Als stilbildend und innovativste Rockband, als Gründerväter jeglicher
technoider Musik und als Zitiervorlage für HipHop und Electro wurden sie
einst abgefeiert. Nach langem Warten gabs letztens was neues den
offiziellen Trailer zur Expo 2000. Grund genug, um einen kurzen Ausflug in die
Geschichte zu wagen...
Anfangend in den 70er Jahren entwickelten sich aus den psychedelischen
Krautrockexperimenten Ansätze repetiver Geräuschhaftigkeit
(tatsächlich eine der Grundlagen technoider Musik). Sehr schön zu
hören in dem Kraftwerkdebutalbum.
Mit Autobahn veröffentlichten Kraftwerk 1974 die vielleicht
einflussreichste deutsche Rockplatte aller Zeiten. Diese Platte markierte mit
ihrem seitenfüllenden Titelstück den Übergang zu einem
konstruktivistischen, auf reduktionistische Harmonien und
Melodiösität setzenden Roboter-Musik-Konzept, dessen
primitivistischer Drumcomputer-Groove als Inbegriff arbeitsam-entmenschter
Deutschheit um die Welt ging.
1977 brachen Kraftwerk mit Trans Europa Express endgültig ins
Zeitalter des rein elektronischen Pop auf.
Wie auf Trans Europa Express bereits angekündigt, gelingt
Kraftwerk 1978 mit der konstruktivistischen Perfektionierung ihrer emotionalen
Kälte und ostentativ modernistischen Gestus als einziger deutschen
Band, die ursprünglich einmal in der Psychedelic-Ästhetik beheimatet
war der Übergang zur Neuen Ästhetik; hört man Stücke
wie Spacelab, kann man sich fragen, was sich im durchschnittlichen
Techno (als dessen Ausgangspunkt häufig die Kraftwerk-Remix-LP genannt
wird) von der Bassdrum und dem Wegfall der letzten Melodiereste
abgesehen eigentlich groß getan haben soll. Aufsehen erregend
waren später dann Konzerte an mehreren Orten gleichzeitig; die
endgültige Umsetzung der Mensch-Maschine-Konzeption. Im Zeitalter des
WorldWideWeb wirken solche Versuche allerdings eher rührend.
Und jetzt dieser Trailer zur Expo 2000. Anfangs war ich ja entsetzt, solch
einen altbackenen Sound hätt ich nicht erwartet, will sich doch
Deutschland allseits als modern etc. präsentieren. Vielleicht ein hippes
Drum&Bass-Stückchen oder so, wäre doch wohl drin gewesen meine
Herren? Beim näheren Hinhören allerdings stellte sich das Ganze doch
noch als relativ konsequent und symptomatisch heraus, wenn auch sicherlich von
den Auftraggebern und den ausführenden Maschinenmusikern nicht so gedacht.
Die alten 68iger sind mittlerweile am Regieren und verkaufen Politik mit
vermeintlich moralischem Anspruch. Deutschland darf wieder Krieg führen
etc., so dass man fast Sehnsucht nach erzkatholischen Konservativen bekommen
möchte. Der Neoliberalismus, Globalisierung und die Erhaltung von
Standortvorteilen für Kerneuropa werden von dem Kraftwerkstück aufs
allerschönste konterkariert. Die vermeintliche Modernität wird, wenn
man so will, als ein alter Hut entzaubert. Ohne die symbolische Aufladung durch
die Expo allerdings wäre dieses Stück nur ein Weiteres im typischen
Kraftwerksound gewesen...
Die alten Männer haben sicherlich gut dabei verdient und sich eben nicht
demontiert. Kay |