• Titelbild
• Wahlabsage
• das erste: Streetwork mit Marx
• inside out: Im Osten nichts Neues.
• Jahresbericht 2018
• Full of Hell / The Body / Wayste / Hydren
• Captain Planet, Deutsche Laichen
• position: Unteilbare Gutbürger im Dienst fürs Kapital
• position: Von Kettenrauchern und Dieselautos
• position: Eine schrecklich nette Familie
• das letzte: Demokraten wider Willen?
Es ist wieder soweit: Nach der erfolgreichen Massenmobilisierung in Berlin tritt das Unteilbar-Bündnis dieses Jahr in Dresden an, um seinen engagierten Klamauk nun endlich auch ins Tal der Ahnungslosen zu befördern und dessen Bewohnern einen lautstarken Nachhilfekurs in Sachen Demokratie, Klimarettung und interreligiöser Kompetenz zu geben. Das Schauspiel ist vorhersehbar: Die gut gelaunte Weltretter-Brigade mit ermahnendem Blick für alles spalterische Aufbegehren gegen die gegenwärtige »sozial-ökologische Transformation« (Unteilbar) wird allerhand grenzenlose Solidarität, gelebte Weltoffenheit und andere Alternativlosigkeiten zu verkünden haben, um auch die letzten Abweichler gegen den drohenden klimatischen und politischen Weltuntergang zu aktivieren.
Das Bündnis zeichnet sich gänzlich im Widerspruch zur Vehemenz seiner Forderungen aber gerade nicht durch ein klares Programm und einheitliche Zielsetzungen aus. Vielmehr scheint die Triebfeder von Unteilbar darin zu bestehen, das breite und durchaus widersprüchliche Spektrum seiner Unterstützer mit dem Gedöns aus peinlichem Gemeinschaftskitsch und den Appellen zur Diversität unter eine Flagge zu bringen. Der Versuch scheint auf den ersten Blick nicht ganz unpassend, denn immerhin ist die volkspädagogische Eingreiftruppe im Oktober letzten Jahres massiv in die Kritik geraten, Antisemiten, Islamisten und türkische Rechtsextremisten nicht nur zu dulden, sondern deren Unterstützung auch auf Nachfrage zu rechtfertigen. So steht bis heute mit dem Zentralrat der Muslime (ZMD) ein Verband auf der Erstunterzeichnerliste, der neben der islamistischen Muslimbruderschaft und dem deutschen Ableger der iranischen Mullahs auch die türkischen Islamisten der Milli-Görüs-Bewegung beherbergt. Mit der ATIB befasst der ZMD nicht zuletzt eine Vereinigung unter sich, die der größten rechtsextremen Organisation in Deutschland, den Grauen Wölfen, nahe steht. Neben zahlreichen weiteren islamistischen Gruppierungen wird der Kampf für »eine offene und freie Gesellschaft« (Unteilbar) auch durch BDS-Antisemiten und linke Israel-Hasser unterstützt. Auf der Demonstration in Berlin riefen diese ganz unbefangen zum Boykott Israels auf und sehnten eine »Befreiung von ganz Palästina« in den Grenzen von 1948 herbei, also nichts Geringeres als die Zerstörung des jüdischen Staates(1). Gänzlich unbeeindruckt von diesem Geschehen, gab die Sprecherin von Unteilbar, Anna Spangenberg, gegenüber der Jungle World zu verstehen, dass sie den Minimalkonsens auf der Demonstration nicht bedroht sehe, denn schließlich stellten sich auch ihre islamistischen und antisemitischen Unterstützer »klar und eindeutig hinter die darin [gemeint ist der Aufruf] formulierten Inhalte«(2). Überhaupt seien »Kritik und Vorbehalte gegenüber Unterzeichnenden seit Bekanntwerden des Bündnisses ausschließlich an muslimische Individuen und Gruppierungen öffentlich geäußert« worden – nicht die islamistischen Umtriebe bei Unteilbar, sondern die Islamfeindlichkeit seiner Kritiker sei also das Problem(3). Besonderen Beifall erhielt die unteilbare Willkommenskultur gegenüber Islamisten und Antisemiten daher nicht unverdient vom prominenten Standartenträger des legalistischen Islamismus, dem ZMD-Vorsitzenden Aiman Mazyek. Dieser Verkündete auf der Demonstration in Berlin stolz die Integration islamischer Extremisten in die unteilbare Solidargemeinschaft: »Durch Extremismusvorbehaltsdiskussionen gegen einzelne Mitglieder des ZMD haben manche versucht eine Spaltung herbeizuführen und somit die Stimme der Muslime auszusortieren. Das ist ihnen nicht gelungen, dank des Orgateams von #unteilbar, das das Motto #unteilbar konkret umzusetzen weiß« [sic](4).
