home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt
[74][<<][>>]

Kritik der Antifa – Teil 1
Wie fertig hat die Antifa, wozu war sie gut und wozu braucht es sie noch?
Ein Beitrag von Ralf

„Das Grundgesetz ist nicht der Staat. Aber mit unserem Grundgesetz können wir gut Staat machen. Dazu brauchen wir Bürgerinnen und Bürger, die nicht darauf warten, daß die anderen etwas machen, sondern die begreifen, daß der Staat die Sache aller ist.“
(Johannes Rau, Bundespräsident)
„Randgruppen sind freilich nur polizeilich existent. Nach der Rationalisierung des Kapitals gehören sie ausgemerzt. (...)
Ich selbst stelle an diesem Punkt die Grenze meines kritischen Geschäfts fest. Ich laufe Gefahr, keine Kritik der Politik und des bürgerlichen Staats überhaupt zu liefern, sondern in bestimmten Entwicklungen verwickelt zu bleiben, die in der relativ begrenzbaren Situation stattfinden.“
(Johannes Agnoli)
„Der Sprung in die Praxis kuriert den Gedanken nicht von der Resignation, solange er bezahlt wird mit dem geheimen Wissen, daß es doch nicht gehe.“
(Theodor W. Adorno)

Ein Mißverständnis sei gleich von vornherein ausgeräumt: Nicht der deutsche Staat ist schuld an der Vereinnahmung und damit der Krise von Antifa, sondern die Antifa selbst hat sich durch ausschließlich eigenes Verschulden und Versagen in jene Sackgasse manövriert, aus der sie, wenn sie unter dem Begriff weitermacht, nicht mehr herauskommen kann – selbst wenn sich das Ganze dann vielleicht noch ein paar Jahre rauszögern sollte.
Im Zusammenhang mit dieser Feststellung soll gleich die Gretchenfrage gestellt werden, um deren Beantwortung sich jeder ernstzunehmende Antifa nicht herumdrücken kann: Was verliert man, wenn der Begriff des Antifaschismus als zu füllende Form eines Linksradikalismus wegfällt, und was gewinnt man, wenn der Begriff weiterhin als Grundlage des „Konzeptes Antifa“ dienlich ist?
Die historische Dimension des Antifaschismus knüpft sich bekanntlich unmittelbar an die Volksfrontpolitik gegen den Faschismus insbesondere in Italien, Deutschland und Spanien. Aus der Politik ergab sich eine Fixierung auf die Verteidigung verfassungsmäßig garantierter Rechte im bürgerlichen Rechtsstaat, dem eine überdimensionierte hochmoralische Note beigegeben war. „Indem man (...) das politische System des Bürgertums verteidigte, schon weil dieses System seinerzeit die Überwindung des Faschismus bedeutete, verfiel man in eine falsche Identifizierung von bürgerlicher Demokratie und Kampf für den Sozialismus. Was ein Ausgangspunkt war, den man im Kampf gegen den Faschismus errungen hatte, verwandelte sich in ein Ziel für den viel umfassenderen Emanzipationskampf (...).“(1)
Schon hier scheint ein Mißverständnis auf, das sich als Geburtsfehler der postautonomen deutschen Antifa bezeichnen läßt: die Antifa versuchte in genau diese geschichtliche Kontinuität zu schlüpfen, quasi überhaupt in Geschichte zu machen, ohne den Bruch mit der Volksfrontstrategie anzustreben. Der erfolgte implizite Bruch spätestens ende der 90er, der heute als scheibchenweise Konzession an die deutschen Realitäten eruiert werden muß, war eine nachholende Form linksradikaler Realpolitik(!), die sich zwar den Massenansatz endgültig austrieb, den Begriff des Antifaschismus aber quasi zu einer überreifen Hülsenfrucht machte, der man mit einiger Berechtigung durchaus den Charakter einer Art „stinkenden Leichnams“ (R. Luxemburg) zuschreiben könnte.
Warum die Antifa alles in allem dieser faulen Begriffs-Kompromißlerei nicht gewahr werden kann, liegt daran, daß sie sich in eine „Praxis“, wie es immer so schön heißt, verbissen hat, in der die Analyse in einer tautologischen Endlosschleife die Praxis nur immer wieder bestätigt, weil die Praxis die Analyse immer schon vorwegnimmt. (Soll heißen: Vor der ernsthaften Analyse steht die „Aktion“, die ein Ergebnis oberflächlicher vorwegnehmender Wahrnehmung ist, so daß die Legitimaion der Aktion das analytische Denken antreibt und nicht umgekehrt.)
In dieser Tautologie schlummert der Zwangscharakter der Identität Antifa als Ausdruck eines Bewegungsmonsters. So ist dafür gesorgt, daß der gänzliche Bruch mit der eigenen Identität undenkbar wird.(2)
Identitätskritik als Ideologiekritik versus Theorie
Bei Hegel ist Identität etwas naturhaftes des „Geistes“, das dem „Zurückkommen aus der Natur“ äußerlich (also nicht immanent) ist. Dieser Hegelsche Weltgeist beansprucht Wahrheit, weil er „die zu ihrem Fürsichsein gelangte Idee“ ist, wo die wahre Natur verschwunden sei. Aus diesem Fürsichsein leitet Hegel „absolute Negativität“ ab, die erst wieder zur (positiven) „Identität“ wird, wenn sie eben aus der Natur zurückkommt. Schon in seiner ersten Veröffentlichung, der sogenannten Differenzschrift („Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems der Philosophie“, 1801), bestimmt er die Formel der spekulativen Grundfigur seines Denkens: sie besitzt „Identität der Identität und Nichtidentität“.
