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Initiative 1. Mai ohne Naziaufmarsch
c/o Postfach 101417
04014 Leipzig
E-Mail: ini_1.mai@x.free.de

Leipzig, den 1. Mai 1998, 17.00 Uhr

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Zusammenfassende Presseerklärung der
„Initiative 1. Mai ohne Naziaufmarsch“

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  • 4.000 Nazis konnten unter dem Schutz der Polizei in Leipzig eine Kundgebung abhalten.
  • NPD/JN fordert „nationalen Sozialismus“ und verhielt sich gewalttätig.
  • 30.000 Menschen beteiligten sich an den verschiedenen Gegenaktivitäten.
  • Die Polizei ging brutal gegen ca. 8.000 AntifaschistInnen vor, die in Stötteritz demonstrierten, und verhaftete ca. 70 Antifas
  • Die Stadt Leipzig hat durch ihr Verhalten den Aufmarsch mitverschuldet.

Die Nazis der NPD/JN konnten heute, am 1. Mai 1998, unter dem Schutz der Polizei ihre geplante Kundgebung am Völkerschlachtdenkmal durchführen. Dem Aufruf der rechtsextremen NPD/JN folgten ca. 4.000 Nazis.
Der sächsische Landesvorsitzende der NPD, Winfried Petzold, sprach sich für einen „nationalen Sozialismus“ aus. Ein weiterer Redner war neben NPD-Kadern der rechtsextreme Autor Wolfgang Juchem. Außerdem trat der Liedermacher Frank Rennicke auf. Ein Redner der NPD ergötzte sich an dem aggresiven Vorgehen der Polizei gegenüber AntifaschistInnen.
Während der Kundgebung wurden folgende Losungen skandiert bzw. auf Transparenten mitgeführt: „Wir trauern um Rudolf Hess“, „Arbeitsplätze zuerst für Deutsche“, „Deutschland ist größer als die BRD“, „Ostpreußen ist unser“, „Wir sind das Volk“, „Todesstrafe für Kinderschänder“ und „Hier marschiert der nationale Widerstand“. Am Ende sangen die Nazis rechtswidrig alle 3 Strophen des Deutschlandliedes.
Die Polizei beschlagnahmte schon bei der Anreise etliche Waffen und verfassungsfeindliche Symbole bei den Nazis. Auch auf der Kundgebung versuchten die Nazis mehrmals zu den AntifaschistInnen durchzubrechen. Dies konnte nur durch die Polizei und den NPD-Ordnerdienst verhindert werden. Der letzte Redner forderte die Nazis auf, als Demonstrationszug zum Messegelände zu ziehen. Damit verstießen die Nazis gegen das vom Bundesverfassungsgericht bestätigte Demonstrationsverbot.

Gegen den NPD-Aufmarsch fanden am heutigen Tag mehrere Protestveranstaltungen statt. Die Initiative 1. Mai ohne Naziaufmarsch rief dazu auf, den Naziaufmarsch vor Ort zu ver- bzw. behindern. In Stötteritz wurden mehrere Kundgebungen von verschiedenen Parteien und Organisationen angemeldet. Dort, aber auch an anderen Orten in Stötteritz trafen sich insgesamt ca. 8.000 AntifaschistInnen. Eine der angemeldeten Kundgebungen wurde jedoch am 30.4. von der Stadt Leipzig verboten. Die IG Metall hatte für 8.00 Uhr eine Kundgebung am Völkerschlachtdenkmal angemeldet, nahm von dieser aber Abstand, nachdem das Verbot der NPD-Kundgebung aufgehoben wurde.
Der gesamte antifaschistische Protest wurde massiv durch das Vorgehen der Polizei behindert. Dabei ging die Polizei zum Teil brutal vor und setzte Wasserwerfer, Räumpanzer, Tränengas und Schlagstöcke gegen friedliche DemonstrantInnen ein.
Außerdem begann ca. 9.00 Uhr am Connewitzer Kreuz die traditionelle 1. Mai-Demonstration. Auf dem Sachsenplatz führte der DGB eine Kundgebung durch. Am Abend des 30.4.1998 fand vor dem Völkerschlachtdenkmal ein „Rock gegen Rechts“ statt. Ca. 8.000 Menschen kamen zu dem Konzert. Über die „Nationalen Infotelefone“ riefen die Neonazis auf, schon am 30.4.1998 zum Völkerschlachtdenkmal zu gehen und das Konzert zu stören. Leider konnte der Plan, den Platz vor dem Völkerschlachtdenkmal direkt nach dem Konzert zu besetzen, mangels Bereitschaft bei den meisten KonzertbesucherInnen nicht umgesetzt werden.