Die mantrahaft vorgetragenen Aufrufe an grenzenlose Solidarität, Vielfalt und soziale Gerechtigkeit hören sich allein vor diesem Hintergrund wie eine Drohung an jene an, welche dieser Bankrotterklärung gegenüber der islamischen Regression nicht vorauseilend den grünen Teppich ausrollen wollen. Dass man nun aber ausgerechnet der AfD, die sich derzeit leider als einzige konsequent islamkritische Partei in Deutschland aufspielen kann, in Dresden die Leviten lesen möchte, bekommt durch die proislamischen Solidaritätsbekundungen von Unteilbar einen mehr als faden Beigeschmack. Die Tatsache, dass insbesondere der faschistische »Flügel« innerhalb der AfD und ihre zum Teil fremdenfeindliche Wählerschaft ebenso schonungslose Kritik verdienen, ändert daran nichts. Nur wären Ausländerfeindlichkeit und Islamkritik zunächst einmal klar voneinander zu unterscheiden, doch genau diese Trennlinie lässt die breite Anti-Rechts-Koalition nicht ohne Zufall gänzlich vermissen. Wer sich nämlich den Kampf gegen »antimuslimischen Rassismus« (Unteilbar) auf die Fahnen schreibt, der rassifiziert nicht nur den islamischen Glauben, sondern verunmöglicht dadurch auch jegliche legitime Kritik an demselben.
Dass der gelebte Alltagsislam mit einer »offenen und freien Gesellschaft« (Unteilbar) gänzlich unvereinbar ist und darum kritisiert gehört, müsste jeder einsehen, der sich nicht berufsmäßig dem alleinigen Kampf gegen Rechts verpflichtet hat. Ganz im Widerspruch zu den Ideen von individueller Freiheit und privatem Wohlergehen forciert dieser nämlich die Zwangskollektivierung der Gemeinschaft der Gläubigen, deren vordringlichstes Ziel nicht in Genuss und Lebensfreude bestehen soll, sondern in der restlosen Unterwerfung unter die Vorschriften des Islam. Unter der Gewalt ihrer Familienoberhäupter und legitimiert durch islamisches Recht werden regelmäßig minderjährige Mädchen zwangsverheiratet, Frauen werden als potentielle Schande und damit als Gefahr für die Gemeinschaft der Gläubigen als Menschen zweiter Klasse behandelt, stehen permanent unter der Obhut ihrer Ehemänner oder männlichen Verwandten und werden oftmals - wenn überhaupt - nur verschleiert auf die Straße gelassen. Wer dem trostlosen und verzichtsvollen islamischen Alltag entfliehen will, läuft zudem Gefahr, zu einem Mordopfer im Namen der Ehre zu werden, wie sie der praktizierte Islam jährlich zu Dutzenden allein in Deutschland zu verantworten hat.
Weil das Unteilbar-Bündnis jede Kritik am Islam von vornherein verunmöglicht und mit seinen Schergen auch noch paktiert, ist seine Kritik am Rechtspopulismus dahingehend bereits grundsätzlich verfehlt. Die Demonstration in Dresden wird, so viel ist jedenfalls sicher, mit ihren Appellen nicht durchdringen und weder der AfD eine einzige Stimme kosten noch die gegenwärtige Spaltung der Gesellschaft in irgendeiner Weise vermindern.
