home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt | [43][<<][>>] |
Klein- und Wegreden bravourös | ||||
Nun ist es soweit. Carl Friedrich Goerdeler, dem großen Sohn der Stadt Leipzig, wird im Sommer ein Denkmal gesetzt. Warum man dagegen sein muß und was gar nicht interessieren sollte.Von Ralf Seit 1988 hatte sie daran gearbeitet und anfang März
diesen Jahres konnte sie voller Stolz ihr Produkt in Leipzig präsentieren.
Die Tübingerin Ines Reich stellte ihr Buch über den ehemaligen
Oberbürgermeister Carl Friedrich Goerdeler vor, der bekanntlich von 1930
bis 1937 im Amt war.(1) Zur Feier des Tages erschien auch
Goerdelers Tochter Marianne Meyer Kramer, die voller Stolz gegenüber
BILD verkündete: Mein Vater stand den Nazis
zurückhaltend gegenüber, lehnte Gewalt ab. Natürlich
durfte in der Runde auch der Leipziger OBM Hinrich Lehmann-Grube nicht fehlen,
der sich schon seit Jahren persönlich des Themas Goerdeler mit
verzückender Hingabe angenommen hat.
Der Kult um Goerdeler ging gleich nach der Wende so richtig los. Am 19. November 1991 beschloß die Leipziger Stadtverordnetenversammlung die Umbenennung der Verbindung zwischen Tröndlinring und Dittrichring, einschließlichlich des Friedrich-Engels-Platzes, in Goerdelerring. Drei Abgeordnete stimmten damals dagegen, 18 enthielten sich der Stimme. Ende 1993 dann wurde im Fachausschuß Kultur der Stadt auf Anregung des OBM über eine Beschlußvorlage beraten, die eine Denkmalerrichtung für Goerdeler und eine einschlägig witergehende Ehrung vorsah.(2) Noch 1993 fiel die Entscheidung: Die Stadt Leipzig wird Goerdeler offiziell ehren und ihm ein Denkmal setzen. In der unmittelbaren Umgebung des Neuen Rathauses, auf der Grünfläche an der sanierten Südwestecke soll das Denkmal stehen. Allerdings verlief nicht alles wie geplant. Anläßlich des 50. Jahrestages von Goerdelers Ermordung sollte das Denkmal eingeweiht werden. Doch die Ausschreibung brachte nicht den gewünschten Entwurf ins Haus, so daß die geplante städtische Feier am 5. Februar 1995 ohne Plastik beziehungsweise künstlerisches Objekt über die Bühne gehen mußte und eine Einweihung großspurig für das darauffolgende Frühjahr angekündigt wurde, dann jedoch aussfiel und jetzt aber engültig im Sommer diesen Jahres stattfinden soll. Anfang Januar 1995 startete eine Antifa-Kampagne gegen die Goerdelerehrung, an der sich mehrere Leipziger Antifa-Gruppen beteiligten. Das Ganze gipfelte in einer mageren Demonstration am 30. Januar, an der gut 200 Leute teilnahmen. Unter der Headline Keine Denkmäler für Nationalisten gab es über Wochen Plakatierungs- und Flugblattaktionen und die Übergabe einer Petition, die die Ehrung verhindern sollten. Nun, daß die Kampagne im Grunde kläglich scheiterte, sollte an dieser Stelle nicht verblüffen. Sie reichte jedoch aus, um Lehmann-Grube ein leichtes Gähnen und eine Bemerkung zu entlocken, warum verwirrte Geister (...) zu einer Demonstration gegen das Andenken Carl Goerdelers aufriefen. Lehmann-Grube nämlich weiß genau, wie der Mann beschaffen war, der sich vom geliebten Beruf trennte und zum Kämpfer wurde gegen den Staat, dem er so lange treu gedient hatte. Ein Märtyrer, der sein Leben gab für seine Überzeugung, sei Goerdeler gewesen. Mit tiefer Bewunderung, so Lehmann-Grube, bewundere ich die moralische Kraft, die ihn befähigte, Recht und Unrecht klar zu erkennen und unbeirrt den Weg des Rechts zu gehen.(3) Gegen derlei Kraft des Argumentes nützt auch das vehementeste Stammeln nichts. Und so versetzte Lehmann-Grube mit nur wenigen aber gewählten Worten den letzten Uneinsichtigen den Todesstoß mit der Zonen-Keule: Goerdeler wurde in der DDR als Reaktionär abgestempelt, der den Faschisten nahestand. Das wirkt bis heute. Trotzdem begann ein geborener Zoni schon im Vorfeld dieser Worte zu zappeln. Professor Werner Bramke, seineszeichens Historiker und parteiloser Landtagsabgeordneter mit PDS-Mandat, schien zu ahnen, was der Lehmann-Grube da vor hatte, und verbreitete mittels Leserbrief via Leipziger Volkszeitung die Wahrheit. Wenn auch mehr über seine Eitelkeit denn über die DDR: Am 20. Juli 1984 bereits hatte ich in der LVZ im Rahmen einer Gesamtwürdigung des nationalkonservativen Widerstandes auf Goerdelers Verdienst bei seiner Formierung hingewiesen und Respekt für ihn angemahnt.(4) Das schien Bramke in den Augen Lehmann-Grubes zu befähigen, weil nicht zuletzt damit ja auch der Widerstandsnachweis gegen das DDR-Regime erbracht war. Und so konnte sich im Laufe der Zeit Bramke zum Steigbügelhalter des Leipziger OBM in Sachen Goerdeler hocharbeiten. Immer noch ist in dem Häuflein Restlinker die Ansicht verbreitet, daß die Ignoranz gegenüber dem Antisemitismus eine Sache des Zufalles und keine böse bewußte Absicht ist, die man Leuten vorzuwerfen hätte.