Es geht also bei Hegel immer darum, daß das konkrete (an sich) immer auch gleichzeitig sein Gegenteil (für sich) ist. Daraus wird also ein An-und-für-sich, deren vermittelnde Instanz bei Hegel der oben beschriebene Geist als äußerliche dritte ist.
Marx bezeichnete sein dialektisches Denken als das „direkte Gegenteil“. In der Kritik des Hegelschen Geistes als Idee von einem „selbständigen Subjekt“ erklärte Marx das Ideelle zu nichts anderem „als das im Menschenkopf umgesetzte und übersetzte Materielle“.
Der Marxsche Materialismus enthebt sich also der Mystifikation der idealistischen Philosophie. Diesem Grundverständnis folgend, sollte es einem linken Subjekt immer um die Austreibung selbst von Restbeständen des Idealismus gehen. Eine Kritik des Idealismus ergibt sich so selbstredend.
Marx wollte Hegel, wie er selbst schrieb, „umstülpen“ und vom Kopf auf die Füße stellen. Er trieb seinem Denken eine vermittelnde dritte Instanz aus und erklärte alles Denken und alle Erkenntnis als den gesellschaftlichen Verhältnissen immanent.
Marx wäre nicht Marx wenn man ihn nicht selbst als widersprüchlich begreifen würde – als „doppelten Marx“. Er war negativer Kritiker wie positivistischer Theoretiker, er war Historiker, Philosoph und gar Politiker. Deshalb auch muß bedacht werden, daß sein Werk zwischen den genannten Polen oszilliert, zumal es sich bei der Bestimmung dessen nicht um einfache Wortspielereien handelt, sondern um die Unterscheidung des „esoterischen“ vom „exoterischen“ Marx.(3)
Seine Historisierung verbunden mit der Rede von Gesetzmäßigkeiten zeigt genauso wie mysteriöse Begriffe von z.B. Arbeit oder Gebrauchswert, daß er neben idealistischen Resten über ein gehöriges Maß an Positivismus verfügte, der schlichtweg die Voraussetzung für Identitätsbildung ist. Kategorien wie Erkenntnis und Bewußtsein waren bei Marx nur dann Gegenstand negativer Kritik, wenn er sich strikt der dialekischen Synthesis von analysierter Verdinglichung in Bezug auf das reflektierte Denken des einzelnen Menschen und dem davon abstrahierten gesellschaftlichen Verhältnis verpflichtet sah. Ansonsten nämlich geriet auch bei Marx „die Rede von Wertform, Warenform und Geldform (...) zur Propaganda (...).“(4)
Es bleibt festzustellen, daß Marx insbesondere die Vernachlässigung einer gesellschaftlichen Totalität bürgerlicher Gesellschaft vorzuwerfen ist, was ihm das Subjektdenken als positivistische Größe einbrachte, mit der insbesondere nach seinem Tod in der Geschichte der Linken bekanntermaßen so mancher Schindluder getrieben wurde.
„Der kritischen Intention des Positivismus gesellt von Anbeginn sich eine affirmative. Hinter dem szientifisch aufgeputzten kategorialen Ansatz waltet apologetische Absicht“ schreibt Adorno.(5) Als Mitbegründer der Kritischen Theorie ging es gerade Adorno um die einzig mögliche Konsequenz aus der Totalität der Verhältnisse, die vor ihm in Anknüpfung an das Warenfetischkapitel bei Marx eigentlich nur Georg Lukasz in seiner Schrift „Geschichte und Klassenbewußtsein“ als „konkrete Totalität“ und „eigentliche Wirklichkeitskategorie“ zu Grunde legte – einer Wendung dialektischen Denkens ins vollends negative: „Im gesellschaftlich-totalen Aspekt des Kapitals terminiert der alte Fetischcharakter der Ware, der Beziehungen von Menschen als solche von Sachen zurückspiegelt. Zu solchen Sachen ist heute die ganze Ordnung des Daseins geworden. In ihr wird dem Proletariat mit dem freien Markt, der für die Arbeiter immer schon Lüge war, die Möglichkeit zur Klassenbildung objektiv versperrt und schließlich durch bewußten Willen der Herrschenden im Namen des großen Ganzen, das sie selber sind, durch Maßnahmen verhindert. (...) Oligarchie, Ideologie, Integration, Arbeitsteilung werden aus Momenten der Herrschaftsgeschichte, deren dunklen Wald man vor den grünen Bäumen des eigenen Lebens nicht mehr sieht, zu generellen Kategorien der Vergesellschaftung der Menschen.“ Und diese „Allgemeinheit der Vergesellschaftung ist die Form, unter der Herrschaft historisch sich durchsetzt“.(6)
Festzustellen ist also, daß Adorno und die Kritische Theorie, wie sie hier in der Hautpsache verstanden werden soll, im Marxschen Sinne eine materialistische Erdung vornimmt, was insbesondere die Zugrundelegung der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie meint, die bei Adorno gerade für den „gesellschaftlich konstruierten Begriff“ von Individualität als bindend zu verstehen ist.(7) Somit greift die Kritische Theorie das „entscheidende Übel“ (Ulrich Enderwitz) an – das „Übel nämlich, daß im kapitalistischen System die gesellschaftliche Reproduktion nur statthat, wenn sie der Produktion von Mehrwert zwecks Produktion von weiterem Mehrwert dient, und daß also die Versorgung der Menschen mit Bedürfnisbefriedigungsmitteln eine abhängige Funktion und ein bloßes Vehikel der Versorgung des Kapitals mit Kapital ist, anders gesagt, der Versorgung des Kapitals mit dem, was es braucht, um die Versorgung der Menschen mit Bedürfnisbefriedigungsmitteln in immer quantitativ umfassenderer und qualitativ vielfältigerer Form in den Dienst seiner eigenen, stets erweiterten Reproduktion zu stellen.“(8) Zu schlußfolgern ist daraus, daß selbst linke Theorie als Bedürfnis „zu einem allgemeinen Bewußtseinsschicksal“ geworden ist, das uns alle zu Ideologen des „Erscheinungswissens“ (Ulrich Enderwitz) macht. Alle Erfahrbarkeit ist somit von einem Widerspruch gekennzeichnet, der Objektivität beansprucht. Es ist der Widerspruch „zwischen der systematisch-ideologischen Unvermitteltheit und der empirisch-praktischen Vermitteltheit aller Realität.“ Das daraus resultierende falsche Bild von Wirklichkeit ist ein notwendig falsches und damit Ideologie als „notwendig falsches Bewußtsein“ (Georg Lukacs).
