen keine sonstigen Akteure in der
Geschichte, denen etwas annähernd Vergleichbares gelingen konnte!
Was den toleranten Westen betrifft, fragt sich, ob es vielleicht
sein kann, dass die Wessis eventuell, nur so mal am Rande gedacht , angesichts
mangelhafter Suizidalität, in vielen Westgegenden sich nicht so ganz
trauen, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen, weil dort viel zu viele
Kanaken leben (Beispiel Frankfurt: Bahnhofsviertel 75%, Offenbach-Innenstadt
60%, Gallus-Viertel 65% usw.)? Wir wissen, dies ist kein wissenschaftliches und
erst recht kein politisches Argument. Wir meinen nur, vielleicht, wer
weiß?
Weltweit erleben wir den Sieg des Wahns über die Vernunft. Die Zeichen
stehen auf Sturm. Es ist wahrlich das beste, was Deutschland passieren kann.
Die Nachkriegszivilgesellschaften sind auf antisemitischer Grundlage
wiederaufgebaut, ohne Abstriche (sie bloß kapitalistisch zu nennen,
wäre eine unzulässige Verkürzung).
In ein solch katastrophaler Konstellation hat das Land der Teutonen die besten
Chancen und Möglichkeiten, seine historische Mission zu
vollenden. Begonnen hat es mit der sog. Kristallnacht, erreichte
im Holocaust seinen zivilisatorischen Höhepunkt. Jetzt geht es um die
Erstürmung der letzten Bastion, des Zufluchtsortes für
die Übriggebliebenen, dem sie als Staat keine Chance mehr geben wollen.
Nirgends. Niemand. In der Zwischenzeit wird die völkische Zucht
mittels solcher und anderer Angriffe auf Nichtdeutsche fortgesetzt. Was
danach nach Vollendung der Mission noch passieren
kann, geht uns inzwischen einen Scheißdreck an.
Im Zeichen des Henkers stehen Arbeit und Genuß. Dem
widersprechen heißt aller Wissenschaft, aller Logik ins Gesicht schlagen.
Man kann nicht den Schrecken abschaffen und Zivilisation übrigbehalten.
Schon jenen zu lockern bedeutet den Beginn der Auflösung.
Verschiedene Konsequenzen können daraus gezogen werden: von der
Anbetung faschistischer Barbarei bis zur Zuflucht zu den Höllenkreisen.
Es gibt noch eine weitere: der Logik spotten, wenn sie gegen die Menschheit
ist (Horkheimer/Adorno, Dialektik der Aufklärung)
Dirna/Hamburg, Café Morgenland/Frankfurt a.M.,
12.03.2001
(1) s. Katastrophaler Flankenschutz, Wie die Antideutschen mit
einem Demonstration-Vorhaben in Sebnitz zur Antifa übergelaufen sind, aus
CEE IEH Nr. 75, März 2001.
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