• Titelbild
• Editorial
• das erste: Die islamistische Rechte. Teil 1: Die Muslimbruderschaft und der legalistische Islamismus
• kulturreport: Die Stadt als Zelle – Gedanken zu graffiti writing und darüber hinaus
• interview: Kein Dancefloor ist ein Safe Space
• interview: Interview mit Hot Topic!
• position: Conne Elend: ein Nachgesang
• position: Der Ignorant bist Du!
• review-corner buch: Ignoriert die Befindlichkeiten der Männer!
• review-corner buch: Rezension: tapis-Magazin – Analyse zur islamistischen Rechten
• doku: What's Right?
• doku: Die hochtrabenden Fremdwörter
• das letzte: Je te présent: Françoise Cactus
Diversity, Empowerment und Toleranz als Schlagworte einer antirassistischen Haltung von Staat und Zivilgesellschaft, verfestigt in Förderprogrammen, findet auch in der stetig ansteigenden Popularität eines Politikverständnisses in der Linken ihren Ausdruck, die hauptsächlich mit Identität und subjektiver Betroffenheit argumentiert, wobei die uneingeschränkte Unterstützung diskriminierter Gruppen im Fokus des politischen Aktivismus steht. Dass das Anliegen legitim und die Diskriminierung objektiv vorhanden ist und damit nicht nur subjektiv erfahren wird, zeigt sich nicht nur in alltäglichem Rassismus, zum Beispiel auf dem Wohnungsmarkt oder bei Kontrollen in der Straßenbahn, sondern auch in rechtem Terror wie in Hanau im Februar 2020.
Dass Identitätspolitik eine Kehrseite hat, zeigt sich allerdings im unkritischen Umgang mit Vereinen, die als Selbstorganisation von Gruppen tatsächlicher oder vermeintlicher Diskriminierter wahrgenommen werden. Der Fehlschluss besteht in der Gefahr, aus Betroffenen Heilige zu machen, ohne deren politische Inhalte kritisch zu prüfen. Das Missverständnis, dass aus einer gesellschaftlichen Diskriminierung automatisch ein progressives Weltbild hervorgeht, unterstreicht das Magazin tapis – Analyse zur islamistischen Rechten, welches im Juli 2020 erschienen ist und mit dem im Editorial verlautbarten Anspruch antritt, die derzeit einzige Zeitschrift zu sein, die sich einer tiefgehenden Analyse der islamistischen Rechten und ihren Unterstützern widmet.
Die Autoren richten sich mit ihrer 23-seitigen Analyse an eine breite Leserschaft von politischen Entscheidungsträgern, zivilgesellschaftlichen Akteuren, über Journalisten und Wissenschaftler bis hin zu allgemein Interessierten, mit dem Ziel, eine offene Auseinandersetzung mit dem hiesigen Islamismus und seinen Erscheinungsformen anzuregen.
Den Fokus richten sie dabei auf den legalistischen Islamismus, also auf „Akteure, die nicht gegen Gesetze verstoßen, zum Teil dialogorientiert auftreten und gleichzeitig eine Agenda zur Umgestaltung der Gesellschaft nach konservativ-reaktionären Prinzipien anstreben“. Die Autoren verzichten somit auf eine plumpe Skandalisierung und Zuspitzung auf vermeintliche terroristische Bestrebungen von Islamisten oder einen Generalverdacht gegen Muslime, bzw. grenzen sich mit ihrer Analyse klar davon ab.
Dafür liefern sie Recherchen über Akteure, Vereine und Netzwerke sowie eine ideologische Verortung des Islamismus auf den üblichen Links-Rechts-Koordinaten und problematisieren einen naiven, falschen Umgang von Staat und Zivilgesellschaft. Den Islamismus ordnen die Autoren explizit als „rechts” ein, dessen Ideologie Antisemitismus, die Aufhebung der Trennung von Staat und Religion, Diskriminierung aufgrund des Geschlechts sowie das Ziel der Errichtung eines islamischen Gottesstaats beinhaltet. Die Frage, was dementsprechend linker Islamismus ist, bleibt offen.(1) Der Zusatz „legalistisch" ergibt sich aus der strategischen Notwendigkeit, dass im Gegensatz zu mehrheitlich islamisch geprägten Gesellschaften hierzulande weder auf Parteien noch auf eine außerparlamentarische Massenbewegung zurückgegriffen werden kann, wie sie zum Beispiel in Form der Muslimbruderschaft und etwaiger Ableger in sunnitisch dominierten Ländern existiert. Autoritäre Gemeinsamkeiten des zugrunde liegenden Weltbilds zeigen die Autoren durch Parallelen in der Entstehung der europäischen und islamistischen Rechten. So widmet sich der letzte Artikel des Hefts, der als erster Teil einer Reihe angekündigt wird, dem Einfluss und den ideologischen Überschneidungen der Vordenker der Konservativen Revolution und des modernen Islamismus, deren Konzepte etwa zeitgleich in den 1920ern entstanden sind und deren gemeinsamer Nenner die Feindschaft gegen die Moderne und die Prinzipien der Aufklärung sind.
Das tapis-Magazin dient mit seiner kurzweiligen 23-seitigen Erstausgabe als Einstieg zur kritischen Auseinandersetzung mit einer reaktionären Ideologie, die im Gewand einer scheinbar emanzipierten und progressiven Religionsauslegung im Zeitalter von „diversity" als Platzhalter begriffsentleerter Toleranz daherkommt, anstelle tatsächlicher Emanzipation zu fördern. Staatliche Akteure, die Fördergelder an dubiose Vereine verteilen, Teile der Zivilgesellschaft, die aufgrund eines unkritischen Inklusionsgedanken mit ihnen kooperiert, und zuletzt eine Linke, die Betroffenheit und Identität über den Anspruch progressiver Politik stellt und damit als Feigenblatt einer reaktionären Islamauslegung Einfluss zugesteht, scheinen diese „Vernebelungstaktik" eher zu unterstützen, anstatt kritisch den Finger in die Wunde zu legen. Das Magazin dient als argumentative Grundlage, letzteres zu tun.
Iggis