Ideologie ist also ein falsches Verständnis von Realität, deren Notwendigkeit sich als gesellschaftlich totaler Zwang ergibt, dem nicht entronnen werden kann. Das vorausgesetzt, wiegt das Begreifen von Identität als „Urfom der Ideologie“ (Adorno) umso schwerer. Es prägt das Denken und wohnt ihm „selber seiner puren Form nach inne.“(9)
Die Wendung des Positiven ins absolut negative stellt bei der Kritischen Theorie also die „spezifische Radikalität der Kritik“ dar, durch die „die Gesellschaft als Ganzes in Frage zu stellen wäre und nicht mehr durch einzelne Reformen verändert werden könne.“(10)
Selbst die Sucht nach Theorie und Ontologisierung (Philosphie-Werdung) als Ausdruck von Identität unterliegt somit der Kritik der vielzitierten Elften Feuerbachthese von Marx, nach der die Philosophen die Welt zwar unterschiedlich interpretiert haben, es aber darauf ankomme, sie zu verändern. Hier schimmert durch, was der Kritiker zu leisten imstande sein muß: „Der Zusammenhang von Waren- und Denkform besteht darin, daß die Kritik der politischen Ökonomie nur mit Erkenntnis- und Ideologiekritik zugleich zu haben ist.“(11) Und insofern ist diese Kritik „in genauer Absetzung von Theorie zu allererst als Opposition gegen die Versuchungen der Denkform Theorie zu bestimmen, deren schönste Verlockungen einmal das Eigentliche, das ‘Ansich’ ist und zum anderen das ‘Für uns’.“(12)
Das Bedürfnis nach Theorie ist eines nach dem Identischen der Ideologie, die jede Kritik zu einer zweckgerichteten ummünzt und sie somit als zugerichtet entwaffnet. Die Totalität der Denkform als der Warenform identisch macht es unumgänglich, sich dem Identischen negativ gewendet zuzuwenden. Aus einer Totalität läßt sich nicht „aussteigen“ – auch nicht erkenntnistheoretisch. Sie kann weder immanente Emanzipation noch linke Rettungsinseln der Glückseligkeit zulassen. Das heißt also, daß die vollziehende Negation der Negation (der Totalität) die Voraussetzung von Theorie ist.
Warenförmiges Denken läßt sich nicht rationalisieren. Selbst wenn es als partiell verifzierbar erscheint, ist es nicht so. Warenförmiges Denken ist Wert-förmiges Denken, weil jede Ware ihren Wert hat. Der Warentausch steigert diese Wert-Förmigkeit ins schier unermeßliche – zur „Selbsverwertung des Werts“: „(...) In der Tat (...) wird der Wert hier das Subjekt eines Prozesses, worin er unter dem beständigen Wechsel der Formen von Geld und Ware seine Größe selbst verändert, sich als Mehrwert von sich selbst als ursprünglichem Wert abstößt, sich selbst verwertet. Denn die Bewegung, worin er Mehrwert zusetzt, ist seine eigne Bewegung, seine Verwertung also Selbstverwertung. Er hat die okkulte Qualität erhalten, Wert zu setzen, weil er Wert ist.“(13) Diese Selbstverwertung macht vor nichts und niemanden halt. Eben auch vor Marxschem Denken nicht. So erhält auch dieses einen positivistischen „prognostischen Wert“ (Walter Benjamin), der sich nur in der Negativität Marxschen Denkens vermeiden läßt.(14)Das Abstruse wird hier so deutlich wie nirgends. Was soll die Theorie, eine linke zumal, von einer „okkulten“ Sache! Eine Theorie des Werts jedenfalls scheint hier unvorstellbar, weil der Wert hier ein wenig von dem Preis gibt, was er ist: „in der bürgerlichen Gesellschaft, was Gott für die Christen. Wert ist die Kategorie der Totalität“.(15) Den Wert deshalb „verstehen“ zu wollen, vielleicht ja noch mit Hilfe einer Theorie, verhilft nur dem notwendig falschen Bewußtsein zum Ausdruck als eben Ideologie das es ist. Wertkritik „weiß“ deshalb nur, daß „die Aufhebung der negativen Emanzipation in den objektivierten Gesetzen der Wertverwertung (...) identisch (ist) mit der Aufhebung der Wertform selber und als solcher“, weil auch „die ‘einfache’ Wertform (...) nur ein historisches Phantasma der Ideologie“ ist.(16)
Der Unterschied zwischen dem Bedürfnis nach Theorie als positivistischer Faselei und Kritik ist der, sich nicht etwa ein kritisches „Bild“ von „der Sache“ der politischen Ökonomie machen zu wollen, sondern sie wegen ihrer konstitutionellen ideologischen Allmacht zu kritisieren – eine Kritik der politischen Ökonomie zu leisten. „Der Wille, die Wirklichkeit theoretisch in Gedanken zu reproduzieren, mündet immer nur in Fetischismus und Ideologieproduktion.“(17)
Ideologieproduktion ist eine Sucht in der bürgerlichen Gesellschaft. Sie begegnet einem zum Beispiel in dem bauernschlauen Meinungs-Gewand – wer kennt es nicht –, daß Marx zwar ein gute Idee gehabt hätte, die Menschen aber „von Natur“ aus anders wären – der Mensch eben des Menschen Wolf sei, den man vor sich selbst schützen müsse. In diesem Beispiel vergegenständlicht sich, daß es sich zum einen bei solcherlei Meinungen erstmal nicht um Meinung, sondern um Denkform handelt, und zum anderen nicht um phänomenologische Kultur, die man von links zu analysieren hätte. Hier hat etwas Naturhaftigkeit gewonnen, was als bürgerliches privates Subjekt mittels „zweiter Natur“ (Marx) mit sich selbst identisch geworden ist und deshalb nichts weiter als pure Ideologie beansprucht. Die Menschen haben durch diese Identität ihre Versöhnung mit dem Schein vom menschlichen Naturcharakter gefunden, der ihnen als solcher verdinglicht zurückgespiegelt wird.
