home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt
[70][<<][>>]


Im Folgenden Dokumentieren wir einen Artikel aus der Zeitung ‘Fortlaufende Nummer’ 6, herausgegeben von: ‘junge linke gegen Kapital und Nation’, welcher sich mit der Kritik am Veganismus beschäftigt.
Meine Freunde ess' ich nicht!
Was ist links am Veganismus?
„Veganismus ist die Kinderkrankheit des Linksradikalismus“ (Ralf, frei nach W. I. Lenin der den Linksradikalismus als „Kinderkrankheit des Kommunismus“ bezeichnete)

hunde, 12.7k
Sie wissen nicht, daß sie niedlich sind ...
In den 80er Jahren, als Ökologie und Umweltschutz im Kielwasser der Friedensbewegung stark an Bedeutung gewannen, wurde das vegetarische Essen salonfähig. Vielen ging es dabei vor allem um eine gesunde Ernährung, etliche hatten auch das Leid von Massentierhaltung vor Augen, das sie durch einen Privatboykott glaubten schmälern zu können. Mittlerweile ist die Friedensbewegung ausgestorben, die Grünen als ehemalige Ökopartei sitzen mit in der Regierung und planen sichere Castortransporte und die vegetarische Lebensweise hat sich zum Veganismus radikalisiert. Während VegetarierInnen lediglich kein Fleisch oder auch keine Eier aßen, verzichten Vegane auf jedes tierische Erzeugnis, sei es beim Essen, bei der Kleidung (Leder, Wolle u.ä.) oder bei sonstigen Gebrauchsgegenständen. Diese Lebensweise, die in den letzten Jahren zunehmend AnhängerInnen gefunden hat, ist oft Gegenstand von Spott und Polemik – Wiglaf Droste beispielsweise fragte sich in Bezug auf Kleidung: „Was aber tragen Vegane? Baströckchen?“. Darum soll es hier aber nicht gehen. Was Menschen Anziehen oder Essen ist ersteinmal ihre Sache. Das unangenehme an VeganerInnen ist nicht ihr Konsumstil, sondern die Begründung, die sie dafür anführen. Slogans wie „Milch trinken ist Raubmord an Kälbern!“, „Fleischfresser sind Mörder!“, „Weg mit den Tier-KZs!“ und „Gleiches Recht für alle!“ – wobei mit „alle“ Menschen und Tiere gemeint sind, was durch eine emporgestreckte Pfote neben einer erhobenen Faust symbolisiert werden soll – machen deutlich, daß hinter dem Keine-tierischen-Produkte-konsumieren der Wunsch steht, die Differenz zwischen Mensch und Natur zur Seite der Natur hin aufzulösen.
Der Mensch unterscheidet sich grundsätzlich vom Tier durch seine Vernunftbegabung. Die Frage, ob wir nicht auch bloß Tiere seien, kann selbst der klügste Affe sich nicht stellen. Nur der Mensch kann über sein Verhältnis zur Natur reflektieren und sich bewußt zu ihr verhalten, indem er sich Zwecke setzt und zielgerichtet in die Natur eingreift, um sie so zu verändern, daß sie ihm als Lebensmittel im weitesten Sinne dient. Schon diese bloße Möglichkeit, die Natur mittels der Vernunft für den Menschen zu nutzen, unabhängig von ihrer konkreten sinnvollen oder kritikablen Ausgestaltung, lehnen die VeganerInnen ab. Stattdessen behaupten sie, daß die Natur ihre eigenen Rechte habe: Das Kalb, das geschlachtet werden soll, ein Recht auf Leben, die Hühner ein Recht auf Freiheit und auf das Ausbrüten ihrer eigenen Eier und vielleicht hat sogar der Löwenzahn ein Recht darauf zu blühen, wo eine Autobahn gebaut werden soll. Hier wird Wesen, die bestenfalls Bedürfnisse haben, ein Rechtsbewußtsein angedichtet, oder sie zumindest zu Subjekten eines Rechts gemacht, das ihnen von Natur aus zukommen soll, aber nicht tut: Recht kann nur willentlich, also nur von Menschen gesetzt werden. Anders ist das mit Naturgesetzen z.B. physikalischer Art, denen die Natur unterliegt, und die von Menschen nur erkannt werden können. Spricht man Tieren also Rechte zu, so haben sie diese doch wieder nicht aus sich heraus. Der Mensch müßte sich also auch noch selbst zum Anwalt der Natur machen, die sich aufgrund ihres fehlenden Selbstbewußtseins nicht selbst für sich einsetzen kann. Eine Lösung im behaupteten Konflikt „Natur gegen Mensch“ hat sich also noch nicht ergeben und soll daher durch folgendes Urteil erreicht werden: Wenn man das Tier nicht zum Menschen erhöhen kann, muß man den Menschen eben zum Tier erniedrigen. Und diese Menschenfeindlichkeit findet sich nicht nur in der Theorie des Veganismus, sie spiegelt sich auch in der daraus resultierenden Praxis wieder. Diese Praxis geht nicht auf die Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse, sondern erschöpft sich in der Selbstkasteiung durch den Verzicht auf leckeres Essen und coole Klamotten und in der spießig-moralischen Haltung, die eigene Person von der angeblichen Schuld der Menschheit an der gequälten Kreatur freizusprechen.
Massentierhaltung ist keine schöne Sache, doch sie hat ihren Grund nicht in der verwerflichen Bösartigkeit der Massentierhalter. Diese haben sich nicht das Ziel gesetzt, möglichst viele Tiere zu quälen, sondern sie sind dem gesellschaftlichen Zwang unterworfen, mit ihrem Betrieb Profit zu machen. Tun sie dies nicht, gehen sie pleite und ein anderer Betrieb nimmt ihren Platz ein. Um Profite zu machen werden nicht nur möglichst viele Tiere auf engem Raum gehalten, sondern es werden Menschen ausgebeutet, die ihre Arbeitskraft gegen geringen Lohn verkaufen müssen und sich dabei nicht selten auch körperlich ruinieren. Übrigens nicht nur in der großen Industrie, sondern auch auf Biohöfen die für einen kleinen, zahlungsfähigen Kundenkreis ökologisch angebaute Produkte herstellen. Käme mal jemand auf die Idee, alle Produkte zu boykottieren, die unter Ausbeutung von Menschen produziert werden, würde er nicht mehr lang zu Leben haben. Erst wenn der Kapitalismus abgeschafft ist und die Menschen sich aus eigenem Willen entscheiden können, wie sie ihr Verhältnis zu Natur organisieren wollen, können sie sich auch gesellschaftlich den Zweck setzen, nett zu Tieren zu sein.



home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt |
[70][<<][>>][top]

last modified: 28.3.2007