Die Stadt Leipzig hat mit drei Verbotsverfügungen versucht, den Aufmarsch zu verbieten. Diese Versuche sollten jedoch eher Verwirrung bei den GegendemonstrantInnen stiften und weniger den Aufmarsch selbst unterbinden. Die Verbotsbegründung zielte lediglich darauf ab, daß „4.000 gewaltbereite Autonome“ kommen würden und damit der Polizeinotstand gegeben sei. Eine Auseinandersetzung mit der ideologischen Ausrichtung und der Gewaltbereitschaft der Mitglieder der NPD/JN wurde bewußt vermieden. Damit wurde der NPD propagandistische Schützenhilfe geleistet, denn sie können sich jetzt in der Öffentlichkeit als unschuldiges Opfer präsentieren. Auf der anderen Seite wurde antifaschistischer Widerstand diskreditiert. Mit der Floskel „gewaltbereite Autonome“ sollten AntifaschistInnen davon abgehalten werden, sich an den Protesten gegen die Nazis zu beteiligen. Die Verbotsbegründungen der Stadt Leipzig waren so oberflächlich formuliert und führten kaum relevante Tatsachen auf, so daß die Aufhebung durch die Gerichte abzusehen war. Nicht ohne Grund gab der Anwaltsstab der NPD von Anfang an sein „Ehrenwort, daß die NPD-Veranstaltung am 1. Mai stattfindet“ (Internet-Seiten der NPD). Der geplante Aufmarsch der NPD durch Stötteritz wurde letztinstanzlich verboten; eine Klage der NPD vor dem Bundesverfassungsgericht hatte keinen Erfolg. Die Stadt Leipzig hatte der NPD am Donnerstag abend angeboten, eine Kundgebung in der Teslastraße (Leipzig-Nordost) auf dem Gelände einer ehemaligen Asylbewerberunterkunft(!) durchzuführen. In unmittelbarer Nähe befindet sich außerdem die Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in der Torgauer Straße mit rund 800 Plätzen. Dort wären Angriffe von Neonazis auf Flüchtlinge vorprogrammiert gewesen. Die NPD bestand jedoch auf einer Kundgebung vor dem Völkerschlachtdenkmal.

Die Initiative 1. Mai ohne Naziaufmarsch hält es nicht für die entscheidende Frage, ob Aufmärsche der NPD verboten werden sollten oder nicht. Für viel wichtiger halten wir eine inhaltliche Auseinandersetzung. Dies vor dem Hintergrund, daß nach Umfrageergebnissen 60% der ostdeutschen Jugendlichen die NPD-Forderung „Arbeitsplätze zuerst für Deutsche“ teilen. Außerdem darf nicht vergessen werden, daß diese Forderung längst in staatliche Gesetze gegossen wurde und selbst von den Gewerkschaften unterstützt wird.
Trotzdem ist es wichtig, gegen NPD-Aufmärsche vorzugehen, da sich die NPD zu einem Sammelbecken der gesamten militanten Neonaziszene entwickelt hat. Bei ihren Aufmärschen versucht die NPD, sich als disziplinierte „nationale Kraft“ darzustellen. Im Mittelpunkt stehen sozialpolitische Forderungen. In welchem Kontext die sozialen Forderungen der NPD zu verstehen sind, zeigte sich am 1. Mai vergangenen Jahres, als die NPD unter dem Motto „Arbeit macht frei“ in Hannoversch-Münden aufmarschierte. Deshalb verwundert es auch nicht, daß NPD-Mitglieder an vielen rechtsextremen Übergriffen beteiligt sind.
Trotz zahlreich erschienener AntifaschistInnen konnte die Nazikundgebung nicht verhindert werden. Schuld daran war zum einen die Polizei, die durch ihr brutales und willkürliches Auftreten jedes antifaschistische Agieren unterband. Zum anderen tragen all diejenigen für diesen Mißerfolg die Verantwortung, die in der Innenstadt den 1. Mai feierten. Dadurch verunmöglichten sie das Zustandekommen eines breiten Bündnisses, das – ähnlich wie am 1. März 1997 in München – den Nazis couragiert hätte entgegentreten können. Ein Erfolg der antifaschistischen Mobilisierung war es jedoch, daß der Aufmarsch der Nazis nicht stattfinden und die Kundgebung nur eingeschränkt durchgeführt werden konnte. Den Nazis wurde durch die AntifaschistInnen vor Ort deutlich zu verstehen gegeben, daß sie nicht erwünscht sind. Die erwartete Signalwirkung des Aufmarsches für die gesamte Naziszene konnte damit eingedämmt werden.



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last modified: 28.3.2007