Statistisch dürften sie kaum ins Gewicht fallen, die
sich da bereits oder in naher Zukunft in die Kolonnen von Taxifahrern,
Saisonarbeitern, Gastro-Hilfen, neu-immatrikulierten Studis oder ausgeruhten
Arbeitslosen einreihen nur ihre jüngste Vergangenheit weist da die
Besonderheit eines linken Alltags für jene handvoll Leute auf, die
einstmals als Redakteure bei der jungen Welt zugange waren.
Ein netter Streit unter Linken(1) ging dem voraus, was die
Kasperle-Gruppe(2) nun in guter Tradition linksradikaler
Biografien ereilt, wenn der Weg in die Institutionen bzw. Parteien dank
ideologischer Sattelfestigkeit permanent an der Tränke der
kapitalistischen Sachzwangoase vorbeiführt. Prompt spekulierte der
Tagesspiegel, ob denn derlei Geschöpfe nicht etwa von einem
anderen Planeten stammten.(3) Und tatsächlich
läßt die im Nachgang offenbarte Ahnungslosigkeit über die
wahren Besitzverhältnisse bei der Tageszeitung junge Welt tiefer
blicken, als es den geschaßten Redakteuren der jW zur
Erdenbürgerehre gereichen könnte: der Laden flog auf und sie
pardauz raus.
Sicherlich hatte man so nicht gewettet, als im April 95 nach der
Konkursanmeldung ein Weiter-Start gewagt wurde. Dabei hatte schon der damals
scheidende Chefredakteur Oliver Tolmein und mit ihm vier weitere
Redakteure(4) in einer notwendigen
Erklärung(5) einiges an den Interna kritisiert, was
immerhin bis in den Mai diesen Jahres gären konnte.(6) Schlimm
daran ist im besonderen, daß dies auf Kosten feministischer Standpunkte
funktionierte, der status quo rundherum aber auf dem verbalen Bekenntnis zum
linksradikalen Pluralismus ein Dasein fristen
ließ.(7)
Erinnert man sich der Werbefloskel von anno 94, die da lautete:
dogmatisch aber mit leichter Hand, ist es schon sehr
erstaunlich, inwieweit dieses anfängliche Credo ins Hintertreffen geraten
zu sein scheint. So ist es auch erklärlich, wie beispielsweise das
Leipziger Autonomen-Blättl Klarofix voller
Totalitarismusindoktrination gegen ein ideologieverbohrtes Forum
wettert, ohne eine Ahnung davon zu entwickeln, was damit eigentlich gemeint
sein soll.(8)
Die inzwischen zum linken Allgemeinplatz gereifte Dämlichkeit, daß
das Dogma nur den Stalinismus implizieren kann, verschaffte nicht
zuletzt der Redaktionsmehrheit der jW in der bürgerlichen Presse
einen Bonus mutmaßlicher Lernwilligkeit á la Querdenkerquark.
Interessanterweise haben das die verbliebenen jW-Mitarbeiter in einer
Erklärung realistischer betrachtet, als es uns eigentlich lieb sein
kann.(9) Die taz stellte demgemäß den ausgebrochenen
Konflikt in einer paßgerechten nonsensualen Verkürzung
dar.(10) Im besonderen ungewollt sekundiert vom letzten jW
Feuilleton-Chef Ralf Schröder, der es ausschließlich für
entscheidend hält, daß jemand eine gewitzte Kritik
gegen die Verwaltung der herrschenden Zustände aufschreiben
kann.(11) Ja, wenn das nicht taz-kompatibel hoch zehn ist, ist
mir die alternative Tageszeitung bisher immer verquer
untergekommen. Sicherlich war es dem verantwortlichen taz-Redakteur
Oliver Gehrs eine Genugtuung seiner Rechthaberei, die jungle World, das
Blatt der Redaktionsmehrheit, als Guerilla-Organ zu
lobhudeln.(12) (Es darf spekuliert werden, wie das bei den jungle
World-Leuten aufgenommen wurde.)
Eine besonders tiefe Wunde hinterließ bei alljenen, die glaubten,
für eine Leserschaft zu schreiben, die mit dem Muff von tausend Jahren
tatsächlich gebrochen hätte, das Outing vieler jW-Leser.
Jürgen Elsässer blieb daraufhin nur die Feststellung, für
solche Verrückten nicht mehr schreiben zu wollen.(13) Und
dabei hat er gar noch Glück, daß sich die Zonis im Verhältnis
zu ihrem prozentualen Leseranteil (ca. 75 Prozent) merklich zurückhielten
das Gros der Leserbriefe kam und kommt paradoxerweise aus dem Westen.
