Ende August stellte die Süddeutsche
Zeitung in ihrer Jugendbeilage Jetzt den Goldenen Zitronen
sieben saure Fragen, die die Zitronen als engagierte
Rockmusiker ungewollt kontextualisierte (Ted Gaier ebenda: Was
machen wir noch außer Lichterketten? Okay, da fällt uns
nichts ein, also gehen wir in unseren Club und nachher wieder nach
hause.). Einige Zentimeter darunter auf derselben Seite in der Rubrik
Wahrsager steht zu Tocotronic gedruckt: Enterten mit
jugendtümelndem Deutschrock die Charts. Lehnen nun aber Preise ab mit der
Begründung: Wir wollen weder jung noch deutsch sein.
Strafe: Wer den Groove vergißt, den bestraft das Leben.
Nun, zu ergründen wes Geistes Kind die Macher der
liberalen Süddeutschen Zeitung sind, soll hier jetzt nicht
Gegenstand sein. Interessanter ist da schon, daß, wüßten
wirs nicht besser, arge Zweifel angebracht wären, ob das
Zusammenspiel von Manipulation und der Helfershilfe dank schlauer
Antworten der Zitronen genau das ist, wozu sie sich auf ihrer neuen Platte
Economy Class bekennen.
Deshalb schlittert unsereins ständig
durch das Kollektiv, um wieder bei sich ankommen zu müssen. |
Fragt man so rum, hat sich die Meinung festgesetzt, daß die neue Scheibe
musikalisch unwichtig aber als Manifest umso wichtiger sei. Und das
genau deshalb, weil sie eben nicht mehr den Anspruch des Zitronschen
Manifestierens erhebt. Die Resignation weggekickt zu haben, ist genau jenes
Verdienst, dem unisono mit Jochen Diestelmeyer beizupflichten ist: Der
letzte Schrei des 20.Jahrhunderts.
Warum dieser Schrei den Schliff der ästhetischen Unfreiheit nicht braucht,
beantwortet sich mit der vorgegebenen Kategorie des Improvisierens. Ohne auf
Pop zu verzichten. Ob nun Adorno oder Hip Hop oder beide ihnen die
Möglichkeit der mehrdeutigen Bestimmung von richtig und
falsch eröffnete - klar ist, daß das Hipstertum hier
seinen Abgesang vor der Geschichte erlebt, was in Kürze die Frage
legitimiert, ob links oder Hipster, weil beides nicht mehr gehen wird.
Links oder Hipster, beides wird nicht mehr gehen.
| Der Individualisierungsschub der Postmodernität stellt uns ja allenthalben
vor das Problem, die Subjektbildung nicht mehr so richtig nachvollziehen zu
können. Deshalb schlittert unsereins ja auch ständig durch das
Kollektiv, um wieder bei sich ankommen zu müssen. Nur, und das
unterscheidet die Zitronen von so vielen, darf daraus nicht der Rückzug
ins Private folgen.
Die Erkenntnis, die mir die Goldies nahe gebracht haben, ist der Widerstand
gegen das Hängenbleiben. Weder an der Uni, weder in der Musik, weder in
der politischen Kleingruppe noch in der Süddeutschen
Zeitung.
Ted Gaier: Der beste Weg zur Veränderung ist doch Analyse.
Oder? Und ich frage mich, was an dieser Aussage wohl das Primat
besitzt. Analyse? Falsch. Es ist das
Oder. Ralf |