Schuld daran ist aber nicht die Verbissenheit der Rechtspopulisten und ihrer Anhänger, sondern vor allem der blinde Wiederholungszwang der in Sachen Flüchtlingssolidarität »besseren Deutschen«, die trotz aller erdrückenden Folgeerscheinungen der Politik offener Grenzen nie genug belehren, ermahnen und davor warnen können, dass sich hinter der Kritik am Alltagsislam stets nur das böse chauvinistische Ressentiment verbirgt. Die verkündete Unteilbarkeit sondert daher jene Menschen kategorisch aus, die sich in diesen gemeinsamen Marsch für ein multireligiöses Buntdeutschland nicht einreihen wollen. Das Aufbegehren jener erscheint dann folglich nur noch als rücksichtslose Bestandssicherung von Privilegien weißer Männer ohne akademisch anmutende Wortwahl, deren Kritik hierdurch vor jeder Wahrheitsprüfung abgewehrt werden kann.
Diese Abscheu gegenüber jeder vorbehaltlosen Kritik am derzeitigen sozialen Wandel ist für das Unteilbar-Bündnis charakteristisch und legt den Verdacht nahe, dass es bei der ganzen Veranstaltung weniger um die Durchsetzung der sowieso schon vagen und widersprüchlichen Forderungen geht, als vielmehr darum, in bunter Gemeinsamkeit das gute Gefühl moralischer Überlegenheit gegenüber den sogenannten Locals zu feiern. Am eklatantesten kann die Verleugnung von Widersprüchen in der von Unteilbar geforderten sozialen Modernisierung an dem Appell abgelesen werden, dass »Sozialstaat, Flucht und Migration« doch bitte nicht weiter »gegeneinander ausgespielt« (Unteilbar) werden sollen.
Denn auf der einen Seite zielt die Forderung der offenen Grenzen auf eine Deregulierung staatlicher Kontrolle ab, die auf der anderen Seite wiederum einen starken »Sozialstaat« einfordert, der die Folgen der offenen Grenzen durch Sozialleistungen auffängt. Realpolitisch bedeutet das, dass durch die offenen Grenzen Menschen nach Deutschland kommen, welche hier im besten Fall nur ein besseres Leben suchen, denen aber auf Grund der zunehmenden Digitalisierung und Automatisierung der Produktion ein kontinuierlich schwindender Arbeitsmarkt gegenübersteht. Die stetig wachsenden Anforderungen an die Qualifikationen der Arbeiter ergänzen diese Problematik noch um eine weitere Note. Denn ein großer Teil der Flüchtlinge entspricht nicht einmal annähernd den Erfordernissen, die nötig wären, damit sie sich das ersehnte bessere Leben hierzulande finanzieren können. Dass durch die Rechtspopulisten »Sozialstaat, Flucht und Migration gegeneinander ausgespielt werden« ändert deswegen absolut nichts daran, dass Menschen, die in keine produktive Lohnarbeit integriert werden können, nichts zur kapitalistischen Produktion beitragen und damit im wahrsten Sinne Überflüssige sind, vom Staat auch keine Steuern abgepresst bekommen können und vielmehr auf seine Zuwendungen angewiesen sind.
Die Kollision von Sozialstaat und offenen Grenzen ist damit keine reine Phantasie rechter Fremdenfeinde und lässt sich auch nicht mit antirassistischer Diskursethik beseitigen. Die Politik der offenen Grenzen erscheint für viele eben darum nicht zu Unrecht als eine anmaßende moralisch erpresste Gefährdung des deutschen Sozialstaates(5). Dass ausgerechnet die vehementesten Vertreter der Politik offener Grenzen, also die Grünen und die SPD, auch jene sind, die unter Kanzler Schröder mit den Hartz-IV-Gesetzgebungen die schärfsten Einschnitte im sozialen Sicherungssystem vorgenommen haben, macht deren Beschwichtigungsversuche, gelinde gesagt, alles andere als überzeugend. Denn durch welche Maßnahmen die bislang unabsehbaren Mehrkosten für den deutschen Staat bezahlt werden können, die langfristig durch die Aufnahme von hunderttausenden Flüchtlingen entstehen werden, ist nach wie vor ungeklärt(6).