Diese Worte zum Maßstab genommen, ist es sinnvoller, nicht so sehr auf seine Biografie zu schauen, sondern vielmehr auf das, was Goerdeler über die Jahre verlautbaren ließ. Noch zu Zeiten seines Oberbürgermeisteramtes wurde Goerdeler ab 1934 zum Reichspreiskommissar berufen. Gekoppelt mit seiner Funktion als Kommunalpolitiker arbeitete er ein neues Gesetz für die städtische Verwaltung aus. Das alles ließ ihm noch genug Zeit, um sich in einer Denkschrift für eine Konsolidierung der deutschen Rassepolitik einzusetzen. Dort empfahl er, die Reinheit der arischen Rasse unter eiserner Disziplin und unter Vermeidung von Ausartungen und Kleinlichkeiten zu vollziehen. Was er darunter verstand, demonstrierte er auf kommunalpolitischer Ebene schon 1935. Im Juli jenen Jahres wurden alle Frei- und Hallenbäder Leipzigs für Juden gesperrt. Im Rosental wurden bestimmte Bänke beschildert, was einem Verbot des Betretens des Parkgeländes gleichkam. Das geschah in Leipzig lange bevor die Nazis an zentraler Stelle solche Maßnahmen für opportun hielten.(9) Deutlich wird daran in besonderer Weise, welche Befugnisse der Kommunalpolitik im nationalsozialistischen Staat oblagen. Was aus unsäglicher Tradition heraus nicht zum linken Allgemeinplatz gehören kann,
Das konstitutive Element des Nationalsozialismus, das läßt sich nicht oft genug wiederholen, war der Antisemitismus, aus dem sich jegliches soziales Verständnis der Deutschen ableitetete und mit dem niemals grundlegend gebrochen wurde. Hannah Arendt beschreib es in einem Brief an Karl Jaspers 1963 so: Was ich meine, ist, daß jeder, der politisch auftrat, auch wenn er dagegen war, auch wenn er im geheimen ein Attentat vorbereitete, in Wort und Tat von der Seuche angesteckt war. In diesem Sinne war die Demoralisation komplett.(11) Bei aller Widerlegbarkeit, daß Antisemitismus eine Seuche ist, ähnlich wie die Nazis eine Pest, läßt sich diesen Worten entnehmen, worum es gehen muß, wenn radikale Kritik an Goerdeler und seiner Stilisierung oder sonstwas geübt werden soll: Goerdelers stinknormaler eliminatorischer Antisemtismus (Goldhagen) sollte es, ohne jegliche nähere Betrachtung sonstiger Umstände, einer linken radikalen Position notwendig erscheinen lassen, die Ehrung ohne Wenn und Aber abzulehnen und zu verabscheuen. Moishe Postone, amerikanischer Soziologe, der einen der wichtigsten Texte zu Auschwitz und den Antisemitismus verfaßt hat(12), schrieb anläßlich ausgebliebener Proteste deutscher Linker gegen die Ehrung der SS-Schergen in Bitburg 1985 an ebenjene Linke einen Brief(13): Die unangemessene Reaktion derer, die sich als Repräsentanten eines anderen Deutschlands bezeichnet haben, hat gezeigt, wie wenig der Versuch Fuß gefaßt hat, dieses andere Deutschland durch offene und kritische Auseinandersetzung mit der Nazi-Vergangenheit zu schaffen. Das bringt ein Maß an Blindheit zum Ausdruck, das seinerseits nur bestätigt, wie weitgehend die fundamentalen Verdrängung im Kern des nachkriegsdeutschen Bewußtseins die Gegenwart durchdrungen hat und an eine neue Generation übertragen worden ist. Diesen Worten folgend, kann es nicht Aufgabe sein, punktuelle Kritik an Goerdelers autoritärer Staatsgläubigkeit oder seiner Monarchie-Träumereien zu üben. Mit allem Nachdruck ist zu benennen, welch antisemtischen Vogel sich in die Tasche legt, wer darauf abfährt. Das muß gerade für die versuchte Dealerei der Leipziger PDS gelten, die tatsächlich dachte, mit taktischem Geplänkel den Georgi-Dmitroff-Platz namentlich hinüberreten zu können; nach dem Motto: ihr bekommt Goerdeler - wir bekommen Dimitroff. So kann es auch nicht wundern, wenn der PDS-Stadtvorsitzende Dietmar Pellmann erklärt: Goerdeler ist von der Hauptbewertung her Antifaschist.