Mitte Februar diesen Jahres fanden im Stadtteil Plagwitz und in der Innenstadt
sogenannte Aktionstage statt. Es ging ums Übliche. Von RalfAuf dem Wege des Authentischen findet sich die
Identität, derer es bedarf, um eine Standort-Selbstbestimmung vorzunehmen.
Nur wer sich dieser sicher wähnt, der wagt überhaupt. Von dieser
Position aus meint man zu erahnen, was Kreativität bedeuten soll. Diese
steht dann für unikates, innovatives Selbst fern des Verdachtes plumper Fälschung.
Mit dieser Sichtweise haben sich über Jahrzehnte unzählige
Grüppchen von sogenannten Alternativen ihren Ausstieg in den Einstieg des alternativen Vorruhestandes gesichert.
Illustriert wurde das Ganze mittels einiger Klumpen kitschigen Vokabulars und
der permanenten Suche nach der folkloristischsten Darstellungsform, mit deren
Hilfe man sich aszudrücken und öffentlich Gehör zu verschaffen pflegte.
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Ausdruck der guten alten Volksseele Plakat zur Werbung für die Aktionstage. |
Scheinbar ganz dieser Vergangenheit nachtrauernd, begab sich vor einigen Wochen
eine Gruppe von Menschen, die auszogen, um auf dem Vulkan zu
tanzen(1) auf den Weg der endgültigen geistigen
Verblödung. Nach Eigenaussage ging es ihr insbesondere um ein
geeignetes Haus im Stadtteil Plagwitz, in dem die Gruppe zusammen
kämpfen, arbeiten und Kaffee trinken kann.(2) Unter dem
geistreichen Motto Sich fügen heißt lügen
veranstaltete das Grüppchen Aktionstage unter Aufbietung fast
des gesamten Arsenals Kiez-romantizierender Selbsbefriedigungsrituale wie
Kindertheater, Kleinkunsttheater,
Puppentheater, Jonglierfeuershow, Diskussion bei
Kaffee und Kuchen, Sessions, Workshops oder
Variete. Natürlich durfte dabei die obligatorische
Volxküche nicht fehlen. Schließlich ist diese Form von
Offenheit besonderer Ausdruck einer autonom-alternativen Trottelhaftigkeit, die
sich selbst dem Glauben hingibt, einem Volke sei auch nur im Ansatz etwas
positives abzugewinnen und sei es am Ende auch nur ein »X«
statt einem »K«. Was dieser bunten Truppe zur Rettung vom
Aussterben bedrohter Alternativ-Arten nur noch fehlte, war der esoterische
Büchertisch und eine seelenforscherische Selbsterfahrungsgruppe
vielleicht ja getarnt als sogenannte Zukunftswerkstatt. Aber was nicht ist,
kann ja noch werden, wenn sich ersteinmal die Halluzination von
selbstbestimmt, kreativ und nach eigenen Maßstäben frei von
Machstrukturen(3) ausreichend Bahn gebrochen hat.
Inzwischen muß man sagen, daß das Dilemma der Autonom-Alternativen
nicht aus ihren zahlreichen Fehlern resultiert, sondern vielmehr in der
Konstitution als Bewegung überhaupt zu suchen ist. Das Kraut-
und Rüben-Sammelsurium der abstrusesten Hirngespinste gab nicht mehr her,
als dem Kapitalismus angepappte Ersatzbefriedigung für diejenigen zu
schaffen, die nicht vorhatten, so oder so aus Deutschland wegzugehen, um in der
romantischen Fremde der Wüsten und Dschungel ihr seeligmachendes Heil zu
suchen. Gesellschaftskritik kam wenn überhaupt
ausschließlich als pragmatischer sozialer Kampf daher, der
sich daran abarbeitete, die gemeinsame Unterdrückumg der Geknechteten
dieser Erde zu parzellieren: Palästina, Arbeitslose und Kurdistan dort
Obdachlose, Frauen, Besetzer, RAF und politische Gefangene hier, und
alle zusammen gegen Oben, Imperialismus und Atomkraft.
