Anarchist Academy · Family Affair
DJ Phillip Maiburg · DJ Oppossum · DJ Big Brother BK
Anarchist AcademyLange haben sie nichts von sich hören lassen und viele mutmaßten schon, sie hätten sich gänzlich zurückgezogen, auch wenn man sie in Leipzig anfang vorigen Jahres bei der Party der damals noch okayen Tageszeitung junge Welt – den Umständen angemessen – leicht zugedröhnt auf der Bühne abhängen sehen konnte.Doch Pustekuchen, da sind sie wieder richtig – und besser als je zuvor! Anarchist Academy mit neuer Platte im Gepäck, die da heißt: „Rappeklistenkids“ (Tribehaus/Community) und unter dem Leitspruch „Lieber solidarisch, als solide arisch“ fimierend. Hannes, Bomber, Deadly T., DJ Zonic und Babak haben zu Protokoll gebracht, was die „verschiedenen Tendenzen innerhalb der Gruppe“ ausmachen. Kein Geheimnis ist, daß die Szene von Beginn an gespaltener Meinung ob ihrer politischen Attitüde war. Um so erfreulicher für Nicht-Hip Hopper, daß sie bei Jams oder Konzerten, wo AA auftraten, sich nicht als Nadel im Heuhaufen, sprich: fremd unter Hip Hoppern zu fühlen brauchten. Bei Auftritten von AA tummelt sich ein bunt gemischter Haufen im Auditorium, der die tatsächliche Eingeschliffenheit der verschiedenen Jugendkultursegmente angenehm durchbricht. Daß dabei die Anziehungskraft immer noch von den politischen Innereien AAs ausgeht, erfüllt mich persönlich trotz aller unpolitischer Umwelt mit großer Freude. Natürlich braucht man sich nichts vormachen. Die wenigsten von denen, die sich bei Konzerten verbalradikal geben, sind es auch wirklich – im politischen Sinne. Das ist wiederum auch dann immer noch gut, wenn AA zu sehr ihre Proletenverliebtheit via Props an die Akl (Arbeiterklasse) herauskehren. Besonders Hannes fällt da seit Jahren negativ auf. Irgendwie soll er sich ja auch zur Trotzkistischen Internationale (der Vierten) hingezogen fühlen. Sicherlich braucht man nicht darüber reden, daß das immer noch tausend mal besser ist, als denkfauler, menschenverachtender Tierschützer zu sein. (An meine Freunde des Tierschutzes: Der Mensch bleibt das Maß aller Dinge! Basta!) Doch sollte auch dem Letzten mit „weltrevolutionärem Optimismus“ klar sein, daß Avantgardegehabe und Hip Hop sich gefälligst auszuschließen haben. Das hätten sie lieber dem altlinken Ikonen-Barden Franz Josef Degenhardt klarmachen sollen, anstatt sich darüber zu freuen, wie sehr Degenhardt AAs Coverversion von seinen „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern“ lobhudelte. „Ja – das ist ein Schmuddelkinderlied von heute“, schrieb Degenhardt völlig verzückt, „so, wie ich es auch schreiben würde, wäre ich 17 oder 25 und rappte durch Tag und Nacht in diesen lausigen Zeiten“. Stolz verkünden AA dann auch, daß sie „zum 65. Geburtstag von F. J. Degenhardt auf der Burg Waldeck“ spielen durften. Symphatischer ist da schon - trotz aller berechtigten Kritik - ihre letzjährige Herbstclubtour mit Chumbawamba. Und eins dürfen wir wohl trotz allem ganz stark annehmen. Kämen AA in die Verlegenheit, eine ähnliche Omnipräsenz wie Chumbawamba zu erreichen, sträuben würden sich sich dagegen wohl kaum...
Family AffairEs kommt mir schwer über die Lippen, weil ich diesen Begriff eigentlich zutiefst ablehne, aber hiesig gelten FA tatsächlich als absoluter Geheimtip – außerhalb von Hip Hop-Kreisen versteht sich.Erst anfang Januar dieses Jahres standen sie unverrichteter Dinge auf einer Leipziger Bühne und rockten das Haus, daß einem alte Jam-Zeiten ins Gedächtnis kamen, als die Party an erster Stelle stand und erst danach – weit abgeschlagen – die jeweilige Gangster-Coolness eine Rolle spielte. Okay, wir Älteren, die wir schon ein paar Jahre dabei sind, wissen natürlich, daß früher alles besser war. Nicht zuletzt deshalb, weil wir es unseren größeren Brüdern und Schwestern, wenn die uns das sagen, eh nicht abnehmen. Es macht jedoch gerade deshalb umso mehr Spaß, bei einer Gruppe diese verlorengeglaubte Aura wieder förmlich zu spüren. Family Affair – aus Berlin – kommen „phatt, quicklebendig und gnadenlos groovend“ daher. Alles „verwandt und vereint durch den Groove“, meint das „sechsköpfige HipHop-Syndikat“ selbst. Die DJs dieser NachtAnarchist Academy bringen Phillip Maiburg mit, der selbst schon des öfteren im legendären Londoner Blue Note Café battelte und dessen Mixtur aus „Big Beats, D&B und Trip Hop“ den Rahmen erfrischend erweitert.Und tatsächlich gibt sich nach Jahren der Abwesenheit Oppossum, das Urgestein der Leipziger Hip Hop DJs ein Stelldichein. Anfang der Neunziger gab es im Conne Island keinen Jam, wo er nicht gedreht hätte und die Massen begeisterte. Inzwischen ist viel Wasser den Bach hinunter geflossen und die Wege haben sich getrennt. Doch ich glaube nichts falsches zu sagen, wenn ich behaupte, daß der gegenseitige Respekt auf Lebenszeit angelegt ist. Natürlich dürfen wir nicht vergessen, daß Big Brother BK, der einstmals Oppossums Nachfolge antrat, inzwischen selbst in die oberen Zehntausend der Hip Hop DJs aufgestiegen ist. Mein Herz wird also frohlocken, wenn beide an diesem Abend an den Tellern stehen und ihr Handwerk ausüben. Ralf |
