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Der folgende Text des Antifaschistischen Frauenblocks Leipzig (AFBL) nimmt u.a. Stellung zu den im Conne Island geführten Diskussionen bezüglich der geplanten Veranstaltungsreihe des AFBL. Umstritten war der Fakt, daß die Veranstaltungen nur für Frauen sind. Diese Diskussion nimmt der AFBL zum Anlaß, die Anfeindungen, denen der AFBL seit Anbeginn ausgesetzt ist, zu analysieren. |
Es gibt tausend gute Gründe | |
Don Quijotische Windmühlen und täglich grüßt das
Murmeltier Eigentlich sollte es doch gar kein Problem sein. Die Diskussionen sind geführt, die Argumente ausgetauscht und obwohl dies so ist, müssen Frauen immer noch um jeden Quadratmillimeter Raum kämpfen, müssen begründen/diskutieren/argumentieren etc. Aber Leipzig schießt den Vogel ab. Hier scheint der Stand der Auseinandersetzung noch vor dieser selbst zu liegen, was freilich nur die linke Szene meint. Die Gründe dafür sind vielschichtig, um der Leipzig-Problematik näherzurücken: Die Frauenbewegung hat im Westen, der ja bekanntlich golden scheint, stattgefunden. Der Schein trügt. Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Reden ist Silber,... Doch zurück zu Leipzig. Hier wird die Notwendigkeit zur Auseinandersetzung mit Sexismus meist nur von Frauen erkannt. Und zu dem wird nur thematisiert, was aktuell ist, zwingend oder von außen eingebracht. Der Begriff der Thematisierung bedeutet aber in Leipzig ein mehr oder weniger kurzes auf- bzw. herausgreifen von Details, von Fallbesprechungen, von Stichworten. Der Eindruck entsteht, obwohl der AFBL vor drei Jahren gegründet wurde, obwohl die Diskussion um sexistische Hierarchien bei anderen Gruppen auf der Tagesordnung steht, obwohl es ein Sexismusplenum gibt. Lange Rede, kurzer Sinn: Leipzig, fiat lux! Was wir dafür tun, daß das Licht angeht: Wir haben eine Veranstaltungsreihe geplant, machen unser Vorhaben mit diesem Text transparenter und regen damit vielleicht gleichzeitig eine breitere Diskussion an. Eine Veranstaltungsreihe für und von FrauenLesben, wobei wir uns nicht auf das biologische Geschlecht beziehen und selbstverständlich transsexuelle Frauen explizit einladen. Ab Herbst wird es im Conne Island in unregelmäßigen Abständen Veranstaltungen zu den Themenkomplexen Frauen in der militanten Linken, Rechte Frauen, Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus und Frauen in der Musik geben. Ausschließlich für Frauen soll diese Veranstaltungsreihe sein, weil patriarchale Gesellschaftsstrukturen die Szene durchziehen, weil u.a. strukturelle Hierarchien zwischen Männern und Frauen existieren und weil wir uns an der Realität orientieren müssen. Auch uns ist klar, daß Geschlecht als Kategorie konstruiert ist, sich als ein bipolares System ständig neu produziert und reproduziert, Männer und Frauen in ein Raster von normierter Männlichkeit und Weiblichkeit gequetscht werden. Aber zusätzlich zur theoretischen Ebene, auf der eine Destruktion bzw. Dekonstruktion wichtig ist, existiert eben auch das Fenster Realität. In dieser sind Aktion und Interaktion patriarchaler Sozialisation unterworfen, Geschlecht wirkt in alle Bereiche der Gesellschaft. Das macht eine Überwindung von sexistischer Diskriminierung, ein Aufbrechen von Unterdrückungsmechanismen, um einer herrschaftsfreien Gesellschaft näher zu kommen, schwierig und anstrengend. Und bedeutet auch ein in Frage stellen von vielem, was als natürlich oder gegeben angesehen wird, denn am perfektesten hat die Sozialisation funktioniert, wenn ganz automatisch nach patriarchalen Mustern gehandelt wird und eineR argumentiert: Es ist doch nun mal so. Aber schwierig und anstrengend halten Linke doch nicht davon ab, zu reflektieren. Oder? Ohne Theorie keine Praxis oder: Eine Frau ist eine Frau ist eine Rose, aber wer bin ich?
Wie bereits erwähnt, folgen wir nicht einem Biologismus, glauben nicht an
eine natürliche Über- oder Unterlegenheit von Frauen. Und nein, wir
denken nicht, daß Geschlecht eine hinreichende Kategorie ist, um jegliche
Machtmechanismen und Hierarchien auszublenden. Warum dennoch
Frauenzusammenhänge für notwendig betrachtet werden, soll dieser
kurze theoretische Einschub erklären.