Auf der Suche nach dem Motiv für derlei eklektizistische Faulheit findet
sich nichts außer Schlagworte, die im Ernstfall den Molli- und Steinwurf
gegen die Bullen begleiteten. Die regelrechte Theoriephobie ging von Beginn an
mit der Bestrebung einher, den Feind konkret sichtbar machen zu wollen. So war
es denn auch niemals die kapitalistische Warenförmigkeit, an der eine
materialistische Wertkritik hätte angesetzt werden können, sondern
Spekulanten, Bullenschweine, Bonzen oder
imperialistische Großmächte wie den USA und Israel. Die
gerade mitte der Achtziger von Autonomen und Alternativen gern gehörte
nationalistische Punkband Canalterror verlieh dieser Verfaßtheit in einem
ihrer Stücke wie folgt Ausdruck: Die Multinationalen ham die Macht
in ihrer Hand, die Multinationalen sind die Herrn in diesem Land.
Deutlich wird daran die implizierte besondere Gegnerschaft zum vermeintlich
Unüberschaubaren. Die Vorstellung einer grenzenlosen Allmacht kollidierte
nicht etwa mit der Beschränkung auf den Kiez. Nein, vielmehr
gibt erst beides zusammen das umfassende Bild einer theoretisch
minderbemittelten Szene ab, die somit niemals vor antisemitischen Stereotypen
gefeit war und ist. Niemand wird leugnen können, daß der
konstruierte Popanz Spekulant einer Konkretion, also
Personifizierung, entsprungen insbesondere für die Antipathie gegen
das schmarotzende Kapital steht, das dann eben genauso heute noch zum Feindbild Nummer eins taugt.
Gegen Spekulation, Abriss, Verfall und Unterdrückung, so
headlinet eben auch die Leipziger Gruppe, die mitte Februar diesen Jahres zu
den Aktionstagen voll Spaß, Wut, Witz und Lebenskraft ruft
und von der weiter oben schon die Rede war.(4) Und siehe da, als
würde das nicht ausreichen, wettert man dann auch noch konkreter im
altbekannten Stile: (...) Die Weichen für eine Zukunft der
neoliberalen Ausbeutung durch multinationale Konzerne wie Siemens seien
von denen, also den Konzernen vom gleichen Schlage, die
Mitverursacher der Weltprobleme Armut, Hunger, Krieg, Vertreibung sind,
längst gestellt.(5)
Anmerkungen: (1) in: Klarofix 2/98
(2) ebenda
(3) ebenda
(4) zit. aus dem Aufruf-Flugblatt zu den Aktionstagen
(5) ebenda
(6) ebenda |
Ein vollständiges Bild dieser fatalen Weltsicht, die eben bewußt gar
keine Weltläufigkeit beanspruchen will, ergibt sich aber erst, wenn man
die gleichzeitge Entlastungsstrategie für diejenigen hinzuzieht, die per
Absteckung des eigenen Lebensraumes vorzugsweise des Kiezes
dazugehörig erklärt werden. In dem Flugblatt zu den
Aktionstagen heißt es da beispielsweise: Wir wollen keine kommunal
verordnete Umstrukturierung, deren Folgen eine Zersiedelung in Gewerbegebiete,
Vororte und Billigwohngebiete, eine Trennung von Reich und Arm
sind.(6) Jawoll, da ham as! Diese Äußerungen
nur einfach unter das zufällige Arrangieren mit einer gesucht und
gefundenen Ersatzheimat zu subsumieren, verharmlost das Problem entschieden. Es
geht hier wieder mal um die allzugut bekannte Trennung von raffendem und
schaffendem Kapital. Die Ersteren als Parasiten des Volkskörpers, die
Letzteren als Ausdruck der guten alten Volksseele. Genauso sprudelt auch das
Denken aus des Volkes Maul von MLern über PDS bis SPD wird deshalb auch genau draufgeschaut.
Daß hier dann die CDU und deren Wirtschaftsverständnis noch am
besten wegkommt, spricht für sich. Die gähnende Leere in den
landauf-landab obligatorischen Volxküchen, ob so vieler
Volks-Gemeinsamkeiten, dagegen nicht. Vielleicht liegt das ja wirklich nur an dem einen Buchstaben.
Ich behaupte jedenfalls trotz vorprogrammiertem Nischenrückzug solch
vorgenannter bunter Haufen: Diese Alternativ-Autonomen sind gefährlich!
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