home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt
[53][<<][>>]

review-corner, 1.6k

Jürgen Habermas

»Die postnationale Konstellation.«

Politische Essays

Edition Suhrkamp, 1998

, 0.0k

Ist „die Theorie die Praxis“?(1)

, 0.0k
Das Conne Island ist nicht das Nonplusultra? Ja, aber es ist das beste!!! was ich gefunden habe(2). Denn Utopie ist die Bezeichnung für nicht zu verwirklichende Ideen und minus der Diskrepanz, um das letzte »nicht« verschwinden zu lassen, ergibt die Differenz: Conne Island. Um Realitäten, welche eigentlich immer politisch sind, gerecht zu werden, ist dies hier eine echt gute Alternative. Das Conne Island befindet sich nicht außerhalb der Gesellschaft, es ist Teil der Gesellschaft und solange die Gesellschaft Kritik und Kampf erfordert, sollte auch das Conne Island kritikfähig sein (gemeint ist von Gesellschaft zu Gesellschaft, von Conne Island zu Conne Island). Dazu scheint eine Strukturdebatte das richtige Instrument zu sein. Die Notwendigkeit dazu ergibt sich aus der immer größer werdenden Komplexität, welche prinzipiell für Vielfalt steht, und nicht aus persönlichen Widersinnigkeiten und machomäßig „angehauchten“ Eitelkeiten.
Es gibt also einen Unterschied zwischen Theorie und Praxis!

Bei Habermas stellt eine Theorie eine Ideologiekritik, zu herrschenden Wertesystemen und Bewußtseinsstrukturen, dar. Das Aufzeigen von vorstellbaren Möglichkeiten des besseren Lebens durch Kritik am Bestehenden kennzeichnet die Praxisverpflichtung der Kritischen Theorie. Diesem Motto ist Habermas treu geblieben.
Der mit der Überschrift gleichlautende Text ist nur ein Thema von Vieren und diente der Vorbereitung eines Gesprächs mit Gerhard Schröder, das am 5. Juni 1998 im Rahmen des Kulturforums der SPD stattgefunden hat. Darin bild von auslaendern in deutschland, 10.8k kritisiert er die Darstellung eines einheitlichen Zusammenhangs, eines ununterbrochenen 75jährigen Krieges der Ideologien, welcher sich aus der Periode der Weltkriege und der Periode des kalten Krieges zusammensetzt. Mit solch einer Einheit wird der zweite Weltkrieg mit all seinen „deutschen“(3) Besonderheiten (damit meine ich nicht nur Pünktlichkeit, Sauberkeit und Ordnung) relativiert. Durch diese Darstellung des kalten Krieges ist die ideologische Bedeutung der bald als »unnatürlich« erscheinenden Allianz der Westmächte mit der Sowjetunion gegen das deutsche Reich in Vergessenheit geraten. Ob ein Aufmerksam-machen auf diese Brisanz und auch die dialektischen Anstrengungen von Habermas, mit diesem Text einen Aufruf zur faktischen Ablösung des Staatsbürgerstatus durch den Weltbürgerstatus, zu formulieren, in einem Diskurs mit dem »Proll der Mitte« sinnvoll ist, sei dahingestellt.
Warum sollte auch soziale Ungleichheit und politische Unterdrückung nicht naturgegeben sein? Ich bin mir sicher, daß politische Institutionen, wie alle großen Parteien, moralische Vorbehalte, welche postulieren, daß alle Menschen die gleichen Möglichkeiten haben müssen, ihr Leben zu gestalten und vieles mehr, kaum Auswirkungen auf politische Handlungen solcher Instanzen haben werden. Denn ohne real zu spürenden Druck von »unten«(4) gibt es keinen wirklichen Handlungsbedarf, und damit auch keine Änderungen.
Habermas spricht sich in diesem Buch für den Sozialstaat aus, welcher eine zentrale Umverteilungsfunktion innehat. Dieser sollte im Idealfall Finanzen umverteilen und allen, die keine Arbeit »suchen«, sondern wichtigeres vorhaben als dem Geld hinterherzuhecheln, entsprechende Mittel zur Verfügung stellen. Diese Forderung muß ich idealistischer Weise unterstützen und empfehle für die nächste Wahl ein Kreuz für die APPD zu machen oder sich bei den glücklichen Arbeitslosen zu organisieren.
Unter dem Druck des Weltmarktes büßen nationale Regierungen immer stärker die Fähigkeit zur politischen Einflußnahme ein. Der innenpolitische Handlungsspielraum schrumpft ein und die Solidarität der Menschen aufgrund nationaler Identitätsfindung, welche eigentlich jeder Grundlage entbehrt, wird zum Glück durch Globalisierung immer leerer. Die vergleichsweise homogene Basis der staatsbürgerlichen Solidarität ist damit erschüttert und ist ein Grund zur Hoffnung. Die Globalisierung drängt den Nationalstaat dazu, sich im Inneren für die Vielfalt neuer kultureller Lebensweisen zu öffnen und eine politische Schließung, wie im Faschismus praktiziert, würde daduch kaum noch möglich sein. Anhand dieses Argumentationsmusters votiert Habermas für eine Herauslösung von Sozialpolitik aus ihrer territorialen Begrenztheit und meint, der Sozialstaat muß sich für »alle« Menschen auszahlen, auf der Basis eines Weltbürgerstatus. Um das zu erreichen, muß ein neuer Rahmen eines Wir-Gefühls von den Menschen anerkannt werden, die Basis der Nation ist für eine solche Entwicklung antiquiert und gehört, auch im Sinne von Habermas, auf den Müllhaufen.
Poldi

(1) geklaut aus der Beute neue Folge 2, S. 64, im Zusammenhang mit der Zuspitzung der Revolte zum Bruch zwischen den Lehrern der Frankfurter Schule und ihren politisierten Schülern
(2) eine Liebeserklärung!
(3) leider kein Zitat von Habermas
(4) wenn ich von »unten« rede, meine ich nicht das internationale Proletariat, haha


home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt |
[53][<<][>>][top]

last modified: 28.3.2007