home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt | [57][<<][>>] |
The Last Dance Der letzte Walser. | |||
von Gunnar Schubert
Seit der Verleihung des Friedenspreises des Börsenvereins des deutschen Buchhandels an Martin Walser am 11. Oktober bedarf es nicht mehr unbedingt der Tröstung der Deutschen von außen. Der Dichter sagte, was die meisten der Anwesenden schon lange dachten, sich zu sagen aber bisher nicht unbedingt trauten. Seit Franz Strauß (Ein Volk, das diese wirtschaftlichen Leistungen vollbracht, hat ein Recht darauf, nichts mehr von Auschwitz hören zu wollen.) hat, vom nationalliberalen Herausgeber des Männermagazins Der Spiegel einmal abgesehen, sich nur selten einer in solcher Form zum Sprecher der schweigenden Mehrheit gemacht. Die 1198 anwesenden Gäste, unter ihnen der ZK-Chef der Katholiken in seiner Eigenschaft als sächsischer Wissenschaftsminister, spendeten dem Redner, der seit Jahren sein letztes Interview verspricht, großen Beifall. 1198 befreite Zuhörer erwiesen stehende Ovationen, den Autor zu Ehren. Zwei weitere Anwesende aber erhoben sich nicht von den Plätzen. Das Ehepaar
+ + + Daß der Walser etwas sagt, was er dann so nicht gemeint hat bzw. laut meint, was andere auch schon mal so sagen würden, wenn sie es formulieren könnten, ist in den Leserbriefen diverser Tageszeitungen auf des Autors Frankfurter Rede nachlesbar. So wurde der Dichter, der in der F.A.Z. nicht einmal den Titel der Diskussion richtig widergeben kann, auch falsch durch den Tagesspiegel-Reporter Martenstein zitiert, der von der Veranstaltung Deutsche Juden, Deutsche und der Holocaust im Juni diesen Jahres berichtete. Dort hatte der Friedenspreisträger, Jane Kramer zustimmend zitierend, das Mahnmal als eine zukünftige Kranzabwurfstelle bezeichnet. Seine eigene Wortschöpfung ist die vom fußballfeldgroßen Albtraum. Und statt des Bundestages, so Walser, müßten die Berliner über den Bau entscheiden, denn die Berliner müssen ja mit dem Mahnmal leben. Die Berliner sollten also entscheiden. Aber wie? Harald Martenstein hatte die Anregung weiterentwickelt: Man muß sich diese Idee bildlich vorstellen: Massendemonstrationen in Berlin gegen das Holocaust-Mahnmal. Und als hätte er Walsers Einwand, dies habe er nicht gesagt, schon geahnt, fügt der Reporter an: Der Schriftsteller Walser, der sich oft mißverstanden fühlt, tanzt wieder einmal auf einem dünnen Seil. Die Frankfurter Allgemeine, die dem Dichter bereits vor, während und nach seiner Friedenspreis-Rede helfend zur Seite stand, gab ihm auch diesmal die Möglichkeit, sich richtig darzustellen: als Opfer. Das Opfer, welches sich schon oft und scharf gegen den Bau des Mahnmals für die ermordeten Juden Europas geäußert hatte, würde sich aber die Entscheidung als Bundestagsabgeordneter nicht leicht machen. Da müßte ich mich besinnen, wie ich mich noch nie im Leben besinnen mußte. Um dann doch wieder nicht so ganz richtig dafür zu sein. So konnten Bericht und Interview im Nachrichtenmagazin Bunte vom 24. Juni, wo es eindeutig zweideutig hieß, daß Walser sich zweimal mutig und ehrlich zum Holocaust-Mahnmal geäußert (hat). Immer wurde der Dichter mißverstanden. Mit Absicht?, nur eines zeigen: Der Dichter ist dagegen, hat aber vom Thema keine Ahnung. Wer an allem Ärger Schuld ist, weiß er aber genau. Der Vorsitzende des Zentralrats deutscher Juden (sic!), denn es ist Herrn BubisBeruf dauernd solche Sachen zu sagen. +++ Und nicht nur in Frankfurt am Main 1998 hatte man Walser so verstanden wie das Publikum, darunter das Ehepaar Bubis, also richtig. Man möchte angesichts der bereits erwähnten Leserbriefe gar nicht wissen, was im Einzelnen in den 1000 zustimmenden Briefen stand, unter 1000 machen es wohl der Deutschen Dichter und Führer überhaupt nicht mehr, von denen Walser immer wieder sprach. Seine Rede sei als befreiend empfunden worden, verkündete er. Wer oder was hat die Deutschen und deren Gewissen aber bisher in Unfreiheit gehalten? Jud Bubis? Die Weisen von Zion? Windige
Die Frankfurter Paulskirchen-Rede des ehemaligen Flakhelfers Martin Walser,
der von Marcel Reich-Ranicki als Literat anerkannt wurde, als er sich aus dem
DKP-Umfeld löste, ist aus dessen Entwicklung zum Heimatdichter heraus
logisch und kann nicht verwundern. Der Zeitpunkt allerdings paßt zur
alten Rotzigkeit der Neuen Mitte, quasi als Gründungsmanifest der Berliner Republik. Was Dohnanyi in der Walser-Bubis-Debatte an behutsameren Umgang von Bubis mit den verletzbaren nicht-jüdischen Deutschen verlangte, hatte bereits Franz Schönhuber etwas weniger schöngeistig, aber ähnlich kraftvoll bereits vom damaligen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland gefordert: Herr Galinski, ich bin kein Antisemit, aber hören Sie auf, Patrioten zu beschimpfen... Stellen Sie Ihr Geschwätz ein. Wir lassen uns nicht weiter demütigen. Finden Sie 5 Unterschiede zu Dohnanyi. Er habe während des Streits die Klassenkumpanei gewollt, er habe die
Klassenkeile bezogen, war da von linker Seite zu hören. Richtig ist,
Ignatz Bubis hat sich vor sie gestellt, als es galt, Namen und Adressen zu
nennen. Als das Gesindel in Rostock-Lichtenhagen sich zur Gemeinschaft
formierte, welche auf Mord aus war, da sprach er in den USA von einzelnen
Verwirrten. Für die Wir für Deutschland-Kampagne ließ er sich
für ein Plakat ablichten, auf welchem er bekannte, ihm schmecke die Suppe
(Deutschland), auch wenn ein Haar darin sei. Wer Bubis allerdings in den Wochen
der Auseinandersetzung gehört hat, wird Veränderungen bemerkt haben,
die gravierend sind. Doch auch wenn dem nicht so wäre, verböte sich
angesichts Bubis Familiengeschichte und einem Leben, welches ohne
tägliche Drohbriefe und Leibwache nicht denkbar ist, jedwede Freude, auch
die klammheimliche, über die bezogene Klassenkeile. Das ist vorbei. Der 11. Oktober 1998 wird ihnen nun als Tag der Befreiung
bleiben. Ausgegeben von einem deutschen Dichter, abgeklatscht von den Eliten,
bestätigt von den breiten Massen. Literatur:
|