- 4.000 Nazis konnten unter dem Schutz der Polizei in Leipzig eine Kundgebung abhalten.
- NPD/JN fordert nationalen Sozialismus und verhielt sich gewalttätig.
- 30.000 Menschen beteiligten sich an den verschiedenen Gegenaktivitäten.
- Die Polizei ging brutal gegen ca. 8.000 AntifaschistInnen vor, die in Stötteritz demonstrierten, und verhaftete ca. 70 Antifas
- Die Stadt Leipzig hat durch ihr Verhalten den Aufmarsch mitverschuldet.
Die Nazis der NPD/JN konnten heute, am 1. Mai 1998, unter
dem Schutz der Polizei ihre geplante Kundgebung am Völkerschlachtdenkmal
durchführen. Dem Aufruf der rechtsextremen NPD/JN folgten ca. 4.000 Nazis.
Der sächsische Landesvorsitzende der NPD, Winfried Petzold, sprach sich
für einen nationalen Sozialismus aus. Ein weiterer Redner war
neben NPD-Kadern der rechtsextreme Autor Wolfgang Juchem. Außerdem trat
der Liedermacher Frank Rennicke auf. Ein Redner der NPD ergötzte sich an
dem aggresiven Vorgehen der Polizei gegenüber AntifaschistInnen.
Während der Kundgebung wurden folgende Losungen skandiert bzw. auf
Transparenten mitgeführt: Wir trauern um Rudolf Hess,
Arbeitsplätze zuerst für Deutsche, Deutschland ist
größer als die BRD, Ostpreußen ist unser,
Wir sind das Volk, Todesstrafe für
Kinderschänder und Hier marschiert der nationale
Widerstand. Am Ende sangen die Nazis rechtswidrig alle 3 Strophen des Deutschlandliedes.
Die Polizei beschlagnahmte schon bei der Anreise etliche Waffen und
verfassungsfeindliche Symbole bei den Nazis. Auch auf der Kundgebung versuchten
die Nazis mehrmals zu den AntifaschistInnen durchzubrechen. Dies konnte nur
durch die Polizei und den NPD-Ordnerdienst verhindert werden. Der letzte Redner
forderte die Nazis auf, als Demonstrationszug zum Messegelände zu ziehen.
Damit verstießen die Nazis gegen das vom Bundesverfassungsgericht bestätigte Demonstrationsverbot.
Gegen den NPD-Aufmarsch fanden am heutigen Tag mehrere Protestveranstaltungen
statt. Die Initiative 1. Mai ohne Naziaufmarsch rief dazu auf, den
Naziaufmarsch vor Ort zu ver- bzw. behindern. In Stötteritz wurden mehrere
Kundgebungen von verschiedenen Parteien und Organisationen angemeldet. Dort,
aber auch an anderen Orten in Stötteritz trafen sich insgesamt ca. 8.000
AntifaschistInnen. Eine der angemeldeten Kundgebungen wurde jedoch am 30.4. von
der Stadt Leipzig verboten. Die IG Metall hatte für 8.00 Uhr eine
Kundgebung am Völkerschlachtdenkmal angemeldet, nahm von dieser aber
Abstand, nachdem das Verbot der NPD-Kundgebung aufgehoben wurde.
Der gesamte antifaschistische Protest wurde massiv durch das Vorgehen der
Polizei behindert. Dabei ging die Polizei zum Teil brutal vor und setzte
Wasserwerfer, Räumpanzer, Tränengas und Schlagstöcke gegen friedliche DemonstrantInnen ein.
Außerdem begann ca. 9.00 Uhr am Connewitzer Kreuz die traditionelle
1. Mai-Demonstration. Auf dem Sachsenplatz führte der DGB eine
Kundgebung durch. Am Abend des 30.4.1998 fand vor dem
Völkerschlachtdenkmal ein Rock gegen Rechts statt. Ca. 8.000
Menschen kamen zu dem Konzert. Über die Nationalen
Infotelefone riefen die Neonazis auf, schon am 30.4.1998 zum
Völkerschlachtdenkmal zu gehen und das Konzert zu stören. Leider
konnte der Plan, den Platz vor dem Völkerschlachtdenkmal direkt nach dem
Konzert zu besetzen, mangels Bereitschaft bei den meisten KonzertbesucherInnen nicht umgesetzt werden.
