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Aktuelles Heft

INHALT #284

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Editorial
• das erste: Eine Erfolgsgeschichte. Zwei Aktenordner, oder: das Jahr 1990 durch die Augen der Connewitzer Hausbesetzerszene
Das Imperiale Russland und seine Huldigung durch linke Dogmatiker:innen
Skill Sharing - Feminist*in-Sein – Selbsterfahrungspraxis Reloaded!
RECHT EXTREM - über eine rechte Gewerkschaft aus der Autobranche
Stellenanzeige: Redakteur*in gesucht! (m/w/d)
Spieleabend im Lixer
105 bezahlbare Wohnungen in LEIPZIG SÜD erhalten
• das letzte: Liegen bleiben

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Liegen bleiben

Kürzlich die Frage nach dem Vorhandensein eigenen Geschichtsbewusstseins mit »nahezu Null« beantworten müssen. Lediglich ein paar Bruchstücke waren da, anhand derer sich über Großes und Ganzes nichts weiter sagen ließ.

Ohnehin aber liegt das, worauf es für Geschichtsbewusstsein in dieser Zeit ankommt, nicht nur jenseits ›bloßer Jahreszahlen‹, sondern ebenso jenseits der wahlweise selbstgenügsamen oder identitären Aneignung von Wissen über historische Zusammenhänge und ganz bestimmt und insbesondere jenseits dessen, was Angebote aus dem Bereich pädagogischer Geschichtsbewirtschaftung im Auftrag von Demokratieförderung versprechen.(1) Entscheidend ist stattdessen die lapidare, einen auf Grund laufen lassende, Feststellung, dass Geschichte einer Abfalldeponie von Gegebenem und Passiertem ohne freie Platzwahl gleicht, auf der man vom Lauf der Dinge irgendwo einsortiert wird.

So nimmt sich dann auch die eigene biografische Zwischenbilanz als Protokoll einer mal mehr, mal weniger schleichenden Katastrophe aus: Kaputte Kindheit in materiellem Wohlstand. Gewalttätige Grundschuljahre. Dann knapper Absprung in den besseren Zweig des Schulsystems. Spätestens seit der allgemeinen Hochschulreife allenthalben damit beschäftigt, von Null anzufangen. Die Zugewinne späterer Lebensabschnitte lediglich Kollateraleffekte des eigenen Niedergangs. Das Langzeitstudium ein kühles Bad aus Depression und radikaler Kritik des Bestehenden. Der Abschluss ein Abbruch. Seit Lohnarbeit ist, intellektuell auf dem Abstellgleis und meist von kaum beschämtem Stumpfsinn, wohlgesinntem Konformismus und bleierner Niveaulosigkeit umgeben. Verletzte Wohnung. Angefressenes Denkvermögen. Glück, das nicht schon vergiftet ist, nur mehr ausnahmsweise in Erinnerungen an längst abhanden Gekommenes. Zwischen den kläglichen Highlights Vergessenszeiten.

Zeit ohne Sinn, die nur mehr verbraucht wird, um Menschen wie Umwelt in Müll zu verwandeln. Leben als verlängertes Absterben. Dagegen müsste Aufstand sein. Doch es fehlt gänzlich an Verbündeten. Allein ausbrechen wäre ebenso richtig wie es kurz, elend, wirkungslos und abschreckend wäre. Bleibt nur Betätigung als Hindernis, bis man von der allgemeinen Progression aus dem Weg geräumt wird.

Carl G. Bronetto

Anmerkungen

(1) Nämlich: Kultivierung routinierter Betroffenheit und pflichtschuldiger Prüderie als Nährboden für pseudoaufgeklärten (Anti-)Patriotismus.

26.06.2023
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