Begriffe
Korporationen: studentische Verbindungen
Corps, Landsmannschaften, Burschenschaften: Arten von studentischen Verbindungen mit leichten
Unterschieden in Geschichte und Ideologie
Mensur: Fechtkampf zwischen Korporierten
Pauken: Mensuren-Fechten
schlagend: fechtend
farbtragend: Mützen, Scherpen, Uniformen zeigen Zugehörigkeit zu einer
bestimmten Verbindung
Bierverschiß
§57:
Bei grobem Verstoß [gegen die Regeln für die Kneipe, d.A.] wird der B.V. (Bierverschiß) verhängt.
Bierverschiß ist der Aufenthalt abseits von der Kneiptafel auf einem Stuhl, der auf einem Tisch steht,
und dem Ausschluß von allen Bierfunktionen und dem Biergenuß. Ebenso darf das Bierschwein weder
rauchen noch reden. Es ist nicht mehr bierehrlich.
aus dem Comment einer katholischen Verbindung
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Auf dem Stiftungsfest der Wiener Burschenschaft
Sylvania im Oktober 1996 erneuerte der damalige FPÖ-Vorsitzende Jörg
Haider den lebenslang bindenden Ehrenkodex der Burschenschaften Freiheit,
Ehre, Vaterland. Die rechtsextreme Junge Freiheit attestierte daraufhin,
dass die Befürchtungen der rechten Kritiker, er hätte der
Deutschtümelei abgeschworen, tatsächlich grundlos waren.
Ende der 60er Jahre war Haider in die pflichtschlagende Sylvania eingetreten
und focht mehrere Mensuren. An der Fechtpuppe war nach Angaben eines ehemaligen
Haidergefährten ein Zettel mit dem Namen des Leiters des jüdischen
Dokumentationszentrums in Wien, Simon Wiesenthal, angebracht.
Im Oktober 1999 lud die Leipziger Burschenschaft Germania zu einer
Veranstaltung mit dem Titel Deutsche Interessen am Ende des 20.
Jahrhunderts. Angekündigter Referent war Reinhard Uhle-Wettler. Der
Brigadegeneral a.D. ist maßgeblich verantwortlich für die
militärpolitischen Aussagen im Parteiprogramm der Republikaner und als
freier Autor für die rechtsextremen Zeitschriften Nation & Europa,
Junge Freiheit, Ostpreußenblatt und Soldat im Volk
tätig. Dem Holocaust-Leugner David Irving widmete er eine
Festschrift. Uhle-Wettler ruft das deutsche Volk u.a. dazu auf,
gegen die multikulturelle Gesellschaft und gegen die Anerkennung
der im 2+4-Vertrag festgelegten Grenzen den Kampf aufzunehmen, jeder mit
den Waffen, die ihm zur Verfügung stehen.(1)
Die Burschenschaft Germania ist eine von zehn Leipziger studentischen
Korporationen, die derzeit verstärkt versuchen in der Universität
öffentlich wirksam zu werden. Egal ob Burschenschaft, Landsmannschaft oder
Corps, gemeinsam sind ihnen männerbündische, autoritäre
Strukturen auf Lebenszeit und eine elitäre und völkische Gesinnung.
Fast alle sind farbentragend und schlagend.
Neben der Germania sind in Leipzig die Normannia, die Plessavia und die Arminia
in der Deutschen Burschenschaft (DB), dem mit 15 000 Mitgliedern und 121
Burschenschaften größten Dachverband der deutschen und
österreichischen Burschenschaften organisiert.
Alle DB-Burschenschaften sind pflichtschlagend, nicht aufgenommen
werden Frauen, Zivildienstleistende und Nichtdeutsche. Verbindliche
Grundsätze sind Ehre, Freiheit, Vaterland, wobei sie letzteres
in den Grenzen von 1937 verwirklicht sehen möchten. Passend zu ihrem
Nationalismus, Rassismus und Militarismus gibt es enge Verknüpfung
zwischen DB und der Naziszene.
Historische Hintergründe
Diese Verbindung ist nicht neu. In der Weimarer Republik standen die
Korporierten auf der Seite der nationalistischen, autoritären und
antisemitischen Republikgegner und entgegen ihrer eigenen Darstellung gab es
keine Zwangsauflösungen durch die Nazis, vielmehr erfolgten reihenweise
Übertritte in den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund
»Bist Du häßlich, fett, krank, oder fremd im Lande, oder
hast Du eine Freundin, die weder schön noch still ist, dann bleib lieber zu hause«
Werbeflugblatt der Burschenschaft Olympia Wien
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(NSDStB). Burschen und Co. waren Wegbereiter des Nationalsozialismus und
begrüßten den Machtantritt Hitlers. Schon in den 20er Jahren hatten
praktisch alle Verbindungen den Ariernachweis eingeführt.