Tatsächlich zeigt sich in den Solidaritätsbekundungen für die
Gang des Geschäftsführers, wie richtig doch der
Koschmieder-Busenfreund Holger Becker liegt, wenn er den eigentlichen Platz der
jW als den Platz, den eine nicht existierende Kommunistische
Partei in diesem Land hätte, bezeichnet.(14) Allen
Unkenrufen zum Trotz verlor die jW unter dem Viergestirn
Schulz/Pirker/Becker/Koschmieder weniger Abonnenten, als fast alle
Symphatisanten der Redaktionsmehrheit und sie selbst natürlich auch
mutmaßten.
Das, was Koschmieder Modemätzchen schimpft, macht ein
Großteil der Leser personifiziert an der Redaktionsmehrheit fest. So
wettert Detlef aus Hönow: Die sind strohdumm und haben eigentlich
mit dem, was traditionell links genannt wird, nichts zu
tun.(15)
Wer nach dem Grund dafür fragt, warum denn die jW nun mit aller
Wahrscheinlichkeit doch nicht eingeht und der linkstümelnde Bodensatz um
ein vielfaches sogar das ehemalige Werbegeschenk der Zeitung, die linke
Tasse, unter sich begräbt, wird feststellen, daß des Pudels
Kern nicht etwa die hedonistische Party im gleichnamigen Hamburger Club ist,
sondern die Autosuggestion des per se linksseienden spontanen
antikapitalistischen Protests.(16)
In diesem Sinne hat die Crew der jungle World den eigenen Maßstab
auf das einzig erträgliche Verhältnis reduziert: nicht auf
Mehrheiten spekulieren und die Nähe (...) zum Volk als
unerträglich empfinden.(17)
Auf der Veranstaltung anfang Juli in Leipzig, wo es um Sinn oder Unsinn einer
radikal linken Wochenzeitung ging, beschwor Jürgen Elsässer seine
konzeptionellen Vorstellungen. Neben einem analytischen Komplex sollen
weiche Themen hart erarbeitet das Profil des Blattes bestimmen. Wie
das funktionieren soll, ist so offen wie der Ausgang des Hornberger
Schießens, denn die Zwangssolidarisierung gegen Koschmieder ließ
einen völlig heterogenen Haufen auf dem Reißbrett einen Entwurf
eines Wochenblattes skizzieren, der nicht nur den eigenen Ansprüchen
genügen, sondern verflixt und zugenäht sich auch
verkaufen muß.
(Der Abo-Coupon für die jungle World befindet sich hier im Heft.
Kopieren, ausfüllen, losschicken nur das ist sicher und auf keinem
Fall falsch.) |
Die Geistesergüsse stammen vom designierten jetzigen Chefredakteur der jW, Holger Becker, und sind jeden Tag auf der Leserbriefseite zu finden.
Steife Hüte und viel Gänse, in Ascot fehlt ein Herr mit Sense
Falls der Truck im Sand vergraben, sollten Fahrer Schaufeln haben
Hühner auf dem Fußballrasen wollen nur in Ruhe grasen
Spiegelbrillen sind ein Zeichen, das die grauen Zellen weichen
Rohe Kraft und kein Komfort, dumm ist der Draisinensport
Wird es wärmer unterm Hut, ein Himbeereis oft Wunder tut
Blitz gefolgt von Donnerknall bringt zuweilen Stromausfall
Gegen Schnupfen, harten Fall und Gicht helfen Gummistiefel nicht
Dämpfer vorm Trompetenrohr kommen uns sympatisch vor
Newmanns Paul beim Robbenküssen will vom Schmerz der Welt nichts wissen
Große Blasen aus gekernter Seife stören Polizisten auf der Streife
Bringt der Alltag Einerlei, fängt sich der Fischer Hammerhai
An der Berliner Volksbühne: Norden, Süden, Osten, Westen - Castorfs Klopse sind die besten
Niemals wieder Lärm von Sting, der Rest reimt sich auf B.B. King
Aachens Dom auf dem Zylinder - um sich greift der Wahn der Rinder
Hongkongs Müll gehört ab jetzt Chinesen wie auch mancher Reisstrohbesen
Dazu einen Text zu schreiben, läßt der Autor lieber bleiben
Bilden auf dem Strand sich Pfützen, kann ein Strandkorb dich beschützen
Wo das wilde Wasser wirrt, fährt der Paddler angeschirrt
Auch den flinksten Himmelsstürmer fressen irgendwann die Würmer
Schlimmer als im Rad die Beule ist des Drachen Mundesfäule
Lieber als der Stern der NATO ist uns Staubsaugers Vibrato
Dank Alete aus der Dose reichts für diese Sportlerpose |