[Johnny Cash: „Hitler&Hell“] |
Ja, ja wenn der Markt nicht so unüberschaubar
wär, wäre mein Los als Plattenkolumnist so einfach. Aber es prasseln
die Veröffentlichungen nur so auf einen herab. Geht man seinen
persönlichen Vorlieben nach oder versucht man die kulturell und politisch
relevanteste Scheibe aus diesem Meer der Beliebigkeit herauszufiltern? So viel
Musik und dann auch noch schnöde Arbeit zwischen Küche und
Bierbestellung. Fakt ist, diese Rubrik war in den letzten zwei Monaten leer.
Zeitmangel und Orientierungslosigkeit und zuviel Party usw. waren so die
Ursachen. Geneigte Leserschaft: Ab jetzt wird diszipliniert Musik gehört
und rezipiert, versprochen. Und meine persönlichen Vorlieben werden
entscheidend sein für den Inhalt dieser Rubrik. Im Alter fängt
man an, sich für Countrymusik zu interessieren so oder so
ähnlich habens die Aeronauten schon mal auf den Punkt gebracht.
Johnny Cash hats geschafft, trotz seiner Krankheit (Parkinson) eine neue
Platte einzuspielen. Was: Dieser Name sagt euch nichts?!
In der Viva-Rotation war letztens ein Stück vom Meister zu hören. Dr.
Ring-Ding und H-Blockx haben sich an dem Evergreen Ring of Fire
versucht. Und das Original stammt halt von Herrn Cash. Im übrigen ist
dieser Versuch eher unglücklich ausgegangen. Aber um neumodischen
Crossoverkram gehts hier auch nicht. Sondern um eine wunderschöne
Countryplatte oder eigentlich um deren zwei. Auf dem Label Trikont erschien
letztens eine CD-Reihe unter dem Titel Flashbacks und diese
enthält Musik aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Von den 6
Tonträgern interessiert mich genau einer, mit dem Titel
Hitler&Hell. Zu finden sind dort American War
Songs aus den Jahren 41-45 und diese Songs dokumentieren zum einem die
Vereinahmung populärer Musik zu Propagandazwecken und zum anderen sind
dort Songs enthalten, die quasi die Antithese zur landläufigen Meinung,
Country sei etwas für hinterwälderische Rednecks, darstellen.
Hört euch Rosalie Allens Hitler lives an. Ein grossartiger
Countrysong zum einen und auf der anderen Seite lesbar als eine
antikapitalistische Analyse oder als Zeichen des heraufdämmernden
Antikommunismus oder als Sozialarbeiterschmus. Besser als fast alles, was
jemals unter dem Label Deutschpunk zum Thema Nazis veröffentlicht wurde.
Aber zurück zu Herrn Cash, der nämlich covert seinerseits aufs
vergnüglichste Epigonen wie Nick Cave oder Rockstars wie Oasis,
trällert im Duett mit einem Palace Brother und so weiter. Grandiose Musik
für lange Highways oder lauschige Stunden in der Blockhütte um
mal zwei weitere Klischees zu bemühen.
KAY
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