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Till Bastian will mit seinem kleinen Buch
Furchtbare Soldaten. Deutsche Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg
einen knappen Überblick geben und dafür die wichtigsten
bekannten Fakten zusammenstellen und kommentieren. Das ist ihm gut
gelungen und sein Buch damit auf alle Fälle eine bessere(7)
Einführung als der Ausstellungskatalog. Er gibt einen leicht
verständlichen Überblick über den Einfall der Wehrmacht in den
verschiedenen, nicht nur osteuropäischen Ländern. Von besonderem
Interesse ist dabei das abgestufte Vorgehen der Wehrmacht gegen die
Zivilbevölkerung und den Kriegsgefangenen entsprechend der
nationalsozialistischen Rassentheorie. Diese Stufen waren aber nicht groß
genug, als daß sich die Wehrmacht in irgendeinem Land an die Haager
Landkriegsordnung gehalten hätte, obwohl alle Soldaten die entsprechenden
10 Gebote für die Kriegsführung des deutschen Soldaten in
der Tasche hatten. Während diese Grundregeln im Osten per Befehl
außer Kraft gesetzt wurden, geschah dies im ehemals verbündeten
Italien ab 1943 in der Praxis von alleine, so daß sogar Mussolini, der
nach seiner Absetzung am 25. Juli 1943 verhaftet und im Oktober 1943 von
deutschen Fallschirmjägern befreit wurde, sich gegenüber dem
deutschen Botschafter beschwerte: Als Mensch und Faschist kann ich
für dieses Massakrieren von Frauen und Kindern nicht länger die, sei
es auch nur indirekte, Verantwortung tragen. Ergänzend geht das Buch auf die Bereiche Militärjustiz und Rüstungsforschung (z.B. deutsches Atombombenprojekt) ein. Um dem Gerede vom schwarzen Schatten, der sich in diesen Jahren der ansonsten so glorreichen deutschen Geschichte bemächtigt hätte, zu begegnen, beschreibt Bastian die Traditionslinien der faschistischen Wehrmacht vor und nach dem zweiten Weltkrieg. In einem ausführlichen Kapitel Deutscher Militarismus seit 1871 zeichnet er die zielgerichtete Entwicklung der deutschen Militärs, von den Auslandseinsätzen 1900 in China und 1904 in Deutsch-Südwestafrika (die in ihrer Brutalität und propagandistischen Legitimierung schon eine Vorahnung über zukünftige Einsätze deutscher Soldaten zuließen)(8) über den ersten Weltkrieg(9) bis hin zur Wehrmacht. Und bei den meisten namentlich erwähnten Funktionsträgern der Wehrmacht vermerkt Bastian zumindest, welche Karriere ihnen nach 1945 offen stand. Während Bastian z.B. ausführlich auf die Verbrechen des Wehrmachtsgeneral Ludwig Kübler eingeht, um zu belegen, welche Nationalsozialisten von der Bundeswehr mit Kasernennamen geehrt werden, lobte Heer, der Leiter der Ausstellung Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944, den Traditionserlaß des Ministers Rühe, der das beste sei, was man zum Thema nationalsozialistische Vergangenheit sagen könne.(10) In seinen Ausführungen über die Motive und Widerstandsmöglichkeiten kommt Bastian zu ähnlichen Erkenntnissen wie Goldhagen, in seinen Schlußfolgerungen widerspricht er ihm aber und wirft ihm eine monokausale Erklärungsweise vor. So stellt Bastian zwar fest, daß alle diese Äußerungen des Unmutes und, selten genug, auch des Widerstandes, wohl kaum zur Ehrenrettung für die Wehrmacht geeignet (sind). Im Gegenteil sie bezeugen erstens, daß derartige Greueltaten ganz und gar nicht heimlich, sondern gut wahrnehmbar geschahen, und zweitens, daß man, trotz kurzfristiger Empörung, sich auf Dauer mit ihnen zu arrangieren wußte, wenn man sie nicht ohnehin rundweg billigte. Er verweist auch darauf, daß von den 30.000 Todesurteilen der Militärjustiz gegen deutsche Soldaten, kein Urteil wegen Befehlsverweigerung bezüglich eines verbrecherischen Einsatzes bekannt geworden ist. Vielmehr stellten sich viele Wehrmachtssoldaten bereitwillig zur Verfügung, wenn die SS aufgrund der psychischen Belastung nicht mehr schießen konnte, zum Teil zettelten die Soldaten Pogrome an, die selbst der SS (natürlich aufgrund ihrer Ungeordnetheit und des schlechten Eindrucks wegen) verurteilt wurden. Trotzdem ist Bastian in seiner Nachbetrachtung der Meinung, daß man die deutschen Verbrechen in Abgrenzung zu Goldhagen nicht nur aus dem Antisemitismus, sondern auch mit dem Duckmäusertum der Deutschen erklären sollte.(11) |
Furchtbare Soldaten. Deutsche Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg. Till Bastian, Beck: 1997, 124 S. Kriminalbeamte, die dienstlich viel in Arbeiterkreisen zu tun haben, wollen es kaum glauben, daß es dieselben Leute sind, die noch vor kurzem in Protestversammlungen die Internationale hochleben ließen und jetzt patriotisch überschäumen (Jagow, Berliner Polizeipräsident, September 1914) (7) Dies bezieht sich auf das Verstehen und Erkennen von Hintergründen. Der Katalog mit seinen etwas zusammenhangslosen und meist unkommentierten Fotos und Texten ist dagegen eher geeignet, durch Erschrecken die Dimension der Verbrechen zu erahnen. (8) Und die heute der Bundeswehr als Vorbild für humanitäre und friedensschaffende Einsätze im Ausland dienen. So der Generalinspekteur der Bundeswehr Klaus Naumann im Oktober 1995. (9) Schon damals war der Antisemitismus konstituierend für den deutschen Militarismus. So ordnete 1916 die oberste Heeresleitung eine Judenzählung an. Da sie mit dem Ergebnis von 1,1% unzufrieden war, verschob sie das Komma einfach um eine Stelle nach rechts, um den mächtigen Einfluß der Juden in der deutschen Armee mit 11% belegen zu können. (10) Ehrlicher als Heer ist da schon der Rechtsaußen Dregger (CSU), der in der schon erwähnten Bundestagsdebatte die Umwandlung der Wehrmacht in die Bundeswehr als eine Militärreform bezeichnete, was natürlich ein Aufschrei im liberalen Lager verursachte, da es nicht eingestehen will, das wirklich nur dies und jenes reformiert wurde. Dies belegen eindrucksvoll die rechtsextremen Einzelfälle in der Bundeswehr, die in den letzten Monaten zuhauf der Öffentlichkeit bekannt wurden. (11) Das hat sicherlich damit was zu tun, daß Bastian notorischer ZEIT-Leser ist. In jeder zweiten Fußnote von ihm wird ein Artikel aus der ZEIT erwähnt. Und die ZEIT war es ja auch, die die Kampagne gegen Goldhagen eröffnete. |
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