Anyway. Bei der Dekonstruktion liegt das Forschungsinteresse vorrangig in der Frage: Wie werden Subjekte durch Ein- & Ausschlußverfahren konstruiert und konstituiert. Ein wichtiger Ausgangspunkt dieser Methode ist, daß es kein Zentrum, Ursprung oder etwas Absolutes gibt, sondern ein Netz von Differenzen und Verweisungen. Es gibt also, anders als bei der klassischen Gender Theorie, nicht die Grundannahme, daß Männer und Frauen existieren. Sondern vielmehr wird ein Machtgeflecht analysiert, in dem dichotome, also in Paare geteilte, Begriffe nicht mehr diametral gesetzt werden, sondern als voneinander abhängig, sich bestimmend verbunden werden. Machtkategorien werden nicht als isolierte, gesellschaftliche Phänomene betrachtet. Antisemitismus, Rassismus, Sexismus, Klasssismus sind keine trennbaren Achsen der Macht, sie (re-) produzieren gesellschaftliche und kulturelle Hegemonie z.B. in Form von Privilegien. Nun denn, so weit so gut, nur ein kleiner Ausflug in die Theorie, und schon sind wir wieder in der Praxis. Denn was folgt aus solchen Erkenntnissen? Wir finden uns in dem Konflikt, nachdem wir uns mit Gender Theorie und Kritik an dieser beschäftigt haben, in dem die emanzipatorische, feministische Forschung ebenfalls steht. Birgit Wartenpfuhl drückt dies so aus: Die Spannung, einerseits nicht mehr bestimmen zu können, was eine Frau ist, andererseits die Notwendigkeit, die Kategorie Frau als einen analytischen Begriff anzuerkennen. Denn solange das Geschlechterverhältnis ein soziales Ungleichheitsverhältnis und immer auch ein potentielles Gewaltverhältnis ist, brauchen wir die Kategorie Frau zu Erforschung gesellschaftlicher Macht- und Herrschaftsverhältnisse. (B. Wartenpfuhl, S.207) Genau. And now to something completely different. Wer hat Angst vor Viginia Woolf und Judith Butler?
Warum gehen, wenn Frauen sich zusammen schließen, bei so vielen gleich
die Alarmsignale los, werden Paranoia und Verschwörungstheorien in Leipzig
nicht (nur) gegen den Staat, sondern besonders gegen Frauen gehegt und in
Umlauf gebracht? Wovor habt Ihr eigentlich Angst? Nicht jede Gruppe von drei
oder mehr Frauen ist eine die Linke zersetzende, Szene spaltende,
terroristische Vereinigung. Ein Teil der männlichen Aufgebrachtheit ist
wohl in der für Männer (jedenfalls für weiße,
heterosexuelle, sogenannte gesunde Männer) völlig neuen Situation zu
sehen, daß sie nie von irgendwas ausgeschlossen werden. Ein implizites
Kein Eintritt-Schild kennen sie nicht. Um so größer die
Aufregung, wenn ein solches mal explizit aufgehängt wird. Es scheint auf
Männer einladend zu wirken, ja geradezu magisch anziehend. Auf einmal ist
es genau diese Veranstaltung, genau dieser Demoblock, diese politische Gruppe,
für die/den sie sich brennend interessieren. Viele Wege führen nach Rom, manchmal ist der Weg das Ziel
Machtstrukturen aufzubrechen und für eine herrschaftsfreie Gesellschaft zu
kämpfen, ist Teil linker Politik. Nicht immer umsetzbar, einfach schon gar
nicht, aber als bloße Floskel das Label anti-patriarchal anzunehmen,
reicht nicht. Wenn sexistische Strukturen nicht aktiv angegriffen werden, wird
sich nichts an ihnen ändern. Ein Weg, dies zu erreichen, ist für uns,
Frauen die Möglichkeit zu geben, sich politisch auseinanderzusetzen,
Inhalte zu diskutieren in einem Rahmen, der eine Machtvariabel, das
hierarchische Geschlechterverhältnis, außen vor läßt.
Nicht nur können Frauen bei Frauenveranstaltungen den Unterschied
überhaupt erstmal bemerken, sie werden ebenso in die Pflicht genommen,
kein Typ wird die erste Frage stellen, keiner die Diskussion an sich
reißen oder vorantreiben, keiner mehr oder weniger schlaue oder posige
Analysen vorstellen. Wir denken, daß sich Frauen gelegentlich dahinter
verstecken können, daß Männer ihnen Möglichkeiten zur
Auseinandersetzung nehmen. Wenn ständig eine Unterlegenheit suggeriert
wird, ist es schwer, das Selbstbewußtsein zur eigenen Meinung zu
bekommen. Einen Ausweg bieten Frauenveranstaltungen. Außerdem wird Frauen
von Anfang an vermittelt, daß ein Miteinander kaum möglich ist, von
wegen Konkurrenz, Zickigkeit, Rivalität. Auch dem setzen
Frauenveranstaltungen etwas entgegen und durchbrechen damit ein Stütze
patriarchaler Sozialisation. Wir denken, daß Vorhaben wie unsere
Veranstaltungsreihe oder Frauengruppen, eine Erweiterung der linken Szene
darstellen, von denen am Ende nur profitiert werden kann. |