Die seit der sogenannten Flüchtlingskrise bis in die Regierungsbank reichenden Weltrettungsphantasien, die bislang nur aus den apokalyptischen Mäulern links-grüner Zukunftsmusiker aus der kulturellen und akademischen Nische ertönten, überzeugen im nach wie vor ärmeren Ostdeutschland daher nicht zufällig nur die Wenigsten. Doch auch in den Phrasen von Solidarität und Achtsamkeit gegenüber Mensch und Natur können die Unteilbaren nicht verbergen, dass sie als Speerspitze des sozial-ökologischen Wandels auftreten, die den individuellen Modernisierungsdruck unter Hinzunahme moralisch erpresster Aufopferungen auch bis in das letzte Sozialwohnheim von Dresden-Gorbitz ausweiten will.
Die Transformation des gesellschaftlichen Zusammenlebens, dessen Vorreiter Unteilbar sein möchte, erklärt sich vor allem durch die veränderten Arbeitsbedingungen. In Zeiten des postmodernen Kapitalismus wird von den Arbeitern ein immer größeres Maß an Flexibilität und Anpassung gefordert, dass dieselben gegenüber ihren ständig wechselnden Arbeitsverhältnissen und Projekten als charakterliche Eignungskriterien vorweisen müssen. Nur die Wenigsten verfügen heute noch über einen lebenslang ausgeübten Beruf und über klar, überschaubare Lebensverhältnisse. Die permanente und gegenseitige Inklusion der zerrissenen Lebensläufe bewirkt daher eine sich kontinuierlich ausweitende Krise des Individuums, dem eine statische, überschaubare Lebensführung mehr und mehr als Verrat an den eigenen Aufopferungen erscheint. Aus diesem Grund müssen die gegenwärtigen Antidiskriminierungsideologien oder das permanente gemeinnützige Engagement auch als die gesellschaftliche Form einer kollektiven Teamschulung gelesen werden, deren vordringlichster Zweck darin besteht, die individuelle Bereitschaft zur aufopferungsvollen Lösung großer Probleme zur Schau zu stellen. Die Bereitschaft zum Verzicht und damit die Abwehr des ursprünglich klassisch liberalen Privategoismus ist dabei nur der Ausdruck einer restlosen Unterwerfung unter die individuellen und gesellschaftlichen Anforderungen des Kapitals. Die unabsehbare Belastung des deutschen Sozialstaates nicht einmal zur Diskussion stellen zu wollen, ist ebenso Ausdruck dieser Entwicklung wie die panischen Verzichtsforderungen von Fridays for Future. Letztere stellten im Juli dieses Jahres in Stuttgart gar stolz ihren freiwilligen Verzicht auf den eigenen Sommerurlaub zur Schau (»Ferienstreik fürs Klima«) und brüllten pünktlich zum Beginn der Schulferien Flugreisende und Familien im Flughafengebäude nieder, denen sie für den Urlaub per Flugzeug ein »schlechtes Gewissen« mit auf den Weg geben wollten(7).
Grenzenlose Flexibilität, dauerhafte Heimat- und Rastlosigkeit sowie ständig wechselnde Identitäten bewirken aber auch im postbürgerlichen Subjekt eine apokalyptische Kulturfeindlichkeit, für die auf dem Markt der Ideologien derzeit mehrere Sonderangebote zur Verfügung stehen. Neben der sich in der AfD derzeit ausbreitenden faschistischen Staatsvergötterung beten andere die Natur an und betrachten die menschliche Bewohnung des Planeten Erde zunehmend als Gefahr für denselben. In besonderem Maße dient aber auch der Islam als geeigneter Anknüpfungspunkt für destruktive Sehnsüchte, mit dem eine prekäre, verzichtsvolle Existenz in Aussicht gestellt wird, die den Überforderten in allen Lebensbereichen die individuelle Verantwortung abnimmt und in den Marschbefehl Gottes überführt.