Die Stadt Leipzig hat mit drei Verbotsverfügungen versucht, den Aufmarsch
zu verbieten. Diese Versuche sollten jedoch eher Verwirrung bei den
GegendemonstrantInnen stiften und weniger den Aufmarsch selbst unterbinden. Die
Verbotsbegründung zielte lediglich darauf ab, daß 4.000
gewaltbereite Autonome kommen würden und damit der Polizeinotstand
gegeben sei. Eine Auseinandersetzung mit der ideologischen Ausrichtung und der
Gewaltbereitschaft der Mitglieder der NPD/JN wurde bewußt vermieden.
Damit wurde der NPD propagandistische Schützenhilfe geleistet, denn sie
können sich jetzt in der Öffentlichkeit als unschuldiges Opfer
präsentieren. Auf der anderen Seite wurde antifaschistischer Widerstand
diskreditiert. Mit der Floskel gewaltbereite Autonome sollten
AntifaschistInnen davon abgehalten werden, sich an den Protesten gegen die
Nazis zu beteiligen. Die Verbotsbegründungen der Stadt Leipzig waren so
oberflächlich formuliert und führten kaum relevante Tatsachen auf, so
daß die Aufhebung durch die Gerichte abzusehen war. Nicht ohne Grund gab
der Anwaltsstab der NPD von Anfang an sein Ehrenwort, daß die
NPD-Veranstaltung am 1. Mai stattfindet (Internet-Seiten der NPD). Der
geplante Aufmarsch der NPD durch Stötteritz wurde letztinstanzlich
verboten; eine Klage der NPD vor dem Bundesverfassungsgericht hatte keinen
Erfolg. Die Stadt Leipzig hatte der NPD am Donnerstag abend angeboten, eine
Kundgebung in der Teslastraße (Leipzig-Nordost) auf dem Gelände
einer ehemaligen Asylbewerberunterkunft(!) durchzuführen. In unmittelbarer
Nähe befindet sich außerdem die Erstaufnahmeeinrichtung für
Flüchtlinge in der Torgauer Straße mit rund 800 Plätzen. Dort
wären Angriffe von Neonazis auf Flüchtlinge vorprogrammiert gewesen.
Die NPD bestand jedoch auf einer Kundgebung vor dem Völkerschlachtdenkmal.
Die Initiative 1. Mai ohne Naziaufmarsch hält es nicht für die
entscheidende Frage, ob Aufmärsche der NPD verboten werden sollten oder
nicht. Für viel wichtiger halten wir eine inhaltliche Auseinandersetzung.
Dies vor dem Hintergrund, daß nach Umfrageergebnissen 60% der
ostdeutschen Jugendlichen die NPD-Forderung Arbeitsplätze zuerst
für Deutsche teilen. Außerdem darf nicht vergessen werden,
daß diese Forderung längst in staatliche Gesetze gegossen wurde und
selbst von den Gewerkschaften unterstützt wird.
Trotzdem ist es wichtig, gegen NPD-Aufmärsche vorzugehen, da sich die NPD
zu einem Sammelbecken der gesamten militanten Neonaziszene entwickelt hat. Bei
ihren Aufmärschen versucht die NPD, sich als disziplinierte
nationale Kraft darzustellen. Im Mittelpunkt stehen
sozialpolitische Forderungen. In welchem Kontext die sozialen Forderungen der
NPD zu verstehen sind, zeigte sich am 1. Mai vergangenen Jahres, als die NPD
unter dem Motto Arbeit macht frei in Hannoversch-Münden
aufmarschierte. Deshalb verwundert es auch nicht, daß NPD-Mitglieder an
vielen rechtsextremen Übergriffen beteiligt sind.
Trotz zahlreich erschienener AntifaschistInnen konnte die Nazikundgebung nicht
verhindert werden. Schuld daran war zum einen die Polizei, die durch ihr
brutales und willkürliches Auftreten jedes antifaschistische Agieren
unterband. Zum anderen tragen all diejenigen für diesen Mißerfolg
die Verantwortung, die in der Innenstadt den 1. Mai feierten. Dadurch
verunmöglichten sie das Zustandekommen eines breiten Bündnisses, das
ähnlich wie am 1. März 1997 in München den Nazis
couragiert hätte entgegentreten können. Ein Erfolg der
antifaschistischen Mobilisierung war es jedoch, daß der Aufmarsch der
Nazis nicht stattfinden und die Kundgebung nur eingeschränkt
durchgeführt werden konnte. Den Nazis wurde durch die AntifaschistInnen
vor Ort deutlich zu verstehen gegeben, daß sie nicht erwünscht sind.
Die erwartete Signalwirkung des Aufmarsches für die gesamte Naziszene konnte damit eingedämmt werden.
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