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CEE IEH-ARCHIV

#271, Februar 2022
#272, März 2022
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Aktuelles Heft

INHALT #272

Titelbild
Editorial
Vortrag und Lesung: Angry Workers
Buchvorstellung: Dirk Braunstein / Christoph Hesse - Schiffbruch beim Spagat: Wirres aus Geist und Gesellschaft 1
Buchvorstellung: Vladimir Ze'ev Jabotinsky - Die jüdische Kriegsfront
Buchvorstellung mit Protagonist:innen und Redaktion: Auf dem Klo habe ich noch nie einen Schwan gesehen – Erinnerungen aus 30 Jahren Conne Island
»Herumtreiberinnen« von Bettina Wilpert
• doku: Kritische Theorie, Psychoanalyse und die Geschlechterbeziehung
• doku: Die Tyrannei der unstrukturierten Gruppen
• das letzte: Ein brauner Schatten über Connewitz

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Ein brauner Schatten über Connewitz

Als Leipzigs ehemaliger Polizeipräsident Bernd Merbitz »rechtsfreie Räume« in Connewitz ermittelte, hatte er neben den inzwischen auch bei Spaziergängen besorgter Bürger zum guten Ton gehörenden Angriffen auf seine Einsatzkräfte noch andere Gefahren im Blick: »Die Graffiti, die Lautstärke, die Leute, die in den Häusern wohnen, obwohl sie sich nicht bei den Behörden angemeldet haben; die Hunde, die keine Steuermarken haben.«

Hunde, ob mit oder ohne Steuermarke, wurden kurz darauf auch vom Kulturamt als Gefahr erkannt. »Leipziger Hunde pinkeln Leipziger Denkmäler kaputt“ titelte BILD damals und ließ den ›Denkmalpfleger‹ aka Sachgebietsleiter für Bauinvestitionen und Kunst im öffentlichen Raum beim Kulturamt der Stadt Leipzig, Dr. Ansgar Scholz, vorrechnen: »Theoretisch müsste das Kulturamt jedes Mal, wenn ein Hund wieder neu an ein Denkmal pinkelt, die Wachsschicht erneuern lassen. Das würde jedes Mal 500 Euro kosten. Das ist utopisch, wenn täglich Hunde ans Denkmal urinieren.«

Die CEE-IEH-Redaktion hat sich dem Feld der heimischen Köter wiederholt mit Vorsicht angenähert. Mir ist spontan ein Tagebucheintrag von Max Frisch aus Heft #223 in Erinnerung. In Heft #207 hat forsynthia nairobi den »den Zusammenhang von Anarchismus, Totalitarismus und Haustieren« auf die Katze bzw. den Hund gebracht, und in Heft #195 beschäftigte sich Ben Romeo Rolf mit Shitart im Kiez. Dem »Kot-Antiimperialismus« der Bürgersteigdeko (Kandidat für das Jugendwort des Jahres 2014) sagte schließlich 2016 bei Facebook der »militante Arm der Leipziger Stadtreinigung«, die Antideutsche Initiative vereinigter Roboterkommunisten gegen linksdeutsche Kotifikation und Arbeitsfetischismus, den Kampf an.

Eine deutlich größere Gefahr als für neue Sneaker entdeckten Forscher der Universität Gent nun bei ihrer Untersuchung zum »unerwünschten Nährstoffeintrag« in Naturschutzgebieten.(1) Hochrechnungen für Belgien ergaben, dass die »Extraportion Stickstoff und Phosphor«, die Hunde beim Pinkeln und Scheißen in Naturschutzgebieten hinterlassen, »halb so viel wie Landwirtschaft, Verkehr und Industrie zusammen« beträgt. Mit der damit verbundenen Überdüngung droht eine Gentrifizierung der Flora: »dann verdrängen Arten wie die Brennnessel andere wertvolle Pflanzen«, so Studienleiter Pieter De Frenne.

Gefährden Connewitzer Köter also das Pflanzenmilieu im südlichen Auwald? Im Rathaus ist man bereits alarmiert, allerdings ist der regierende sozialdemokratische Block noch uneins, ob er im Umgang mit dem Problem auf Auffordern oder Wegbefördern setzten soll. Erste klandestine Vorbereitungen zur Eröffnung einer Außenstelle der Polizeibehörde in der Auwald-Station wurden aufgrund der räumlichen Distanz verworfen. Somit wird der Einsatz von Hartz IV-Empfänger/innen als ›Umweltverbesserer‹ für 1 Euro/Stunde beim Kommunalen Eigenbetrieb Leipzig/Engelsdorf – Stichwort Sozialer Arbeitsmarkt – wahrscheinlicher. Dort hat man die geleistete Arbeit im Jahr 2020 genauestens berechnet: Damals »wurden in diesen Maßnahmen 6.425 Säcke a 120 Liter mit Müll gefüllt. Ein Voller Sack ist ca. 1,10 m hoch. Stellte man alle Säcke übereinander, entstünde ein 7 km hoher Turm. Das entspricht 78 mal der Höhe des Völkerschlachtdenkmals, übereinander gestellt!«(2)

Dass man, wenn Arbeitslose solch »kleine Ordnungsaufgaben« übernehmen, »zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen« kann, wusste bereits die Berliner Grünen-Abgeordnete Claudia Hämmerling. »Arbeitslose bekommen eine neue Beschäftigung – und die Berliner eine sauberere Stadt.«

Connewitz, wo sich die Politik der ersten Person einiger Beliebtheit erfreut, wäre für den Heimatschutz hingegen vermutlich schon mit einem Aufruf zur allgemeinen Mobilmachung aller Hundebesitzer/innen geholfen. Also, liebe Naturfreunde mit den domestizierten Begleitern: packt zukünftig für den Waldspaziergang doch besser ein, zwei Tütchen mehr ein ;-).


shadab

Anmerkungen

(1) https://www.deutschlandfunk.de/hundekot-naturschutzgebiete-phosphor-stickstoff-100.html
(2) Für die Zahlenfetischist/innen unter euch: In Belgien trägt der Hundekot den Hochrechnungen zufolge jährlich 11 kg Stickstoff pro Hektar in Naturschutzgebiete ein. Wievielmal ließe sich das Völkerschlachtdenkmal mit dem Hundekot aus dem Auwald füllen?

20.06.2022
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