Das zwanghafte Festhalten der Antifa an der eigenen Identität („Die Antifa ist tot – es lebe die Antifa“, O-Ton Antifa M aus Göttingen) das sollte hier dargestellt werden, ist einer Ideologie verhaftet, die positivistischen Charakters ist und starke Züge der Bereitschaft zum konstruktiven Mitmachen trägt.(18) Verlorengegangen ist darüber längst die Fähigkeit zur radikalen Selbstreflexion, die als Voraussetzung hat, sich selbst zur Disposition zu stellen. So ist die Angst vor der Spaltung der „Bewegung“ zwanghaft kollektiver Ich-Identität die im Unbewußten längst schon vollzogene Spaltung: von denen nämlich, die die Identität in Frage stellen! So ist die Abwehr der Kritiker der reflexhafte Kampf um die verfestigte Identität, der selbst die Form („Praxis“) vor dem Inhalt („Theorie“) gerinnt. Insofern entpuppt sich der selbstgesetzte Weg der linksradikalen Bewegungshuberei durchaus als moralistischer Magnetismus mit passender Spielwiese für wildgewordene Bürgerkinder, die mit Bestimmtheit wieder handzahm zu werden gedenken und bei denen im Zweifelsfall die bürgerliche Verkehrsform über alle Kritik erhaben ist. Dagegen ist die Entlarvung in Permanenz – die negative Kritik – zu setzen.
Staatskritik als Unvernunft
„Die Motivation für das plötzliche Engagement der ‘Zivilgesellschaft’ gegen Rechts wird nicht hinterfragt“, so stellt das Leipziger Bündnis gegen Rechts unisono mit allen anderen Antifa-Gruppen fest. Es gebe den „Versuch, das Image Deutschlands aufzupolieren. (Die) ideologischen Grundlagen der ‘Berliner Republik’ werden jedoch nicht zur Disposition gestellt.“(19)
Man könnte meinen, hier linke Binsenweisheiten niedergeschrieben zu finden. Mit allerlei Berechtigung aber steht zu vermuten, das sie es, gerade wegen der Inbrunst des Vortrages, in Kreisen der Antifa mitnichten sind.
Der Einstieg ins Links-Sein über das „Konzept Antifa“ (Antifaschistische Aktion Berlin) hat sich nicht als Lösungsstrategie erwiesen, sondern als Problem linker Sozialisation, der die Antifaschismusangötzung ausgetrieben werden muß, um einen ungetrübten Blick auf die konstituierte bürgerliche Gesellschaft werfen zu können. Von der Anti-Nazi-Fixierung wegzukommen und den Antifa-Begriff aufzublähen, war den einen bei der Antifa schon immer Ziel, den anderen mit der Zeit Notwendigkeit. Das mittlerweile zum Axiom gewordene Bedürfnis nach „inhaltlicher Erweiterung“ und „eigenen inhaltlichen Akzenten“ macht die Antifa zum Versorgungsladen ihrer eigenen definitorischen Unschärfe, die den Begriff des Antifaschismus mit allem vollzustopfen gedenkt, was gerade oder perspektivisch in den Kram paßt. Daß somit also das Platzen der Antifa-Blase nur eine Frage der Zeit war, kann in der Retrospektive der 90er-Antifa – und damit ihrer überhaupt – tatsächlich nur einleuchten und nicht entkräftet werden – alles andere ist, wie gesagt, pure Identitätshuberei.