Dass diese individuellen Aufopferungen der grünen und islamfreundlichen Gesellschaft nicht von allen hier lebenden Menschen mit offenen Armen begrüßt werden, ist mindestens zum Teil durch rational begründbare Vorbehalte bedingt, die unter der Brille bloß moralischer Distinktion unsichtbar bleiben müssen. Aus diesem Grund erklärt sich auch, weshalb keine andere deutsche Partei hierzulande auf eine so überwältigende Ablehnung stößt wie die AfD. Diese weitgehende Ablehnung gilt aber eben auch, wenngleich in etwas geringerem Maße, für die neuen Bundesländer. Neben der erfolgreichen Massenmobilisierung von Unteilbar, die jede rechtspopulistische Zusammenrottung bei Weitem in den Schatten stellt, geben laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung vom Oktober 2018 rekordverdächtige 71% der Deutschen an, dass sie die AfD »auf keinen Fall« wählen würden(8). Damit wäre über den angeblichen »bundesweiten Rechtsruck« bereits alles gesagt. Dass das bundesweite Unteilbar-Bündnis den »Sommer der Solidarität« dieses Jahr ausgerechnet in Dresden ausruft, gibt ihm die willkommene Möglichkeit, sich als überaus mutiger Widerstandskämpfer gegen diesen angeblichen Rechtsruck aufzuspielen. Nur hier, so glaubt man, kann wirksam ins Herz des rechten Aufstandes gestoßen werden und auch in Sachsen autoritär die unteilbare Einheit des neuen, also islamfreundlichen und grünen, Deutschlands hergestellt, das heißt »Sachsen auf Linie« gebracht werden. Ignoriert wird dabei, dass die AfD aber nicht in den Städten, auch nicht in Dresden, sondern vor allem in den ländlichen, abgehängten Regionen ihre besten Wahlerfolge verzeichnet hat. Ebenso wären die montäglichen PEGIDA-Demonstrationen erheblich kleiner, würden nicht Woche für Woche Fahrgemeinschaften wütender Kleinstadtbewohner in die Landeshauptstadt pilgern. Ungeachtet dessen trifft man sich in Dresden, um sich seiner eigenen politischen Überzeugung mit Hilfe der Masse zu versichern, die man nur an Orten mobilisiert bekommt, an denen die AfD ohnehin keine dominierende Rolle spielt.
Dass die Ablehnung der AfD in den neuen Bundesländern, allen voran Sachsen, dennoch deutlich geringer ausfällt, wird zwar oft und gern betont, doch nur selten steht hinter dem erhobenen Zeigefinger eine Erklärung dieser Tatsache bereit. Das mag vor allem daran liegen, dass sich die besseren Deutschen furchtbar gern darin sehen, als Lichtgestalten in die dunklen Teile Deutschlands vorzustoßen und ihre frohe Botschaft mit infantil zur Schau gestellter Gutmütigkeit und herzzerreißenden Parolen wie »Herz statt Hetze« oder »Herz auf, Angst raus« zu verkünden. Zu diesem Schulhofnivau passt dann auch, dass die Warmherzigen unmittelbar zum »Sachsenbashing« übergehen, wenn sie merken, dass ihre Zöglinge die moralische Reduktion gesellschaftlicher Probleme nicht ohne Weiteres mittragen wollen. Obwohl sich in diesen primitiven Gesten letztlich nur die vollständige Abwesenheit vernünftiger Argumente aufzeigen lässt, ändert dies nichts daran, dass die besondere ostdeutsche Situation, in der ein fremdenfeindlicher Sozialetatismus noch deutlich stärker verbreitet ist, erklärungsbedürftig bleibt. Die größeren Wahlerfolge der AfD im Osten sind aber gewiss nicht dadurch bedingt, dass die Menschen hier einfach skrupelloser, rücksichtsloser oder einfach böse wären. Sie zeugen vielmehr von den oftmals einschneidenden Wendeerfahrungen, die das heutige politische Bewusstsein im Osten maßgeblich beeinflusst haben.