Korporierte, die sich gegen den Nationalsozialismus wandten, taten dies als
Einzelne im Widerspruch zu ihren Verbindungen. Altherrenverbände
existierten weiter, unter dem Dach des NSDStB wurde weiter gekneipt
und gepaukt, personale Kontinuitäten führen ins
Nachkriegsdeutschland.
Schon im 19. Jahrhundert war die ideologische Basis gelegt. Die progressiven
und antifeudalen Ansätze wurden von chauvinistischer Deutschtümelei,
insbesondere von Juden- und Franzosenfeindlichkeit überlagert. Bei der
Bücherverbrennung auf dem Wartburgfest 1817 landeten auch Werke
jüdischer und nationalismuskritischer Autoren im Feuer, 1822 beschloss der
Burschentag Juden und Ausländern den Beitritt zu verweigern.
Demokratisch-republikanische Ansätze verschwanden nach dem Scheitern des
Korporierte nach der Zwangsauflösung |
Aufstandes von 1848 völlig.
In der Folgezeit verschwammen immer mehr die Unterschiede zwischen Corps und
Burschenschaften, so daß spätestens ab den 60er Jahren des
vorigen Jahrhunderts alle studentischen Verbindungen Instrument einer
Konservierung obrigkeitsstaatlichen Denkens wurden.(2)
Das Weltbild der Korporierten
Die Burschenschaften haben einen volkstumsbezogenen
Vaterlandsbegriff. Volk wird hier als geistig-kulturelle, oft auch
rassisch-biologische Einheit verstanden. Das Vaterland Deutschland
sei größer als die heutige Bundesrepublik, umfasse
Österreich und Südtirol, dessen mehrheitlich deutsche
Bevölkerung in einen fremdvölkischen Staat hineingezwungen sei,
sowie das Elsaß, Teile Belgiens, das ehemalige Ostpreußen und das
Es kommt ja schließlich auch kein Mann auf die Idee, Mitglied in
einem Kaffeekränzchen zu werden.
DB-Vorsitzender Seide, 1980
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Sudetenland.(3) Das deutsche Volk wird als Gemeinschaft
angesehen, bei der Bei- und Austritt unmöglich sind. Eine
multikulturelle Gesellschaft erachten sie als gefährlich, weil
dadurch die Reinheit der Rasse/Kultur bedroht würde. Dazu die
Olympia Wien, die 1991 den Vorsitz in der DB inne hatte: Das deutsche
Volk ist vor Unterwanderung seines Volkskörpers durch Ausländer zu
schützen.
Der Schutz des deutschen Volkes ist den Verbindungen sowieso ein
wichtiges Anliegen: Mitglieder dürfen meist nur ehemalige
Kriegsdienstleistende werden, denn von Korporierten wird die Bereitschaft
erwartet das deutsche Volk mit der Waffe zu verteidigen.
In diesem Zusammenhang muß auf das Geschichtsverständnis vieler
Verbindungen hingewiesen werden: oftmals wird der 8.Mai als Tag der
Besinnung und der Trauer(4), nicht als Tag der Befreiung
begangen. Es wird also einem mächtigen, großen Deutschland
hinterhergetrauert, und die Wehrmacht wird nicht als verbrecherische, sondern
als ehrenvolle Armee gesehen.
Beispielsweise im Liedgut (Bös sah es aus im Vaterland,
im lieben Deutschen Reiche; entlaubt und fast entwurzelt stand die alte
deutsche Eiche(5)) zeigt sich, daß Corps, die sich
häufig als unpolitisch darstellen und sich von Rechtsextremismus in
Burschenschaften distanzieren, in der gleichen ideologischen Ecke stehen.
Wir Corpsstudenten sollen Antworten geben. Richtung weisen. Führen.
Dr. Drechsler, Kösener Kongreß 1990 Würzburg
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Gemeinsam sind ihnen auch die autoritären Strukturen und ihr
Obrigkeitsdenken. Der Alltag in den Korporationen und ihren
Altherrenverbänden ist auf lebenslanges persönliches Befehlen und
Gehorchen ausgerichtet. Ersichtlich ist das unter anderem an der Mensur, die in
den meisten Verbindungen pflichtmäßig oder fakultativ
geschlagen wird. Mit der Mensur wird das Einstehen für
Ideologie, Korporation und der unbedingte Gehorsam trainiert. Sie ist aber auch
ein Markenzeichen des männlichen Geschlechtscharakters.