„Das Schwadronieren über Begriffe (...), ohne Rücksicht darauf, was diesen Worten als Sachverhalten entspricht und wie weit ihr Geltungsbereich sich erstreckt, ist so falsch, nämlich irrational, wie eine Verhaltensweise, die, ihrer blind-nominalistischen Vorstellung vom Sachverhalt zuliebe, dagegen sich sperrt, daß Begriffe wie Tauschgesellschaft ihre Objektivität haben, einen Zwang des Allgemeinen hinter den Sachverhalten bekunden, der keineswegs stets zureichend in operationell definierte Sachverhalte sich übersetzen läßt.“(20)
Die Antifa hat seit ihrer Entstehung in und aus der Bewegungslinken heraus das Scheitern der Linken auf der ganzen Linie nie begriffen. All ihr Tun und Handeln entpuppt sich deshalb als ein verlängerter Arm des Staates. Beispielhaft hat das im Jahre 2000 vom Leipziger Bündnis gegen Rechts vorgenommene und von allen relevanten Antifa-Gruppen getragene Reden von einer „Überwachungsgesellschaft“ statt von einem Überwachungsstaat verdeutlicht, wie sehr es der Antifa nicht um das Was der Herrschaft geht, sondern nur um das Wie geht. Damit hat sich die Antifa folgerichtig in das Bodenlose des postrukturalistischen Zirpens begeben und sich quasi den Teufel des M/L-traditionalistischen Basis-Überbau-Schemen-Denkens mit dem Belezebub des differenzialistischen Rumhüpfens ausgetrieben, deren Ursache das „postmoderne Bedürfnis“ und die Wirkung „das Gebrabbel über dies und das“ (Bahamas) ist.(21)
Wir haben es also mittlerweile bei der Antifa mit „einer unvermeidbaren Kinderkrankheit in einem postmodernen“ Leben zu tun, bei der sich das linksradikale Etikett mit der Zeit des zunehmenden Sachzwanges ablöst „wie der Wundschorf nach verheilter Akne aus der Pubertät.“(22)
Gerade wegen der gängigen Begriffs-Beliebigkeit ist mit der Antifa Staat zu machen. Sie setzt also ungebrochen die Tradition der Linken fort, die darin besteht, daß „wie (...) alle Wege nach Rom, (...) alle Wege zum Staat führen.“(23) Die Antifa ist längst bereit, jene Verantwortung für andere Mitglieder oder Wunschkandidaten des bürgerlichen Gemeinwesens zu übernehmen, die Norm setzt und die Max Weber dem bürgerlichen Individuum anempfohlen hat. „Handelt eine Gruppe verantwortlich, so legt sie alles Subversive ab, arbeitet mit am Auf- und Ausbau und erlangt dort volle Akzeptanz: Sie wird oppositionsfähig. (...) Sie wird systemische Funktion ebenso wie ihre Vertreter sich in Funktionäre der Repräsentanz verwandeln.“(24)
Adorno/Horkheimer ging es bekanntlich in ihrer Dialektik der Aufklärung trotz positivistisch eingeforderter „Selbstbesinnung“ in der Kritik an der bürgerlichen Aufklärung um Loslösung von der „Verstrickung in blinder Herrschaft“. Unmittelbar mit der bürgerlichen Aufklärung verbindet sich der Vernunft-Begriff, dem jedes bürgerliche Individuum sich zu unterwerfen hat. Das auf den Punkt kommende dieser Vernunft focussiert sich in dem Kantschen Imperativ „handle so, daß der freie Gebrauch deiner Willkür mit der Freiheit von jedermann nach einem allgemeinen Gesetze zusammen bestehen könne“ (In: Metaphysik der Sitten). Er bringt auf den Punkt, was Vernunft für eine Kategorie im bürgerlichen Sinne ist: „das Prinzip Parteilichkeit, die soziale Verantwortung.“(25)
Das Entstehen des modernen bürgerlichen Staates bedingte die wechselseitige Entwicklung von kapitalistischer Produktionsweise und Bürgertum als herrschende Klasse. Der Staat ist somit bekanntlich die kapitalistische Form bürgerlicher Herrschaft. Er ist Souverän, in dem er sich alle Bürger unterwirft und auf die kapitalistische Form der Vergesellschaftung verpflichtet. Der bürgerliche Staat agiert nach seinem Selbstverständnis nicht primär und direkt als Agent des Kapitals, sondern als Subjekt des „Allgemeinwohls“. Seine wichtigste Funktion besteht darin, „die Existenz einer Gesellschaft“ zu sichern, die die Menschenrechte „fraglos erfunden oder entdeckt hat“, und „sich in erster Linie als kapitalistisch produzierende Gesellschaft konstituiert.“(26)
Weil bürgerliche Vernunft sich im Staatsbürgerdasein bündelt und dort zu sich selbst kommt, ist sie von Links als Unvernunft zu begreifen. Was die bürgerliche Ideologie somit als vernünftige Gesellschaft kennzeichnet, nämlich das Kapitalverhältnis als Produktionsverhältnis, heißt soviel wie: „Die Produktionsverhältnisse in ihrer Gesamtheit bilden das, was man die gesellschaftlichen Verhältnisse nennt“, wobei eben „auch das Kapital (...) ein gesellschaftliches Produktionsverhältnis“ ist. Und zwar „ein bürgerliches Produktionsverhältnis“, das „Produktionsverhältnis der bürgerlichen Gesellschaft.“(27)
Der Staat vollzieht den Interessenausgleich innerhalb seines Gemeinwesens mittels Gewalt, besser: mittels geteilter Gewalt, der Gewaltenteilung – er spricht Recht, setzt es durch und besitzt die politische Macht. Als Souverän erscheint er als „doppelcharakterhaftes Wesen: (als) politische Darstellung des Kapitalverhältnisses als einem ökonomischen“ und als „die ökonomische Darstellung politischer Zentralität.“(28) Als zuständig für die allgemeine Sicherung der Produktionsbedingungen zugunsten des Kapitals muß der Staat von individuellen Einzelinteressen der Kapitalisten abstrahieren, um so allgemeine Geschäftsbedingungen zu gewährleisten. Deshalb tritt er als ideeller Gesamtkapitalist auf. Der Staat ist also objektiver Zweck des Kapitals. Und als solcher nur darf er als Subjekt handeln. Das heißt, der Staat kann letztlich in gewisser autonomer Weise über die Mittel verfügen, die er dem Zweck gemäß anwendet. Dazu gehört z.B. die Forcierung oder Abmilderung von Nationalismus, Sexismus oder Rassismus.(29)