Mit dem Rückbau des alten Staatsapparates ging in den neuen Bundesländern ein Zusammenbruch der Industrie einher, dem eine ungekannte Massenarbeitslosigkeit folgte. Der schleppende Aufbau neuer staatlicher Institutionen, der Mangel an Polizisten, zunehmende Gewalt auf der Straße und der private Aufkauf oder der Niedergang einst exportstarker »volkseigener Betriebe« versetzte den Osten der Republik in einen Zustand, der zeitweise keinesfalls besser war als zuvor. Zwar wurden die autoritären Parteifunktionäre nur von den wenigsten vermisst, aber die Sicherheit und der konstante Lebensstandard entfachten bei den ehemaligen Bürgern der DDR die Sehnsucht nach einem durchgreifenden Sozialstaat, der die Sicherheiten des DDR-Regimes um die privaten Freiheiten und den Wohlstand der Bundesrepublik ergänzte. Durch den ökonomischen und politischen Umbruch in den Wendejahren haben die meisten Biographien der Ostdeutschen zudem einen deutlichen Einschnitt erfahren. Ihr einstiger gesellschaftlicher Status verstaubt gemeinsam mit dem untergegangen DDR-Regime in den Archiven der Geschichte und findet in der Berliner Republik keinerlei Anerkennung. Nicht zuletzt dadurch erklärt sich auch die hiesige Verachtung für das Berliner Establishment.
Hinzu kommt, dass die Bevölkerung der neuen Bundesländer durch die millionenfache Abwanderung vorwiegend junger Menschen seit der deutschen Wiedervereinigung nicht nur auf den Stand von 1905 zusammengeschrumpft ist, sondern im Zuge dessen auch eines der höchsten Durchschnittsalter in der gesamten Europäischen Union verzeichnet. Die massive Deindustrialisierung ganzer Landstriche und die nach wie vor deutlich geringeren Lohnniveaus und niedrigeren Rentenerwartungen der Ostdeutschen machen einen großen Teil derselben daher naturgemäß nicht gerade zum Freund des gegenwärtigen gesellschaftlichen Wandels, der außer moralisch erpressten Aufopferungen für die Einzelnen nichts Materielles zu bieten hat. Die heutige Anhebung des Lebensstandards in den neuen Bundesländern ändert darum nichts daran, dass viele Ostdeutsche mit ökonomischer Deregulierung und staatlichem Souveränitätsverzicht bis heute die Erfahrung ihres privaten Niedergangs in der Wendezeit verbinden und darum nach wie vor lieber auf den starken Staat denn auf multikulturelle Selbstverwaltung durch die neuen gesellschaftlichen Eliten vertrauen.
Dass der deregulierte Kapitalismus, mit seiner erheblichen Steigerung des individuellen Anpassungsdrucks, mittlerweile bis zur CDU mitgetragen wird, mag nicht zuletzt auch ein Grund dafür sein, dass die CDU, die in den 90er Jahren in Sachsen stets deutlich über 50% der Wählerstimmen auf sich vereinte, ihre verlorenen Stimmen nun bei der AfD wiederfindet. Doch die Stimmung des Wahlvolks der deindustrialisierten und abgehängten Gebiete zwischen Hoyerswerda und Oberwiesenthal eignen sich zu nichts weniger denn als Zukunftsbarometer der globalisierten urbanen Bundesrepublik, deren Repräsentanten sich eher an Lebensmittelzusatzstoffen ihrer Veggiewürstchen, denn an den Lebensgewohnheiten ihrer ausländischen Mitbürger aufreiben. Der eingebildete Endkampf gegen Rechts, wie er von Unteilbar verkündet wird, kann nicht darüber hinweg täuschen, dass die AfD und besonders ihr faschistischer »Flügel« weder in Deutschland, noch in Sachsen mehrheitsfähig sind. Hinter der moralischen Distinktion gegen Rechts, die von Unteilbar nun auch auf den Straßen Dresdens vorangetrieben wird, steht darum im Kern ein Klassenkampf der Angepassten gegen die angeblich zurückgebliebenen, egoistisch auf ihr eigenes Wohl blickenden Locals, denen Mülltrennung, Ökostrom und der allgegenwärtige Karneval der Kulturen nicht ganz zu Unrecht als ein Angriff auf klare und überschaubare Lebensverhältnisse erscheint.
Antideutsche Kommunisten Leipzig