(14) Abgesehen vielleicht mal davon, daß sowieso niemand bei der traditionellen Linken ausschließen kann, daß auch Antifaschist sein kann, wer durch und durch Antisemit ist. Wie es um Goerdelers Antifaschismus bestellt war, soll der Vollständigkeit halber hier nicht verschwiegen werden. Neben seiner allmonatlichen Zahlungen von 207 000 Reichsmark als OBM Leipzigs an die Wachmannschaft des KZs Sachsenhausen und seinem Glauben, mit Hitler einen aufgeklärten Diktator zur Seite zu haben, findet sich die geballte Ladung seiner ausgeflossenen Denkströme in der unter dem Pseudonym Kaiser verfaßten Schrift Das Ziel von Ende 1940/ Anfang 1941.(15) Dort stellte Goerdeler fest, daß es eine Binsenweisheit (sei), daß das jüdische Volk einer anderen Rasse angehört. Deshalb sei eine Neuordnung der Stellung der Juden unumgänglich. Daraus folgerte er nur eine Perspektive: Zur Ruhe wird die Welt aber doch nur kommen, wenn das jüdische Volk eine wirklich ausnützbare Möglichkeit erhält, einen eigenen Staat zu gründen und zu erhalten. Ein solches Gebiet läßt sich auf jeden Fall unter durchaus lebenswerten Umständen entweder in Teilen Kanadas oder Südamerikas finden. Schließlich hätten die Zionisten schon seit jeher einen eigenen jüdischen Staat verlangt und vorbereitet. Neben der Verfolgung dieses Zieles sollten Sofortmaßnahmen ergriffen werden, die aus außenpolitischen Gründen zur Entgiftung der öffentlichen Meinung notwendig, zur Wiederherstellung der deutschen Selbstachtung unerläßlich und aus klarem und uns vollkommen bewußtem Gerechtigkeitsgefühl geboten sind: Aufhebung der Beschränkungen für Juden, menschenwürdige Gestaltung der Ghettos in den besetzten Gebieten. Das alles erkläre sich allein daraus, daß die Frage der Rassenmischung (..) stets dem gesunden Sinn des deutschen Volkes überlassen bleiben müße. Dem Bericht des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD, Ernst Kaltenbrunner, an den Leiter der Parteikanzlei, Martin Bormann, der aus der Vernehmung der Verschwörer des 20. Juli entstand, und zu denen bekanntlich auch Goerdeler gehörte, ist folgendes zu entnehmen: Es sei bei der Vernehmung, so Kaltenbrunner, immer wieder auffällig, daß gewisse Grundgedanken des Nationalsozialismus von den Verschwörern ohne weiteres übernommen werden. (...) Aus der Bejahung des Programms ergibt sich zuweilen eine Auffassung, als müsse der wirkliche Nationalsozialismus durch die Verschwörer verteidigt werden.(16) Moishe Postone schrieb 1995 an die deutsche Linke: Ich meine natürlich nicht, daß sich die deutsche Linke nur um die deutsche Vergangenheit kümmern sollte. Aber wenn Hunderttausende bereit sind, gegen den amerikanischen Imperialismus zu demonstrieren, und nur ein paar Hundert gegen die Rehabilitation der Nazi-Vergangenheit, denke ich schon, daß der erste Anlaß instrumentalisiert worden ist. Auf dieser Ebene (und nicht auf der Ebene der Rechtmäßigkeit der Sache selbst) reproduziert die Linke diese in Deutschland weit verbreitete Denkart, die immer wieder versucht, den Nazismus zu entschuldigen. (...) Der Punkt ist, daß Ihr Deutsche seid, und daß - wenn Ihr nicht die Verantwortung übernehmt, Euch der Nazi-Vergangenheit zu stellen - auch Ihr mitschuldig seid an der Übertragung und Reproduktion des Systems von Lügen und kollektiver Verdrängung, das seit 1945 charakteristisch war - weil die Deutschen es versäumten, sich selbst zu befreien. (...) Es gibt in der Tat nur zwei Möglichkeiten: Eine endgültige Versöhnung mit dieser Vergangenheit oder aber der konstante, das heißt in fortwährender Auseinandersetzung zu vollziehende Bruch mit ihr.(17) |
|