An dem so bestimmten Charakter des bürgerlichen Staates wird deutlich, daß sich die Antifa also nicht gegen den Zweck des Staates wendet, sondern außschließlich gegen seine Mittel. Das Allgemeine, der Staat selbst, ist nicht Gegenstand der Kritik, sondern das Besondere, sein Formgehalt, seine Erscheinung. Diese Feststellung ist insofern wesentlich, weil sie den radikalen Charakter der Antifa – oder besser: den nicht-radikalen bestimmt. Der Kampf gegen Nationalismus ist also keineswegs der Kampf für die Abschaffung des Staates, sondern der Kampf um „zivilisierte“ Mittel zum Zweck – dem Staat. Die Antifa ist sich diesem aber nicht unbewußt, sondern bewußt: sie hat vor dem Staat nicht kapituliert, weil sie gar nicht mußte! Im Vorhinein schon hat sie sich vom Souverän freiwillig auf die Plätze verweisen lassen und anstatt das Besondere über das Allgemeine zu kritisieren das Besondere am Besonderen als anstößig empfunden. Das Defizitäre der Radikalität offenbart, daß sie gar keine ist. Sie ist in diesem Sinne mehr Flunkerei und Koketterie mit Revolutionsromantik. Hier offenbart sich „das Fehlen einer Analyse, die die enge Beziehung zwischen dem Staat als Zwangssystem und dem Zwangscharakter der Tausch- und keine Gebrauchswerte produzierenden Arbeit thematisiert.“(30)
Die bürgerliche Gesellschaft, als ein „hybrides Geschöpf aus ökonomischer Macht und politischer Autorität, ist, mit anderen Worten, der geschichtsmächtige Umstand, daß die bürgerliche Klasse in dem Augenblick, in dem sie ökonomisch an die Macht gelangt, dieser Macht sich politisch auch schon wieder entäußert und sie in Staat wirft.“(31)
Was da also im sogenannten Sommer der Staatsantifa in Deutschland vor sich gegangen ist, läßt sich auf der Abstraktionsebene der Staatskritik auf der Grundlage der Anerkennung tatsächlich gegebener Handlungsautonomie des Staates als ideellen Gesamtkapitalisten begreifen. Diese Autonomie ist zwar im idealiten Sinne bürgerliche Propaganda pur, sie besteht aber gerade darin, daß der Staat nicht vom Kapital abhängig ist, sondern der Staat dem Kapital als souveränes Subjekt dient. Wie er das tut, wie er das unauflösliche Abhängigkeitsverhältnis durch den Staatszweck regelt, das ist letztlich in einer bürgerlichen Demokratie seine Sache und das Staatsinteresse Ergebnis von demokratischer Interessebildung. Insofern kann der Staat selbst bestimmen, was für das Kapital gut sein soll und was nicht. Die Politik des Lobbyismus, des Interessestreits, macht so die Staatsmeinung – die Staatspolitik. Daß sich etwas ändert im Staat ist also tatsächlich insofern von der Politik abhängig, als daß weder die Produktionsverhältnisse noch die Produktionsweise zur Disposition stehen können, weil der Staatszweck sich ja gerade der Aufrechterhaltung dessen grundlegend verpflichtet sehen muß und ansonsten seine Existenz flöten geht.
Beim modernen Staat handelt es sich um eine „Form Staat als der Synthese der bürgerlichen Gesellschaft.“(32) Der objektive Zwangscharakter der bürgerlichen Gesellschaft besteht wie beschrieben in der notwendigen Aufrechterhaltung des Kapitalverhältnisses. Weil der Staat aber seinen Bürgern – wie auch immer in der Form – verpflichtet ist, tritt er als ein Gesamtorganisator auf, dem es um Kaptitalakkumulation als Staatsinteresse geht, was er als absolutes gesellschafliches Bedürfnis schlechthin begreift und deshalb alles andere dem unterzuordnen bereit ist.
Was also während des Antifa-Sommers sich mittels politischer Willensbekundung von Oben Ausdruck verlieh, hat explizit mit einem Perspektivwechsel der staatlichen Sorge um Kapitalakkumulation zu tun. Agnoli stellt dazu fest: „Die Perspektivwahl selbst erfolgt nicht nach dem freien Ermessen der Politiker, sondern nach dem unterschiedlichen Druck in der Akkumulation der einzelnen Industriezweige und Produktionsabteilungen. (...) Gerade die Möglichkeit der Perspektivwahl verdunkelt das ganze Verhältnis: Was spezifischen Kapitalbewegungen folgt, erscheint als freie politische Entscheidung. Formal hingegen tritt die Autonomie unverhüllt hervor: sie ist klar erkennbar und gibt sich freudig zu erkennen, denn gerade in der offenen Art ihrer Durchsetzbarkeit steckt ihre Fähigkeit, den realen Prozeß zu verdecken. (...) Auf der zwar nicht ökonomiefreien, aber von der material unmittelbaren Herrschaft des Kapitals frei gelassenenen Ebene tummeln sich selbständig Politiker, Parteien, Sittlichkeitsvereine, der Sportbund und die Dichter. Gerade für die Rolle eines Gesamtorganisators aber ist diese partielle Autonomie nützlich. (...) Die propagierte Orientierung des Staats am Allgemeinwohl erhält eher Überzeugungskraft, wenn solche Bereiche einer inhaltlich werdenden formalen Eigenständigkeit erstens breit genug sind; zweitens und vor allem öffentlich verbreitet werden. Daher auch das unverhältnismäßige Gewicht, das sie bei den Massenmedien bekommen.“ Daraus sei, so Agnoli, zu schlußfolgern, daß ein Perpektivwechsel „eine vermutlich völlig frei von ökonomischen Pressionen zustandegekommene Entscheidung“ sein kann, „die wirkungsvoll die Freiheit eines politischen Systems dokumentiert, dessen organisatorische Macht vielmehr im Dienst der Erhöhung der Arbeitsintensität steht und der Bestätigung des Ausbeutungsverhältnisses“ dienlich ist.
