Die Initiative Copy kills Music wird zur Schicksalsgemeinschaft der Kulturpessimisten
Von Ralf
Was bleibt von einer pseudokritischen Sichtweise kultureller Authentizität
wenn gerade diejenigen um ihre Kohle und ihren Profit fürchten
müssen, die sich durch den Wahn der Totalvermarktung und -segmentierung
insbesondere der Musikindustrie immer als die besseren Ausbeuter darstellten?
Da kann man sich also nun schon seit geraumer Zeit CDs brennen quasi
kopieren und der Einheitenverkauf der Tonträgerbranche
verspürt das an Hand negativer Bilanzen. Und viele viele jammern mit und
schmieden eine unheilige Allianz, die jede bisherige Differenzierung und
Abgrenzung, jedes bisher mühselig verteidigte Band- oder
Künstlerimage für das Rumgejammere wegen weniger Schmottverdienerei
hintanstellt. Da spannt sich die prollig-dumme Sabrina Setlur vor den selben
Karren wie die Verkörperung eines Eingeborenen aus dem Dresdener Tal der
Ahnungslosen, der Prinzen-Blödi Sebastian Krumbiegel oder wie auch der
pseudoschlaue Sprechblasenproduzent Smudo von den Fantastischen Vier. Alle
drei, wie viele andere auch, unterstützen die Aktion Copy
Kills Music gegen die wachsende Kopierflut. Heraufbeschworen
wird mittels dieser Kampagne von der gesamten Musikbranche (O-Ton
der Selbstdarstellung), sozusagen eine kulturindustrielle (Teil-)Apokalypse.
Von der Vernichtung ist da die Rede (10.000 kopierte CDs
vernichten eine Nachwuchsband), als planten Musikfeinde, nennen wir sie
mal zum Verständnis Illuminaten, den Holocaust an der Musikindustrie. Kaum
jemanden scheint da aufzugehen, dass hier die Revolution der Deregulierung, des
Neoliberalismus, der sozialen Unsicherheit tatsächlich ihre Kinder frisst.
Und diese Revolution hat tatsächlich einen Namen - sie heisst schlicht und
ergreifend Kapitalismus. Nicht umsonst gilt bis dato die Kulturindustrie als
DIE Vorreiterbranche bei der sogenannten Modernisierung des
Gesellschaftssystems. Sie gilt als das Feld, auf dem die Gewerkschaften ohnehin
noch nie so richtig etwas zu sagen hatten, wo die Selbstausbeutung usus ist, wo
sich die abgebrühtetsten Flexibilisierer und Deregulierer der
Arbeitszeiten und Löhne tummeln, wo die Scheinselbständigkeit schon
viel weiter Raum gegriffen hat als im Rest der Gesellschaft, wo die
kapitalistische Lüge von der Selbstverwirklichung und
Kreativitätsentfaltung des Individuums so verinnerlicht ist, dass sich die
Individuen den als Naturgesetz begriffenenen Vermarktungszwängen
völlig freiweillig ohne nennenswerte Skrupel unterwerfen, als würde
es ihnen zur zweiten Natur (Marx), und sie zu Umweltfreunden einer
genau solchen.
Für all jene, die den Mechanismus des sogenannten technischen Fortschritts
und der Nutzung neuer Technologien im Kapitalismus durchschauen, ist es nicht
schwer zu verstehen, wem diese Technologien (hier die des Internets und der
CD-Brennerei) letztlich nutzen sollen und wer ihre Popularisierung
befördert der Profit und die Gier nach ihm. Jener Profit jedoch
kann sich nur einstellen, wenn die Menschen sich der Meinung annehmen, sich
bräuchten dieses oder jenes Produkt auf dem Markt. Nur deshalb kommt der
Kapitalismus immer direkt zu den Menschen durch. Das ist seine Stärke und
immer die Schwäche derjenigen, die es in der Geschichte bisher versuchten,
diese Analogie von Mensch und Markt durch Ideologien, abstrakte Ideale oder
andere Ökonomieformen auszuhebeln oder abzuschaffen.
Im hier konkret behandelten Fall ist der (nicht nur tendenzielle) Fall der
Profitrate durch die neue Technolgie gleichzeitig die Chance der Steigerung
derselben: Der Markt lässt also sukzessive jene ins Leere schauen, die
noch vor kurzem die waren, die schier ungebremst Profit machten - die Labels,
die Verlage, die Vertriebe, die Managements, die Agenturen, die Bands, die
Künstler, die Einzelhändler, die Clubs u.s.f.. All jene offenbaren
jetzt den sprichwörtlichen Preis (!) ihrer vorgeblichen fortschrittlichen
Haltung der nämlich war und ist einzig und allein durch den
schnöden Mammon bestimmt. Die mutmasslich Fortschrittlichen werden
plötzlich zu Nihilisten, zu Kulturpessimisten, die den Glauben an den
Fortschritt, den sie irgendwie alle mal mehr mal weniger verkörperten, von
sich werfen, weil dieser eben nur eine erkaufte Fortschrittsgläubigkeit
war bzw. ist, die sich dem Kapitalismus auf Gedeih und Verderb (!) andient.
Der Profitgeier frisst sich - wie auch sonst üblich - im Falle der
CD-Kopiererei nicht selbst, sondern legt seine noch auszubrütenden Eier in
ein neugemachtes Nest (hier in das des Internests), das dadurch entstand, dass
der Drang nach neuer Technologie im Kapitalismus immer an den Drang nach Gewinn
(Profit) geknüpft ist.
Die neuen Vervielfältigungsmethoden von Musik werden die Musikbranche
logischerweise verändern. Bis die ganze Maschinerie aber richtig ins
Laufen gekommen ist der Rubel rollt werden viele auf der Strecke
bleiben. Neben Finanzschwächeren insbesondere diejenigen, die sich seit
Jahren als dummgeile halbwissende, fachidiotische Trendscouts, Labelvertreter
oder wie diese Bagage sich sonst noch so schimpft, allerorts wichtig machen. Im
Schatten dieses Niedergangs reifen jedoch schon wieder neue Voll- und
Halbidioten heran, die uns dann unter anderen Vorzeichen und anderen Mitteln
ebenso terrorisieren und kaputt machen wollen.
Natürlich lohnt es, auch mal einen Gedanken daran zu verschwenden, dass
sich hier im Sinne des unschuldigen Independent-Gedankens (der jedoch
nie unschuldig war und sein konnte) durch die noch ungeklärten
Vermarktungsmechanismen eine vorübergehende Leerstelle, ein
vorübergehendes Vakuum offenbart, dass man eigentlich zur
Etablierung.einer neuen Independentszene nutzen könnte. Der
Autor dieser Zeilen jedoch ist sich sicher, dass diejenigen
Unabhängigen diejenigen Markdespoten von Morgen würden.
Deshalb: lieber Finger weg!
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