Dieser scheint für Verbindungen ohnehin ein wesentliches Element ihres
Lebens zu sein. Frauen sind von der Aufnahme ausgeschlossen, denn sie haben als
Stütze und Zierde des Mannes zu dienen. Ein selbstbestimmtes, vom Leben
des Mannes unabhängiges Dasein, ist im korporierten Weltbild nicht
Die Mensur ist für uns das Ideal eines ritterlichen Kampfes mit einem gleich-wertigen
Gegner Homepage des Coburger Convent |
vorgesehen. In ihren Augen ist die menschliche Weltordnung (...) auf das
männliche ausgerichtet.(6) Aber das heißt
natürlich nicht, daß wir diskriminierend gegenüber Frauen
auftreten.(7)
In der Vorstellung der studentischen Korporationen soll Deutschland von einer
männlichen, weißen, soldatischen, akademischen Elite geführt
werden.
Korporierte zwischen rechts und oben
Dazu hieven die Alten Herren autoritäre und reaktionäre
Deutschnationale an Schlüsselpositionen in Politik und Wirtschaft und
spielen somit eine wichtige Rolle beim Erhalt der gesellschaftlichen
Machtstrukturen. Ex-Bundespräsident Theodor Heuss formulierte dies so:
Zufall wird mit CV (Cartellverband ein extrem konservativer
Dachverband, d.A.) geschrieben und spielte damit darauf an, auf welche
Weise relevante Posten verteilt wird. Korporierte kommen von der
autoritären Lebensbundschule direkt in Ministerien und
Vorstände (von Franz-Josef Strauß bis Manfred Kanther, von
Hanns-Martin Schleyer bis Bundeswirtschaftsminister Werner Müller).
Am 8. November [...] ist in München versucht worden, eine
revolutionäre Regierung der deutschen Freiheit zu bilden, am 9. November sind in München
20 deutsche Männer für Volk und Vaterland gefallen. [...] Wir bekennen mit Stolz, dass
auch in diesen Verbänden [NSDAP, Reichskriegsflagge und der Bund
Oberland] sich Burschenschafter befinden. Burschenschafter sind heute mit Zuchthaus bedroht,
weil sie diesen Verbänden Treue auf dem Weg zur deutschen Freiheit halten.
Burschenschaftliche Blätter 38, 1923 (über den Hitlerputsch)
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An den Universitäten machen die Verbindungen rechtes Gedankengut
gesellschaftsfähig, indem sie Rechtsextreme zu Vorträgen an die Unis
bringen und ihre Mitglieder durch die autoritäre und nationalistische
Schule schicken. In nahezu allen rechtsintellektuellen Zirkeln und
rechtskonservativen Listen v.a. im RCDS finden sich Korporierte,
gleichzeitig stellen Verbindungen oft ihre Häuser (noch) extremeren
Rechten als Veranstaltungsorte zur Verfügung.
Gesellschaftlich bilden die studentischen Verbindungen ein Scharnier zwischen
dem bürgerlichen und dem extrem rechtskonservativen bis faschistischen
Lager. Die Verbandshäuser und Burschentage sind die Foren, auf welchen
Politiker und Wirtschaftsbosse mit Nazis zusammentreffen. Es ist keine
Ausnahme, wenn Helmut Kohl und der rechtsextreme Chef des Witikobundes auf
einem Burschentag reden, wo auch z.B. Deutschland per Beschluss auf die Grenzen
von 1937 definiert wurde. Dort zeigt sich, was im öffentlichen Diskurs
lieber verschwiegen wird, nämlich, dass normale
bürgerliche und rechtsextreme Politik zwei Seiten einer Medaille sind,
zwei Formen der politischen Durchsetzung gesellschaftlicher
Herrschaftsverhältnisse in dem auf Ausbeutung und Ausgrenzung basierenden
kapitalistischen System.
Linke StudentInnengruppe Leipzig (LSG)
Fussnoten:
(1) in: Soldat im Volk, 6/97.
(2) in: Elm/Heither/Schäfer: Füxe, Burschen, Alte
Herren, S. 66
(3) Hans Merkel, Burschenschafter in der
Arminia-Rhenania München, Mitglied in der Deutschen Burschenschaft
(4) Burschentagsbeschluß der DB,
1985 in Landau
(5) Stiftungslied des Corps Lusatia Leipzig
(6) Burschenschaftliche Blätter, 5/1980
(7) Homepage der Arminia Leipzig
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