Der Staat fungiert also nicht als Agentur des Kapitals. „(...) Im wesentlichen organisiert er die gesamtgesellschaftliche Reproduktion in der allgemeinen Linie des gemeinsamen Interesses aller Einzelkapitale an der Akkumulation.“(33) Wenn ein vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie initiierter Aufruf unter dem Motto „Ausländer gehören zu uns“ von allen großen Verbänden Deutschlands, von DGB bis BDI mitgetragen wird, in dem die „kulturelle Vielfalt“ als eine „wichtige Ressource für unsere gesamte Gesellschaft“ benannt wird, bei der „wir uns es nicht leisten (können), uns in der immer kleiner werdenden Welt mit global vernetzter Wirtschaft abzuschotten“, dann ist das kein reines Lippenbekenntnis nach Gutdünken, sondern gebündeltes politisches Interesse, das sich ein gemeinsames (Meinungs-Bild) von der ökonomischen Notwendigkeit zur Grundlage der Interessenbündelung gemacht hat. Der Staat kann dabei Mittler, Anstifter und Multiplikator in (meistens) ungleicher und ungleichzeitiger Gewichtung sein – auch keines von dreien oder auch nur eine Funktion ausüben. Das ist variabel gestaltbar und soll auch so sein.
So etwas verändert in durchaus erfolgversprechender Art und Weise die Mittel zum Zweck des Staatsbetriebes. Und das umso mehr, wenn sie mit historischen Komponenten korrespondieren, die in ihrer wechselseitigen Bestimmung sich als Doppelcharakter des neuen Staatsverständnisses bürgerlicher Demokratie begreifen lassen, bei der die jeweilige Instrumentalisierung eines Gegenstandes (z.B. Auschwitz und Ausländer) unmittelbar mit der Nichtinstrumentalisierung (z.B. von Auschwitz und den Ausländern) jene Staatsauthentizität hervorbringt, die die FAZ dann so beschreibt: „Das politische Denken der heute die Bundesrepublik regierenden Achtundsechziger-Generation ist einst der Bewußtmachung historischer deutscher Schuld entsprungen. Um so wichtiger ist es zu beobachten, wie Schröder und Fischer versuchen, den Einfluß der Geschichte auf die operative Politik behutsam neu zu gewichten.“(34)
Auschwitz also als tatsächlicher Fixpunkt deutscher Staats-Politik fällt grandios mit dem tatsächlich langfristig angelegten Antifa-Sommer als verordneter Antifaschismus für die deutsche postfaschistische Volksgemeinschaft und ihrem autoritären Charakter zusammen. Die Durchsetzung eines staatlichen Perspektivwechsels in Bezug auf seine Bürger erfolgt im Interesse wie gegen das Interesse der Staatsbürger. Deshalb ist das Gefälle von staatlicher Antifa-Politik und national befreiter Zonen ein Unterschied zwischen Wesen und Erscheinung, der im Sinne des Staates letztlich ein nicht zu duldender Widerspruch, eine Abweichung vom verordneten Perspektivwechsel darstellt. Dieser Widerspruch wird, über kurz oder lang, von Oben zugunsten des staatlichen Antifaschismus aufgehoben werden müssen, weil dieser dem Wesen des Staates und seinen Mitteln zum Zweck unkalkulierbaren Schaden zufügen kann. Oder anders: das Recht der Nazis auf Kritik des Staates und das Recht auf konstruktive Mitbestimmung um die Wahl der Mittel (Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus) wurde ihnen vom Staat langfristig entzogen – es hat im Gegenzug die (staatlichen) Rechte der Antifa gestärkt. Es liegt nun an der Antifa, dieses Recht durch Selbstauflösung und dem expliziten Bekenntnis zum Linksradikalismus radikal zu verweigern. In diesem Sinne hat die Antifa aus eigener Kraft eine Transformationsleistung zu erbringen, die sich des Begriffes Antifaschismus weitgehend entledigt. Nur so kann vermieden werden, sich dem Staat vollends auszuliefern und zu seinem „kritischen“ Erfüllungsgehilfen zu mutieren.

In der nächsten Ausgabe erscheint Teil 2

Fussnoten:
(1) Johannes Agnoli, Der Staat des Kapitals, S.109, Freiburg 1995
(2) So heißt es in einem Artikel in der Leipziger linken Zeitschrift Klarofix (Ausgabe 01/2001) zum Thema „Das Projekt Antifa“ bezeichnend: „Weil gegenwärtig die grundsätzliche Kritik des real existierenden Kapitalismus eine Voraussetzung der Analyse ist, gehören linksradikal und Antifaschismus zusammen.“ Deutlich wird hier ein Prinzip der Seiteneinsteigerei: vor der Analyse kommt die Kritik, die aber hier nicht notwendiger Weise die nach der Analyse ist. Kritik des Kapitalismus wird hier verwechselt mit einer pauschalen Ablehnung desselben – was bei weitem noch keine Kritik bedeutet –, die einer Fundierung der Kritik vorbeugt, weil sie den ersten vor den zweiten Schritt zwar pauschal voraussetzt aber nicht tut. Verhängnisvoll ist das deshalb, weil so die notwendige dialektische Synthesis als der Analyse des Konkreten entgegengesetzt, immer eine verhunzte ist, die das zerlegte Objekt der Analyse nicht wieder aufzuheben vermag. Daraus folgt, daß dem dialektischen Denken bei Marx, das sich in der Abstraktion „durch nichts imponieren läßt“ und seinem „Wesen nach kritisch und revolutionär“ sein soll, kaum entsprochen werden kann.
(3) vergleiche dazu: Robert Kurz, Postmarxismus und Arbeitsfetisch – Zum historischen Widerspruch in der Marxschen Theorie; in Krisis, Heft 15 1995 oder www.krisis.org
(4) Initiative Sozialistisches Forum, Der Theoretiker ist der Wert, S.16, Freiburg 2000
(5) Theodor W. Adorno, Gesellschaftstheorie und Kulturkritik S.35, Frankfurt am Main 1975
(6) a.a.O. S. 14 u. 16
(7) Es sei darauf verwiesen, daß hierin der wesentliche Unterschied schlechthin zum „postmodernen Bedürfnis“ (Bahamas) zu sehen ist.
(8) Ulrich Enderwitz, Was ist Ideologie?, www.isf-freiburg.org
(9) Theodor W. Adorno, Negative Dialektik, S.17, Frankfurt am Main 1973
(10) Barbara Brick/Moishe Postone, Kritischer Pessimismus und die Grenzen des traditionellen Marxismus, S. 179. Der Vorwurf, daß die Kritische Theorie sich selbst nicht negativ genug ist, wird von mir an dieser Stelle vernachlässigt.
(11) Initiative Sozialistisches Forum, Der Theoretiker ist der Wert, S.17, Freiburg 2000
(12) a.a.O. S.32
(13) Karl Marx, Das Kapital Erster Band, S.161, Berlin 1955
(14) vergleiche Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, S.09 Frankfurt am Main 1963. Er schreibt dort: „Als Marx die Analyse der kapitalistischen Produktionsweise unternahm, war diese Produktionsweise in den Anfängen. Marx richtete seine Unternehmungen so ein, daß sie prognostischen Wert bekamen.“
(15) Initiative Sozialistisches Forum, Der Theoretiker ist der Wert, S.18, Freiburg 2000
(16) Robert Kurz, Postmarxismus und Arbeitsfetisch – Zum historischen Widerspruch in der Marxschen Theorie, in Krisis, Heft 15 1995 oder www.krisis.org
(17) Manfred Dahlmann, Kritische Theorie am Ende?, www.isf-freiburg.org
(18) So wird in der Leipziger Zeitschrift Klarofix (01/2001) in dem Artikel Das Projekt Antifa gegen Kritik eingewandt, sie sei „sich selbst genügend“ und „abwartend“ und müsse deshalb „Produktionsbedingungen“ schaffen, „unter denen sie praktisch werden kann“. Neben exemplarischer positivistischer Selbstaustreibung von Kritik als geliebtes Primat der Politik, drückt sich hier der Praxisfetisch aus, auf dessen Charakter ich später im Text noch eingehen werde.
(19) Bündnis gegen Rechts Leipzig, Antifa, was geht?, www.nadir.org/bgr
(20) Theodor W. Adorno, Gesellschaftstheorie und Kulturkritik, S.160, Frankfurt am Main 1975
(21) vergleiche Bahamas Nr. 26/1998. Angemerkt sei, daß der beschriebene Tod des Subjektes von Focault und Co. eine schwerwiegende Verwechslung mit gesellschaftlich bedingter bzw. zwanghafter Subjektlosigkeit darstellt. „(...) Vom Tod des Subjekts zu schwafeln, wie es die berüchtigten ‘Franzosen’ tun, verbietet sich von selbst. Ein totes Subjekt kann sich schlecht als Subjekt begreifen. Daß es sich so begreift, ist gerade das Problem.“ (Manfred Dahlmann, in: Kritische Theorie am Ende?)
(22) ebenda
(23) vergleiche die Selbstdarstellung von Initiative Sozialistisches Forum
(24) Johannes Agnoli, Der Staat des Kaptials, S.18, Freiburg 1995
(25) ebenda
(26) ebenda
(27) Karl Marx, Lohnarbeit und Kapital, S.80 ff., Berlin 1966. Marx schreibt weiter zum grundlegenden Verständnis von Kapital überhaupt: „Das Kapital besteht nicht nur aus Lebensmitteln, Arbeitsinstrumenten und Rohstoffen, nicht nur aus materiellen Produkten; es besteht ebensosehr aus Tauschwerten. Alle Produkte, woraus es besteht, sind Waren. Das Kapital ist also nicht nur eine Summe von materiellen Produkten, es ist eine Summe von Waren, von Tauschwerten, von gesellschaftlichen Größen. (...) Produkte, die gegen andere austauschbar sind, sind Waren. Das bestimmte Verhältnis, worin sie austauschbar sind, bildet ihren Tauschwert oder, in Geld ausgedrückt, ihren Preis. (...) Wie nun wird eine Summe von Waren, von Tauschwerten zu Kapital? Dadurch, daß sie als selbständige gesellschaftliche Macht, d.h. als die Macht eines Teils der Gesellschaft sich erhält und vermehrt durch den Austausch gegen die unmittelbare, lebendige Arbeitskraft. Die Existenz einer Klasse, die nichts besitzt als die Arbeitsfähigkeit, ist eine notwendige Voraussetzung des Kapitals. Die Herrschaft der aufgehäuften, vergangnen, vergegenständlichten Arbeit über die unmittelbare, lebendige Arbeit macht die aufgehäufte Arbeit erst zu Kapital. Das Kapital besteht nicht darin, daß aufgehäufte Arbeit der lebendigen Arbeit als Mittel zu neuer Produktion dient. Es besteht darin, daß die lebendige Arbeit der aufgehäuften Arbeit als Mittel dient, ihren Tauschwert zu erhalten und zu vermehren.”
(28) Initiative Sozialistisches Forum, Der Theoretiker ist der Wert, S.108, Freiburg 2000
(29) Mir ist bewußt, daß ich hier in der Abstraktion vernachlässige, wie gesellschafltich konstitutiv historische Kategorien für die Staatsform (also nicht dem Staatszweck), z.B. den Nationalcharakter, also dem Nationalismus, wie auch für Antisemitismus, Sexismus und Rassismus sind.
(30) Johannes Agnoli, Der Staat des Kapitals, S.22, Freiburg, 1995
(31) Ulrich Enderwitz, Linker Strukturalismus, www.isf-freiburg.org
(32) Johannes Agnoli, ebenda S.144
(33) ebenda S. 46 ff.
(34) FAZ vom 03.01.2001


home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt |
[74][<<][>>][top]

last modified: 28.3.2007